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Oktober 2000


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  Hintergrund

Nach dem Balkan-Krieg kam der neue Aufschwung der Rechtsextremisten und Kriegsbefürworter

Die Bundeswehr und ihre rechten Medien

Ulrich Sander

Der "Einmarsch" des deutschen Kontingents in den Kosovo am 13. Juni 1999 markiere einen Umbruch der Bundeswehr, der nur mit "den Jahren des Neuaufbaus" der deutschen Wehr vergleichbar sei. Das erfährt der Leser, der sich der Mühe unterzieht, die für die rund eine Million Soldaten wie Reservisten bestimmten Medien der Bundeswehr zu studieren. Dabei fällt auf: Während der Neuaufbau der Bundeswehr Mitte der fünfziger Jahre von heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen begleitet war, gestaltet sich der heutige "Umbruch" und "Aufbau" ohne viel Aufregung.


Dabei bieten die Medien der Bundeswehr viele Fakten, die am Frieden interessierte Bürgerinnen und Bürger beunruhigen müssten. Wer von ihnen die Bundeswehrmedien liest - viel zu wenige tun es -, kann auf eine Machart stoßen, die besagt: Wenn die Öffentlichkeit sich gerade mit einem offensiven Schritt des deutschen Militärwesens bekannt gemacht hat, wird bereits der nächste vorbereitet - ungeachtet völkerrechtlicher und verfassungsmäßiger Bestimmungen, die ohnehin bei der Truppe fast nur noch in Gestalt ihrer Missachtung wahrgenommen werden.

Der höchste deutsche General sagte: Es zeigten "die Balkan-Operationen ein Grundmuster der Aufgaben, denen sich die Bundeswehr künftig stellen müsse" (Generalinspekteur Hans Peter von Kirchbach in der FAZ, 30. 11. 99). Da ist nichts mehr von "Notfall" und "Ausnahme", die auch einmal ein Operieren an Grundgesetz und UNO-Charta vorbei erlaubt, zu hören und zu lesen.

Da gibt es nur den antiserbischen Feldzug. "Wenn ich einen von denen erwische, dann ..." So schimpfte ein Bundeswehrsoldat beim Löscheinsatz auf die albanischen Brandstifter, knallte seinen Gefechtshelm in eine Ecke und lehnte sich völlig erschöpft an eine Hauswand. Diese Szene vom Terror gegen serbische Minderheiten im Kosovo fand sich nie in den deutschen Medien wieder, obwohl zahlreiche Medienvertreter im Juni ´99 dabei waren. Geschildert wird sie in einem Beitrag "Bundeswehr und Medien im Kosovo" in der Zeitschrift "Information für die Truppe" mit dem Zusatz: "Dies hätte für eine negative Schlagzeile ´wunderbar` ausgeschlachtet werden können. Es unterblieb, denn alle waren gemeinsam dem humanitären Einsatz verpflichtet. ´Tartarenmeldungen` waren nicht gefragt." (IfdT 7-8/99).

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Pressesoldaten gegen die Serben

"Alle", das waren Soldaten und die deutschen Kriegsberichterstatter, denen - so wird bedauert - bisweilen Tischredakteure in heimatlichen Redaktionen ins Handwerk pfuschten. Ansonsten zog das "Presse-Element", so heißt die Propagandaeinheit der Offiziere und Reporter, an einem Strang: Humanität für die guten Albaner, strenge Maßnahmen gegen die bösen Serben. Berichtet wird von einem serbischen Sender im Kosovo, der - wie könnte es anders sein - "Desinformationen" betrieb. Er wurde aufgespürt, die Ausstattung wurde "beschlagnahmt". Medien-Soldaten berichteten in die Heimat vollkommen Hardthöhen-gerecht, wird stolz vermerkt. NATO-Pressefreiheit in Aktion. Serbische Medien haben keine Existenzberechtigung.

In einem IfdT-Interview vom September 1999 mit Hauptmann O. aus der Tornado-Crew, die half, Tausende Jugoslawen mit Raketen und Bomben umzubringen, lässt man diesen wider alle Wahrheit sagen - und es wird groß hervorgehoben: "Die Verletzung von Menschenrechten musste beendet werden, es war eine völkerrechtliche Entscheidung". Genau das war es nicht.

