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FF3/2001
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vom:
Juni 2001


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auf den Brief von Werner Rätz, der sich kritisch zu meinem Text "Kosovo, Mazedonien ... und wie weiter?" äußert.

Antwort

Andreas Buro

Lieber Werner Rätz,

wir sind alte Bekannte, die schon viele gemeinsame politische Aktionen betrieben und manche Diskussionen darüber miteinander geführt haben. Nun wirfst Du mir vor, mein Bezug auf die "Kategorie,Volk` zeige ein Dilemma an, aus dem die Friedensbewegung so niemals herausfinden wird." Zum Schluss schreibst Du dann: Der "positive Bezug auf die Kategorien,Volk` und,Nationalstaat` und,nationale Selbstbestimmung` machte sie (die Friedensbewegung A.B.) ideologisch gegen ihren Willen zum Teil der Kriegsstrategie der (nicht nur albanischen) Nationalisten`. Du forderst dann die Friedensbewegung auf, sich von allen "nationalen Bezügen" zu lösen.

Insgesamt ist dies starker Tobak, der weder durch meinen Text noch, wie ich glaube, durch die Haltung,der Friedensbewegung` in den letzten 10 scheußlichen Jahren der Balkan-Kriege zu belegen ist. Du selbst räumst ein, dass die Nationalstaatbildung zur Unterdrückung von anderen Völkern, die auf dem Gebiet des sich gründenden Staates leben, oft Unterdrückung und soziale Abwertung erfahren. Dies festzustellen, wie ich das im Falle Serbiens und der Albaner (andeutungsweise auch der Kurden) tat, bedeutet historische Verhältnisse zur Kenntnis zu nehmen, aber doch keineswegs sich positiv damit zu identifizieren. Ein erheblicher Anteil der gegenwärtigen Konflikte und Kriege im Weltmaßstab hängt mit diesem Phänomen zusammen. Aus dem Kosovo-Serbien-Konflikt haben wir erneut lernen können, welch bitterer Hass und Rassismus sich aus solchen Grundkonstellationen entwickeln kann. Die,nationale Frage` ist also vielerorts noch geschichtsmächtig. Sie zu ignorieren, führte zu politischer Blindheit.

Du argumentierst ferner mit dem ehemaligen Jugoslawien. Dieses war eine Föderation von Einheiten, die tendenziell nationalstaatlichen Charakter hatten. Das Projekt Jugoslawiens war, neben der sozialistischen Zielsetzung die national-ethnische Borniertheit zu überwinden. Dies ist jedoch bedauerlicherweise gescheitert, wobei dem Westen ein gerütteltes Maß an Schuld anzulasten ist. Dabei spielte jedoch auch der Separatismus der reichen Teilstaaten, worauf Du hinweist, eine erhebliche Rolle. Gewichtiger war jedoch das Interesse der alten Nomenklatura, nach dem Scheitern des sozialistischen Projekts ihre Privilegien zu sichern und sich möglichst viel gesellschaftliches Gemeineigentum privat anzueignen. Sie haben deshalb zur eigenen Machtsicherung den Nationalismus in den Teilstaaten hochgeputscht, worauf Du leider nicht hinweist.

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FF3/2001
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Mich verwundert Deine Kritik des kosovo-albanischen Widerstandes gegen die Unterdrückung durch Belgrad. Für den Balkan höchst ungewöhnlich hatte Rugova eine Art gewaltfreier, sozialer Verteidigung organisiert, um sein Ziel der nationalen Selbstbestimmung zu erreichen. Dabei hat ihn der Westen nicht unterstützt, da er seit Dayton auf Milosevic` Belgrad als Stabilisator und Friedensgarant gesetzt hatte. Den bewaffneten Kampf hat nicht Rugovas Partei sondern die vom Westen unterstützte UCK angefangen!

Deine Einschätzung, die Friedensbewegung sei auf die Kategorien,Albanertum` und,nationale Unterdrückung` hereingefallen, kann ich nicht bestätigen. Ein erheblicher Teil der deutschen Friedensbewegung hat sich weder hierauf noch auf die westlichen Legitimationsideologien eingelassen. Vielmehr haben viele - fälschlicherweise, wie sie später feststellen mussten - geglaubt, dass es kurzfristig keinen Weg zum Schutz der Menschen im Kosovo geben könne und haben deshalb aus humanitären Gründen den Krieg der NATO gegen Jugoslawien, der auch die Vertreibung der Kosovo-Albaner auslöste, hingenommen.

Dass ich vor, während und nach dem Krieg die Gewaltträchtigkeit der NATO-Politik kritisiert und alternative Wege zur Konfliktbearbeitung aufgewiesen habe, ist Dir bekannt. Dies hat für mich allerdings nie zur Folge gehabt, auch die Gewaltträchtigkeit der anderen politischen Akteure zu übersehen.

Sollte es das Ziel Deiner Kritik gewesen sein, die Komplexität von heutigen Konfliktsituationen in den Vordergrund zu rücken, in denen die nationale Frage in Zeiten der Supranationalisierung der Nationalstaaten noch in der einen oder anderen Form eine Rolle spielt und sich mit der sozialen und der Menschenrechtsfrage vermengt, so wäre das sicher ein wichtiger Hinweis. Denn schließlich werden wir mit dieser Art von Konflikten noch eine ganze Weile konfrontiert sein, und müssen sie jenseits von Lagermentalitäten gut verstehen, um ihnen friedenspolitisch begegnen zu können. Dass dabei der Kampf um nationale Identität und gegen Unterdrückung durch Titularnationen (das heißt bestimmt nicht,Volkstum` wie Du übersetzt) noch eine geraume Zeit eine wichtige Rolle spielen wird, halte ich für sehr sicher.



E-Mail:   andreas.buro@gmx.de
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