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vom:
01.02.2000


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  Initiativen

Die nächsten Atommülltransporte kommen - und der Widerstand dagegen auch

Verwirrspiel um Castor

Jochen Stay

Anfang des Jahres verkündete das Bundesamt für Strahlenschutz, dass demnächst die ersten Genehmigungen für die Wiederaufnahme der Castor-Transporte erteilt werden. Folgender Beitrag zeigt auf, was dies für die Debatte um den Ausstieg aus der Atomenergie bedeutet und wie sich die Anti-Atom-Bewegung darauf einstellt.


Im Mai sind es zwei Jahre, seit die damalige Umweltministerin Angela Merkel den Stopp der Castor-Transporte wegen des Skandals der verschwiegenen Kontaminationen verfügte. Ob allerdings zu diesem Jubiläum noch immer keine Atommüll-Züge rollen werden, ist fraglich. Im Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) stapeln sich die Anträge der AKW-Betreiber. Besonders in den Reaktoren Stade, Biblis, Philippsburg und Neckarwestheim drängt die Zeit, denn die internen Lagerkapazitäten für Atommüll sind ausgeschöpft.

Zuerst, so erklärte kürzlich der grüne BfS-Präsident Wolfram König, werden wahrscheinlich Transporte aus süddeutschen AKWs in das Zwischenlager Ahaus und von der französischen Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) La Hague nach Gorleben genehmigt. An den Südwest-AKWs wurden bereits leere Castoren angeliefert. In Frankreich stehen sechs beladene Behälter abfahrbereit. Für den wegen einer baufälligen Brücke nicht nutzbaren direkten Schienenweg ins wendländische Dannenberg soll nun eine Alternativstrecke über Arendsee in Sachsen-Anhalt genommen werden. Dort regt sich allerdings schon entsprechender Widerstand.

Die Innenminister von Nordrhein-Westfalen (Ahaus) und Niedersachsen (Gorleben) sind wenig begeistert von den geplanten Transporten. In NRW gefährdet ein großer Polizeieinsatz gegen AtomkraftgegnerInnen vor den Landtagswahlen im Mai das rot-grüne Regierungsbündnis. In Hannover werden alle Kräfte zum Schutz der Expo gebraucht. Da hat niemand Interesse an einem Castor.

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So kann es geschehen, dass die zuerst genehmigten Transporte nicht unbedingt diejenigen sind, die auch als erste rollen. Schon ist davon die Rede, dass die Genehmigungen des BfS hauptsächlich dazu dienen, die Behälter an den Kraftwerken schon mal vorsorglich beladen zu können. Das nennt sich dann Transportbereitstellung und bringt erstmal wieder Platz in die Lagerbecken mit den Brennelementen.

Ihre Hoffnungen setzen die AKW-Betreiber nicht auf die innerdeutschen Transporte, denn dass diese umkämpft sein werden, ist klar. Wirklich große Mengen Atommüll möchte man zu den WAAs Sellafield und La Hague bringen. Bis die entsprechenden Anträge vom BfS genehmigt werden, wird es zwar Frühling werden, aber dann sollen die Züge über die Grenze wieder möglichst schnell und oft rollen.

Manche Landesregierungen und Stromkonzerne halten dies für völlig unproblematisch. Sie erinnern sich, dass es vor dem Transportstopp kaum Protest gegen die WAA-Transporte gab. Doch dies hat sich inzwischen grundlegend geändert. Sollte es wieder zu solchen Transporten kommen, so werden an den Abfahrts-AKWs Tausende blockieren.

Dies hat viel mit der wachsweichen Atompolitik der Bundesregierung zu tun. Inzwischen scheint man sich bei Rot-grün sogar damit abfinden zu wollen, dass u.U. in dieser Legislaturperiode kein einziger Reaktor vom Netz geht. Und der angekündigte Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung ist bis auf weiteres vertagt.

Entscheidend für den Fortgang der Auseinandersetzung wird also, wieviele Menschen den allerersten Transport blockieren, egal ob dies ein innerdeutscher nach Ahaus, ein Zug von La Hague nach Gorleben oder ein Transport von einem AKW zur WAA ist. Die Polizei jammert bundesweit über zu wenig Personal und zu viele Überstunden. Unisono erklären Innenminister und Gewerkschaftler, dass mehr als ein Castor-Großeinsatz pro Jahr kaum zu schaffen ist.

Die Anti-Atom-Initiativen sind gewappnet. Für alle möglichen Blockadeorte (Ahaus, Arendsee, Biblis, Gorleben, Philippsburg, Neckarwestheim und Stade) existieren Aktionskonzepte. Der Kampagne "X-tausendmal quer - überall", die eine große gewaltfreie Sitzblockade gegen den ersten Transport organisiert, schließen sich mehr und mehr Menschen an. Die AktivistInnen hoffen, dass die augenblickliche Unübersichtlichkeit (Ort und Zeitpunkt des Widerstandes ist noch unklar) die Menschen nicht davon abbringt, sich konkret und gründlich auf einen Transport vorzubereiten.

"Die Bundesregierung redet nur noch von Restlaufzeiten", so Dirk Hofmeister von "X-tausendmal quer - überall", "doch wir erinnern an das Restrisiko und auch daran, dass der Atommüllberg wächst und wächst. Ohne aktiven Widerstand wird es keinen Ausstieg geben. "Dabei beziehen sich die AtomkraftgegnerInnen nicht nur auf Castor- Transporte. Denn die Bundesregierung versucht, möglichst viele Atommüll-Abfuhren zu vermeiden, ohne allerdings die Atommüll-Produktion zu drosseln. In dieser Situation zeigt sich, ob es hierzulande nur eine Anti-Castor- oder eine Anti-Atom-Bewegung gibt. Geben sich viele Menschen damit zufrieden, wenn weniger Transporte rollen? Oder gibt es weiterhin starken gesellschaftlichen Druck in Richtung Stillegung aller Atomanlagen?

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Das Atommüll-Problem bleibt hier entscheidend - auch über die Transporte hinaus. Aktuelle Maßnahmen der Betreiber, um das "Verstopfen" der Anlagen zu verhindern, stoßen auf Widerstand. Ob der Einbau zusätzlicher Lagergestelle im Abklingbecken, ob die bereits genannte Transportbereitstellungslagerung ohne Aussicht auf Transport, ob der in fast allen AKWs beantragte Neubau von Castor-Hallen, all dies wird von der Bundesregierung unterstützt und von der Bewegung bekämpft. Denn jedes "irgendwas muss mit dem Müll doch geschehen" bleibt unglaubwürdig, solange weiter strahlende Abfälle hergestellt werden.

Kontakt: "X-tausendmal quer - überall", Herrlichkeit 1, 27283 Verden, Infotel.: 0441/592762, Fax: 04231/957565, e-mail:
X1000malquer@oekozentrum.org, Internet: http://www.X1000malquer.de; Aktionskonto: X-tausendmal quer - überall", Konto 24 42 28 03, Volksbank Clenze, BLZ 258 619 90


Jochen Stay ist atomkritischer Publizist aus dem Wendland und ein Sprecher der Kampagne "X-tausendmal quer - überall".

E-Mail:  j.stay@jpberlin.de
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