Im "Reader Sicherheitspolitik" Nr. IV/3 wird die Missachtung des Völkerrechts und der UNO-Charta zur Regel erklärt: "Regionale Mandatierungen" zum Kriegseinsatz werden zum "Mandatierungsrecht" ohne UNO-Zustimmung im Falle, da die UNO durch ein Veto blockiert wird oder wenn sie "eine Intervention ausdrücklich untersagt". Wobei es schön wäre, wenn es sich um eine "institutionalisierte, multilaterale Ermächtigungsstruktur handelt" - ja, so ein verschleierndes Kauderwelsch ist beliebt bei der Truppe -, "die dem Geist und Inhalt nach mit den ´Zielen und Grundsätzen` der Vereinten Nationen vereinbar ist". Gefordert wird "die Entwicklung eines regionalen Mandatierungsmechanismus in Europa" mittels der gesamteuropäischen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP). "Deutschland sollte dabei eine aktive Rolle spielen". (Reader Sicherheitspolitik IV.3, 8/99)

Krieg gegen das Völkerrecht

Es kann aber auch ganz auf jegliche Rechtsnorm verzichtet werden: Kosovo habe den "neuen Typus des ´postnationalen` Krieges eingeleitet", in dem "die Grenzen zwischen Krieg und Frieden, Angriff und Verteidigung, Recht und Unrecht etc. verschwinden." Das schreibt ein Abteilungsleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in "Information für die Truppe" im Oktober 1999. Das zuletzt erschienene Heft der IfdT vorm Jahrtausendwechsel bietet dem Soldaten ein düsteres Bild voller Unwägbarkeiten im neuen Jahrhundert, wobei eins gewiss ist: Er wird zu weiteren Kriegen gerufen werden, denn der Westen wird "weiterhin Diktaturen, die die Menschenrechte missachten" bekämpfen.

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Der Primat des Militärs vor dem Willen ziviler Politiker kommt in den Bundeswehrmedien wieder und wieder zum Ausdruck: "Zukünftig muss jeder Offizier in viel höherem Maße als bisher politisch urteilen können. Er muss entscheiden, wann er militärische Mittel einsetzt und wann es geeigneter erscheint, durch Verständigung und Kooperation zum Ziel zu gelangen." (Reader Sicherheitspolitik II/B in IfdT 10/99)

In den Bundeswehrmedien wird mit diesen Worten der Krieg oder die Drohung mit Krieg als vordringlich beschrieben: "Die Bundeswehr macht die Bundesrepublik Deutschland erst politik- und bündnisfähig." Und: "Während auf sicherheitspolitischem Gebiet die europäische Integration erst am Anfang steht, ist sie auf militärischem Gebiet schon weiter fortgeschritten." (Reader Sicherheitspolitik VII.4 11-12/99)

Verbrechen der Wehrmacht werden geleugnet

Der dritte Krieg der Deutschen gegen die Serben hat alle schlechten deutschen Militärtraditionen wieder reaktiviert. Mit dem Krieg auf dem Balkan sehen die rechtesten Militärkreise auch den Zeitpunkt gekommen, um die Distanz zwischen Wehrmacht und Bundeswehr, die von Verteidigungsministern seit 1982 per Traditionserlass verordnet wurden, wieder zu beseitigen. Der "Vergangenheitsbewältigung" nach dem Muster der Wehrmachtsausstellung soll ein Ende bereitet werden, fordert in der weit verbreiteten Zeitschrift "Der Deutsche Fallschirmjäger" Nr. 4/99 der Brigadegeneral a.D. Dr. Günter Roth, der bis 1995 Leiter des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes war: Es stelle sich die Frage, "ob eine Einsatzarmee - ohne auf die zeitgemäße Umsetzung der militärischen Erfahrungen der Wehrmacht im Sinne kritisch auswählenden Traditionsverständnisses zurückzugreifen - ihre Kampfaufträge erfüllen kann".

