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vom:
01.12.2000


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Longo mai - ein starkes Kooperativen-Experiment von unten

Andreas Buro

Longo mai klingt wie ein Dorfname aus Vietnam. Das täuscht jedoch. Wie viele andere kennt mein automatischer Korrektor im PC den Namen nicht und schlägt mir vor, statt Longo doch lieber Kongo zu schreiben. Doch das ist wohl noch Zukunftsmusik, obwohl es immerhin bereits in Costa Rica eine Finca Sonador gibt, die sich zu den Kooperativen der Familie Longo mai zählt. Dies heißt auf gut provenzalisch: "Es möge lange bestehen."


Longo mai, die europäische Kooperative, besteht tatsächlich schon seit 27 Jahren. 1973 wurde sie aus dem damaligen Geist des Aufbruchs und der großen Utopien von meist jungen Menschen aus der Schweiz und Frankreich ins Leben gerufen. Sie ist bis heute politisch und internationalistisch. Gerade waren sieben Longo mai-Genossinnen und Genossen bei mir drei Tage im Taunus zu Besuch, um über einen Bericht zu dem Pogrom in der spanischen Stadt El Ejido und die weitere Arbeit zu beraten. Das Europäische Bürgerforum, eine Art politische Dachorganisation der Longo mai-Kooperativen hatte eine europäische Delegation nach den Pogromen gegen marokkanische Arbeiter in Andalusien im April dieses Jahres entsandt, die nun umfangreich und mehrsprachig berichtet (Anatomie eines Pogroms z.B. El Ejido, Hg. Europäisches Bürgerforum, St. Johanns-Vorstadt 13, CH-Basel 4004 Basel, Tel. 061-26 201 11).

In einer Selbstdarstellung schrieben die Longo mai`er: "Wir erleben die Globalisierung mit all ihren Widersprüchen, aber das bedeutet nicht unbedingt das vielbeschworene,Ende der Geschichte`. Denn seit ein paar Jahren brodelt es überall in der Gesellschaft. Der Produktivismus der Nachkriegszeit ist an seine Grenzen gestoßen und hinterlässt bei unseren Zeitgenossen ein unbefriedigendes Gefühl der Leere.,Wie sein Leben verdienen, ohne es zu verlieren?` ist heute die Frage." Der Mikrokosmos von Longo mai hat seit seinem Bestehen gezeigt, dass man in einem Archipel (so heißt übrigens ihre Zeitung) von Freiräumen leben und aufmüpfig sein kann, ohne sich mit Haut und Haaren den Gesetzen des Marktes zu verschreiben.

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Seit bei Limans in der Haute Provence im Süden Frankreichs junge Leute aus mehreren Ländern drei verlassene und abgewirtschaftete Bauernhöfe übernommen habn und darin Landwirtschaft und Viehzucht aufnahmen, sind bis heute viele neue Kooperativen im Rahmen von Longo mai entstanden, und zwar in Frankreich, der Schweiz, Deutschland, Kärnten und in der Ukraine. Alle sind unterschiedlich in ihren Tätigkeiten. Im Luberon wird biologisch Wein angebaut. In Chantemerle wird Wolle gesponnen und gewebt. In der Crau St. Martin wird Biogemüse angebaut und bis Marseille verkauft. (Dort habe ich übrigens in diesem Frühjahr die Olivenbäume beschnitten!) Im französischen Zentralmassiv betreiben sie in Treynas Schafzucht. Die dortige Schafherde ist ein wesentliches Element der Verbindung zwischen den französischen Kooperativen, wenn sie grasend von einer zur anderen wandert. Im Schweizer Jura weiden die Kühe neben der hofeigenen Wasserturbine. Stubbendorf in Mecklenburg befindet sich noch im Aufbau. Die Landwirtschaft ist dort hart, dafür blüht die "Kultur im Kuhstall", wenigstens vorübergehend. In der transkarpatischen Ukraine wird eine Sprachschule zusammen mit einer Käserei betrieben. Dann gibt es vielfältige Beziehungen zu afrikanischen und lateinamerikanischen Gruppen und ihren Projekten.

Fast überall paart sich die handfeste Arbeit mit politischen Bemühungen. Selbstverständlich schließt man sich den Kleinbauer-Gewerkschaften an, fördert man die Arbeit des unabhängigen Mediennetzwerkes AIM im ehemaligen Jugoslawien. Im Rahmen der Aktion "Gemeinden Gemeinsam" schlossen an die 120 Schweizer Gemeinden Partnerschaft mit Orten im ehemaligen Jugoslawien. Vieles mehr wäre zu berichten. Jetzt hätte ich beinahe das Radio Zinzine vergessen, eine Radiostation von Longo mai. Sie liegt, wenn man hinter Fourcalquier in die Berge fährt. Die Strassen hören fast auf und werden mehr und mehr zu Trampelpfaden der Schafherden in den buschigen Eichenwäldern. Da oben liegt Zinzine, das lokale Probleme ebenso behandelt wie die Angelegenheiten der großen Welt. Leute der,Le Monde diplomatique` geben regelmäßige Beiträge. Das letzte Mal war ich am 24. März dieses Jahres, dem Tag an dem sich der NATO-Angriff auf Jugoslawien jährte, auf der Station. In dem kleinen Sendehaus kamen KommentatorInnen aus fast aller Welt zu Wort, und zwar 24 Stunden, also rund um die Uhr. Während Hannes für mich übersetzte, konnte ich ausführlich über die Sicht der deutschen Friedensbewegung auf diesen Krieg berichten.

Die Kooperativen sind gastfreundlich und meist vielsprachig. Selbstverständlich kann jeder Gast sich an der reichlich vorhandenen Arbeit, wie auch an den Diskussionen zwischen Schafzucht und Weltveränderung beteiligen, während er seine Salatblätter in die Sauce aus Essig und gutem selbst erzeugten Olivenöl taucht.

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Kontakt und nähere Informationen über die oben angegebene Adresse in Basel


Andreas Buro ist friedenspolitischer Sprecher des Komites für Grundrechte und Demokratie

E-Mail:  andreas.buro@gmx.de
Internet: http://www.grundrechtekomitee.de
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