ungehaltener Redebeitrag für den geplanten Ostermarsch in Biberach am 10. April 2020

 

Abgesagt? Karfreitag – Gebot zur Gewaltfreiheit.

Liebe Freundinnen und Freunde,

auch wenn wir uns nicht zur KarfreitagsMahnwache auf dem Biberacher Marktplatz versammeln, bleiben wir dran: Was der Karfreitag in die Welt brachte, ist „Stecke dein Schwert in die Scheide!“, ein Jesuswort aus der Passionsgeschichte. Das Gebot zur Gewaltfreiheit verschwindet nicht. Das Bewusstsein zu schaffen, dass wir den Frieden fertigen können, bleibt unsere Aufgabe. Das Kreuz von Jesus Christus bestärkt uns.

Auch wenn wir aktuell uns möglichst zu Hause aufhalten, beschäftigen wir uns nicht einfach nur mit Privatem und sagen alle sozialen Kontakte ab. Denn wenn wir jetzt den Glauben an Gott nur verinnerlichen würden, für mich zu Hause oder in der Familie, dann hätten wir den Karfreitag nicht auf unserer Seite. Die Trennung in eine Welt der Politik, der Arbeit, der Wirtschaft, in der die Macht gilt, das Geld zählt und der Fortschritt – und in eine Welt, in der es nur um das Innerliche und Private geht, das ist nicht das, was mit Jesus in die Welt kam.

Am Kreuz wird der Friede gemacht, ist die Überzeugung derer, die das Geschehen von Karfreitag verstanden haben. Sie lassen sich hineinziehen in die Aufgabe, Frieden zu schaffen mitten in einer Welt des Hasses und der Kriege. „Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein“, war nach dem Zusammenbruch im Zweiten Weltkrieg der entscheidende Satz der Gründungsversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948.

In Deutschland formulierte 1959 zur Zeit des Kalten Krieges und intensiver atomarer Aufrüstung eine Kommission die „Heidelberger Thesen“. Diese forderten dazu auf, „die Zeit der Abschreckung zu nutzen, um die Logik und den Geist der Kriegsführung zu überwinden“. Es ging um die ethische Bewertung von Massenvernichtungswaffen, vorab der Atomwaffen. Wenn deren Einsatz rechtlich und ethisch nicht akzeptabel ist – können sie dann trotzdem zu Zwecken der Kriegsverhütung durch Abschreckung dienen? Die damals und bis heute umstrittene Antwort auf diese Frage lautete: Für eine Übergangszeit kann die atomare Abschreckung als eine „heute noch mögliche christliche Handlungsweise“ anerkannt werden, es kommt aber vor allem auf eine langfristige Ächtung und Abschaffung der Atomwaffen und eine Überwindung der Institution des Krieges an.

1975 forderte die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Nairobi: „Die Kirche sollte ihre Bereitschaft betonen, ohne den Schutz von Waffen zu leben und bedeutsame Initiativen ergreifen, um auf eine wirksame Abrüstung zu drängen.“

Eine heftige Auseinandersetzung zu den Atomwaffen wurde durch den Doppelbeschluss der NATO vom Dezember 1979 ausgelöst. Es formierte sich in den 1980er Jahren eine kirchliche und nichtkirchliche Friedensbewegung, die gegen diesen Doppelbeschluss „Raketenaufstellung und Rüstungskontrolle“ eintrat.

In Vancouver verschärfte dann 1983 der Ökumenische Rat seinen Aufruf: „Wir glauben, dass für die Kirchen die Zeit gekommen ist, klar und eindeutig zu erklären, dass sowohl die Herstellung und Stationierung als auch der Einsatz von Atomwaffen ein Verbrechen gegen die Menschheit darstellen und dass solches Vorgehen aus ethischer und theologischer Sicht verurteilt werden muss.“

Die Forderungen der Friedensbewegung trugen dazu bei, dass 1987 in Reykjavik von den USA und der Sowjetunion mit dem INF-Vertrag die Vernichtung und das Produktionsverbot ihrer atomar bestückbaren, landgestützten Flugkörper mit Reichweiten von 500 bis 5500 km beschlossen wurde. Dieser bedeutende Abrüstungsvertrag wurde von den USA vor zwei Jahren gekündigt. Das braucht jetzt unseren Aufschrei! Kein Abtauchen in den Stillstand!

Die Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ erklärte 2007, dass „die Tauglichkeit der Strategie der nuklearen Abschreckung … überhaupt fraglich geworden (ist) … die Drohung mit Nuklearwaffen (kann) heute nicht mehr als Mittel legitimer Selbstverteidigung betrachtet werden.“

Kirche des gerechten Friedens werden – was heißt das konkret für uns hier und heute? Wir verurteilen die Teilhabe genauso wie den Besitz von Atomwaffen und die Drohung mit ihrem Einsatz. Wir protestieren gegen die Vorstellung, Abschreckung mit Atomwaffen für möglich zu halten und setzen uns für die Ächtung von Massenvernichtungswaffen ein.

Frieden ist für uns nicht Harmonie im privaten Bereich. Frieden ist ein lebenslanger Kampf. Wie Jesus seine Angst besiegt hat, müssen wir unsere Angst besiegen und für den Frieden kämpfen.

Die aktuelle Lage in der Welt, auch jetzt in der Corona-Krise, führt uns vor Augen, dass die Probleme nur durch internationale Solidarität und Zusammenarbeit zu lösen sind.  
 

Roland Groner ist vom Friedensbündnis Biberach.

 

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