Die Erfahrungen aus der Wehrmacht werden dann auch in "Information für die Truppe" endlich wieder an den richtigen Platz gestellt: Grundsätzlich heißt es, es grenze ans "Pathologische", die Wehrmacht wegen "moralischer Verkommenheit" und ihres "Verbrechertums" als weltweit einmalig anzuklagen, wie es besonders mit der Wehrmachtsausstellung des Herrn Reemtsma geschehe. Zu einem "ganzheitlichen Bild von der Wehrmacht" zu kommen, fordert Oberst Friedhelm Klein, Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes. "Die öffentliche Diskussion über die Wehrmacht hat vielfach die Perspektive in wissenschaftlich unakzeptabler Weise auf die Frage der Kriegsverbrechen verengt", so Oberst Klein (laut IfdT 6/99).

Es sei notwendig, die "herrschenden Denkmuster" zu verlassen, wird in "Information für die Truppe" vom September/Oktober 1999 verlangt. Und das geht so: Da wird den von der Wehrmacht mit Krieg überzogenen Ländern die Mitschuld am Krieg gegeben: Schuld am Krieg sei "vor allem das Verschweigen der verheerenden Folgen des Versailler Diktats und dessen Mitursächlichkeit für 1933 und 1939, ferner die anhaltende Tabuisierung der seinerzeit höchst aggressiven Interessen- und Machtpolitik vor allem Frankreichs, Polens und der Tschechoslowakei einschließlich der von ihnen begangenen oder unterstützten massiven Verletzungen völker- und menschenrechtlicher Normen gegenüber Deutschland, zumal des Selbstbestimmungsrechts".

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Revanche für die Niederlage von 1918 stellt für die Bundeswehr also eine zulässige Begründung für 1933 und für den Überfall auf Polen 1939 da! Auch die Besetzung Frankreichs und der Tschechoslowakei sind nur die Antworten auf die "Menschenrechtsverletzungen" gegenüber Deutschen! Eine derartige profaschistische Geschichtsrevision ist selten zu finden außerhalb der Neonazipublikationen. Die "Bundeswehr im Einsatz" unter Minister Rudolf Scharping macht es möglich.

Auschwitz als Antwort an Stalin

Die Verbrechen des deutschen Faschismus hat es von 1933 bis 1941 eigentlich nicht gegeben, folgt man der "Information für die Truppe". Die Wehrmachtssoldaten hätten sich gegen die Folgen von Versailles und gegen den bolschewistischen ´Täter` der bis dahin größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte" gestellt. Denn "nicht Auschwitz, sondern vor allem diese Tatsachen waren 1939/1941 der Erfahrungshintergrund der Wehrmachtsgeneration". Der Überfall auf die Sowjetunion hat also zumindest zu Beginn seine Berechtigung gehabt! Die Begründung des Krieges gegen den angeblichen neuen Hitler in Belgrad aus dem Jahre 1999 wird nun dreist angewandt auf das Jahr 1941, da es gegen den Täter Stalin ging.

Auschwitz als Antwort auf das jüdisch-bolschewistische System, das kommt einem doch irgendwie bekannt vor? Prof. Nolte lässt grüßen. Und dann kommt noch die ganze Litanei von den Soldaten der Wehrmacht, die nicht nur viel geleistet, sondern auch gelitten haben. All dies in einer Besprechung einer offiziellen Bundeswehrzeitschrift (IfdT 9/10-99) über ein Buch einer Bundeswehreinrichtung, des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes nämlich. "Die Wehrmacht. Mythos und Realität" heißt es. Sein Mitherausgeber Rolf-Dieter Müller wird zitiert: Man müsse wegkommen von der "Betroffenheitspflege und Opferperspektive". Der Herrenmensch meldet sich zurück. So wird für die "Bundeswehr im Umbruch" ein "ganzheitliches Bild von der Wehrmacht" beansprucht. Auf dass die "Einsatzarmee" von heute ihre "Kampfaufträge" erfüllt.

