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FF2/2001


vom:
April 2001


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  Initiativen

Eine Bilanz nach drei Jahren Vertragsunterzeichnung der Ottawa-Konvention über das Verbot von Antipersonenminen

Deutsche Landminenpolitik im Zwielicht

Markus Haake

Am 12. April 2000 händigte die Bundesregierung den Abrüstungsbericht 1999 an das Parlament aus. In diesem Bericht hebt die Bundesregierung die klaren Schritte hervor, die Deutschland in Richtung des Verbots von Antipersonenminen gegangen ist, und unterstreicht die Selbstverpflichtung Deutschlands zu den abrüstungspolitischen wie auch humanitären Zielen der internationalen Ottawa-Konvention über das Verbot von Antipersonenminen.


Zweifellos hat Deutschland eine entscheidende Rolle gespielt, um die Ottawa-Konvention durchzusetzen - vor allem durch seinen frühen Verzicht auf Antipersonenminen und das unilaterale Exportverbot über Antipersonenminen in 1996. Doch hält sich Deutschland an die Verpflichtungen des Verbotes von Antipersonenminen nur hinsichtlich der klassischen "dummen" Tretmine. Zugleich schließt die Bundesregierung alle anderen Landminen vom Verbot aus, auch solche, die wie Antipersonenminen wirken können und die von anderen Ländern (Italien und Kanada) bereits vernichtet werden. In den entwickelten Industrieländern wurden die Landminen älteren Typs bereits durch moderne, effektivere Landminensysteme ersetzt, die zum großen Teil die Funktion von Antipersonenminen integriert haben. In dieser Hinsicht ist es zweifelhaft, ob die deutsche Regierung die Verpflichtungen der Ottawa-Konvention über das Verbot von Antipersonenminen wie auch des verbesserten Protokolls II der Konvention über konventionelle Waffen (Convention on Conventional Weapons - CCW) einhält.

Bezüglich der humanitären Verpflichtung der Ottawa-Konvention über das Verbot von Antipersonenminen stellt Deutschland seit acht Jahren Mittel für humanitäre Minenaktion zur Verfügung. Die bilaterale finanzielle Hilfe, die Deutschland zwischen 1993 und 1999 für humanitäre Minenaktionen bereitgestellt hat, beträgt ca. DM 108 Millionen. Im gleichen Zeitraum sind DM 1,24 Milliarden für Beschaffung, Forschung und Entwicklung von neuen Landminensystemen verausgabt worden. Gemessen an dem von der Regierung gesteckten Ziel, Minenaktionsprogamme in weiterführende Entwicklungsmaßnahmen einzubetten, ist die Situation weit entfernt davon, vorbildlich zu sein. Erstens setzt das Auswärtige Amt die Politik fort, den rein technischen gegenüber dem entwicklungspolitischen Ansatz zu bevorzugen. Zweitens finanziert das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Minenaktionsprogramme nur in Ländern, in denen das BMZ übergreifende Entwicklungsprogramme unterstützt.

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Drittens fehlt es zwischen dem Auswärtigen Amt und dem BMZ an Koordination und Kooperation, was zu ernsthaften Problemen für humanitäre Organisationen führt, die versuchen, den entwicklungspolitischen Ansatz von humanitären Minenaktionsprogrammen in die Realität umzusetzen.

Hinsichtlich Antipanzerminen, die nicht unter das Verbot von Antipersonenminen fallen, argumentiert die deutsche Regierung, dass Antipanzerminen die Bundeswehr in die Lage versetzt, bei sinkenden Truppenstärken die Verteidigungsfähigkeit aufrecht zu erhalten. Den humanitären Bedenken gegen Antipanzerminen, die auch zivile Fahrzeuge bedrohen, entgegnet die Regierung, die Bedrohung der Zivilbevölkerung sei durch Wirkzeitbegrenzung und Selbstzerstörungsmechanismus reduziert. Aus Sicht des Deutschen lnitiativkreises bleibt jedoch die Bedrohung von Zivilisten bestehen, weil Selbstneutralisierungsmechanismen nicht hundert Prozent zuverlässig sind. Antipanzerminen werden zumeist in Dritte-Welt-Ländern verlegt. Sie dienen der Verweigerung von Terrain, blockieren lebenswichtige Handelsstraßen und behindern die Versorgung von notleidenden Menschen mit humanitären Hilfsgütern. Die britische Minenräumorganisation HALO-Trust berichtet, dass seit ca. 1985 eine einzelne Antipanzermine in Mosambik zwei Städte über zehn Jahre vom Rest der Welt abgeschnitten hatte, weil kein Geld für die Räumung vorhanden war.

Millionen von Menschen leben immer noch unter mörderischen Bedingungen - umgeben von Minen, die schon den Weg zur Schule oder zur Arbeit auf dem Feld zu einem lebensgefährlichen Risiko werden lassen. Die Regierung sollte die nächsten Schritte gehen, um das im Koalitionsvertrag festgehaltene Ziel zu erreichen: Die neue Bundesregierung mache "ihren Einfluss geltend, um den internationalen Regimes zur Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen Geltung zu verschaffen (und) besonders grausame Waffen wie Landminen weltweit zu verbieten".

Empfehlungen

Der Deutsche lnitiativkreis fordert das Verbot aller Landminen.

Bis die Situation bezüglich Antipanzerminen mit Aufhebeschutz und/oder besonders sensitiven Zündern geklärt ist, soll die Bundesregierung als ersten Schritt ein unilaterales Exportmoratorium für diese Waffen aussprechen, wie das 1994 im Falle der Antipersonenminen bereits getan wurde.

Zweitens fordert der Deutsche lnitiativkreis für das Verbot von Landminen die Bundesregierung auf, sich dem Beispiel Italiens anzuschließen und Antipanzerminen zu vernichten, die durch die Gegenwart, Nähe oder Berührung einer Person ausgelöst werden können.

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Drittens soll Deutschland eine effektorientierte Minendefinition in seiner nationalen Gesetzgebung installieren sowie eine effektorientierte Definition in den kommenden Überprüfungskonferenzen der Ottawa-Konvention und des verbesserten Protokolls II der CCW einfordern.

In Bezug auf die humanitären Verpflichtungen der Ottawa-Konvention über das Verbot von Antipersonenminen ist viertens eine signifikante Erhöhung der Mittel für humanitäre Minenaktionsprogramme erforderlich. Eine solche Erhöhung soll auch langfristige Maßnahmen sicherstellen, wie sie im Bad Honnefer Konzept als umfassender und integrierter Ansatz beschrieben sind.


Markus Haake ist Mitarbeiter des Deutschen Initiativkreises für das Verbot von Landminen.
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