Heeresrichtlinien: Kriege gewinnen mit Hilfe der Medien

In den Mitte der 90er Jahre neugeschaffenen operativen "Heeresleitlinien", in denen von "siegreichen Offensiven"und "aggressiven Operationen" und vom Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln die Rede ist, wird ausdrücklich der Antisemit und Völkermörder v. Manstein als Vorbild genannt. In diesen "Vorläufigen Leitlinien für die operative Führung von Kräften des Heeres" vom 8. 2. 1994, quasi die Verteidigungspolitische Richtlinie für die größte Teilstreitkraft, heißt es zum Kriegführen und Kriegauslösen und zur besonderen Rolle, die den Medien dabei zugedacht wird:

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"Die Bereitschaft und die Notwendigkeit, einer Krise mit wirksamen Mitteln entgegenzutreten, sind in der Regel abhängig von dem Maß der Betroffenheit der eigenen politischen Interessen. Der Grad der öffentlichen Wahrnehmung und des in der Bevölkerung dazu vorhandenen Bewusstseins bestimmen dabei wesentlich die Entscheidung zu Maßnahmen zur Konfliktverhütung, Krisenbewältigung und Krisenreaktion sowie deren gesellschaftliche politische Akzeptanz. Daher können selbst lang andauernde Krisen, die zunächst keine direkten Auswirkungen auf die eigene Interessenlage hatten, bei veränderter Perzeption in Politik und Öffentlichkeit dennoch im weiteren Verlauf zu einer Neubeurteilung mit entsprechenden Reaktionen führen." (Seite 55)

Rechte Gewaltbereitschaft in der Truppe wird belohnt

Nie vollständig aufgearbeitet wurden die "rechtsextremistischen Vorkommnisse" von 1997/98. Wer entsetzt ist über die Gewaltbereitschaft rechter junger Leute in Uniform, sollte sich erst einmal die Gewaltbereitschaft der neuen Bundeswehr mit ihrer aggressiven Militärkonzeption ansehen. Viele von uns haben noch das Bild aus dem Fernsehen im Auge: Zwei möglicherweise Betrunkene im gelben Lada fahren auf deutsche Kosovo-Besatzer zu, fliehen dann per Rückwärtsgang und schießen in die Luft. Sodann werden sie im deutschen Kugelhagel ermordet. Der Leutnant David Ferk, der den Schießbefehl erteilte, auf dass die beiden mutmaßlichen Serben mit 220 Schüssen durchsiebt wurden, erhielt danach für "beispielhafte Erfüllung der Soldatenpflicht" die höchste Auszeichnung von Rudolf Scharping und Heeresinspekteur Helmut Willmann, das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold. Ferk sagte: "Ich habe nicht getötet, weil ich es wollte, sondern weil ich es musste - und glatt getroffen. Wenn schon denn schon." Ferks Schützen sind wieder in Deutschland, langweilen sich und hoffen - laut "Spiegel" - auf einen "mindestens ebenso spannenden Einsatz". Laut "Spiegel"-Almanach 2000 haben diese Soldaten, "die dort Dienst taten, zu ihrem Beruf ein pragmatisches Verhältnis gefunden und sie beeindrucken durch souveräne Lässigkeit im Umgang mit der Geschichte: ´Ob mein Großvater auf dem Balkan Gräueltaten verübt hat, ist mir Banane`, sagt Fallschirmjäger Patrick Braun, 26, aus Wiesbaden, ´ich bin hier die Friedensmacht.`" (nach "Freitag" 25. 2. 00)

Warum wehren sich die Deutschen nicht gegen diese Militarisierung? IfdT meldet Bombenergebnisse der Zustimmung der Bevölkerung zum "Bund", die in Meinungsumfragen zum Ausdruck kommen. Dem stehen allerdings auch Höchstzahlen an Kriegsdienstverweigerern entgegen. Die Militärs sind besorgt, dass sich die Stimmung umschlagen könnte, wenn die Deutschen erst einmal bemerken, wie sehr sie durch den "Neuaufbau" der Bundeswehr geschröpft werden. Noch können sich die Militärs auf die Medien verlassen, auf die eigenen wie auf die allgemein zugänglichen, die nach dem Krieg von 1999 das Thema Militarismus wieder ad acta gelegt haben bzw. Hardthöhen-fromm berichten.

Anschrift: 44388 Dortmund, Heinrich Sondermann Platz 14, Postfach 321, Tel. u.Fax (0231) 69 80 60. E-Mails bitte an:
vvn0109@AOL.com oder: ullisander@gmx.de


Ulrich Sander ist Bundessprecher der VVN-BdA.

E-Mail:  ullisander@gmx.de
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