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FF3/2001
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vom:
Juni 2001


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Die UN-Kleinwaffenkonferenz in New York - Meilenstein oder Strohfeuer

Wolf-Christian Paes

Die UN Konferenz on the Illicit Trade in Small Arms and Light Weapons in All Its Aspects, die im Juli diesen Jahres in New York stattfinden wird, ist eine bemerkenswerte Veranstaltung. Die erste große Abrüstungskonferenz des neuen Jahrtausends beschäftigt sich mit einem Problem der Rüstungskontrolle, dass in der Vergangenheit nur wenig internationale Aufmerksamkeit gefunden hat: der illegalen Verbreitung von kleinen und leichten Waffen ("small arms and light weapons").


Kleinwaffen, d.h. Waffen, die von einem oder von zwei Soldaten eingesetzt werden können, wurden lange Zeit von der Abrüstungsdiskussion übersehen - verglichen mit atomaren, biologischen oder chemischen Massenvernichtungswaffen erschienen Sie als eine vernachlässigbare Größe. Dabei besteht kein Zweifel daran, dass die Mehrzahl der Opfer in den bewaffneten Konflikten der jüngeren Vergangenheit durch Kleinwaffen - Sturmgewehre, Pistolen, Handgranaten - zuschaden kamen. Gegenüber schweren Waffen haben Kleinwaffen eine Reihe von Vorteilen - sie sind leicht zu bedienen, erfordern keine besondere Wartung und können einfach transportiert werden. Und sie sind unschlagbar günstig - ein Sturmgewehr des russischen Typs AK-47 "Kalashnikow" kostet in vielen Spannungsgebieten nur wenige Dollar.

Das Ende des Kalten Krieges hat, auf den ersten Blick paradoxerweise, den Kleinwaffenmarkt beflügelt - Waffen aus den Staates des ehemaligen Warschauer Paktes sind einfach und günstig zu haben, die Globalisierung der Finanz- und Warenmärkte hat dazu geführt, dass auch Waffen leichter von Kontinent zu Kontinent verschoben werden können. Ein dichtes Netz von Waffenhändlern und Transporteuren verknüpft die Krisenregionen des Planeten mit den Lieferanten, gezahlt wird häufig mit Diamanten, Edelhölzern oder Drogen - Ressourcen, die auch unter Kriegsbedingungen ausgebeutet werden können.

Die Anzahl der Kleinwaffen auf der Erde wird von Experten auf etwa 500 Millionen geschätzt, davon sind rund 125 Millionen automatische Gewehre. Die beliebtesten Modelle kommen dabei aus russischer bzw. chinesischer (AK-47), amerikanischer (M-16), deutscher (G-3), belgischer (FAL) und israelischer (UZI, Galil) Produktion. Weiter verkompliziert wird die Situation dadurch, dass diese Waffen nicht nur in ihren Herkunftsländern, sondern auch in Lizenz durch Drittländer hergestellt werden.

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Die UN Konferenz stellt einen diplomatischen Meilenstein bei der Diskussion des Kleinwaffenproblems dar - zum ersten Mal beschäftigen sich Politiker und Diplomaten auf höchster Ebene mit einem globalen Problem von größter Dringlichkeit. Trotzdem ist vor übermäßigen Optimismus im Vorfeld der Konferenz zu warnen - zu groß sind die Differenzen innerhalb der Staatenfamilie zum Umgang mit diesem Problem. Während sich eine Gruppe von Staaten aus Europa und Afrika für eine restriktive Exportpolitik einsetzt, verhalten sich wichtige Produzenten wie Russland, die USA und China eher abwartend bis ablehnend.

Es wäre verfrüht, Analogien zum Erfolg der Landminenkampagnen zu ziehen, die ja auch durch öffentlichen Druck innerhalb kürzester Zeit ein zuvor ignoriertes Rüstungskontrollproblem in das internationale Rampenlicht zerrte und ein, wenn auch noch nicht überall durchgesetztes, Abkommen zur Ächtung von Antipersonenminen erreichte. So bezweifeln auch Kleinwaffengegner nicht, dass Polizei- und Sicherheitskräfte Kleinwaffen benötigen. Organisationen wie die amerikanische National Riffle Association (NRA) betonen das Bürgerrecht auf Waffenbesitz und betreiben eine aktive Lobbyarbeit gegen jegliche Beschränkung. In vielen traditionellen Gesellschaften gehören Waffenbesitz und sozialer Status untrennbar zusammen, das Tragen von Waffen symbolisiert Wehrhaftigkeit und Männlichkeit - in Albanien ebenso wie in Äthiopien. Dazu kommt die praktische Bedeutung privater Waffen für den Selbstschutz für Menschen in Situationen, in denen staatliche Ordnungskräfte nicht existent sind, oder deren nicht-sesshafte Lebensform eine effektive Polizeiarbeit unmöglich macht (Nomaden).

Aber selbst wenn es der UN Konferenz gelänge, allgemein verbindliche Mindeststandards für den Umgang mit Waffenexporten, für die Produktion und Lizenzvergabe, zu beschließen, sowie ein Programm zur Bekämpfung des illegalen Waffenhandels zu verabschieden, so wäre dies trotzdem nur ein Teilerfolg. Einerseits ist die Beschränkung auf den illegalen Waffenhandel problematisch, da nahezu alle Waffen ursprünglich "legal" hergestellt und - etwa im Rahmen von Ausstattungs- und Militärhilfen - exportiert wurden, und andererseits würde selbst ein sofortiger weltweiter Produktionsstopp das Kleinwaffenproblem angesichts des bereits reichlich vorhandenen Kriegsgeräts nicht beenden.

Experten gehen davon aus, dass nicht so sehr die Verhinderung neuer Kleinwaffenexporte das primäre politische Ziel sein sollte, sondern die Einsammlung und Vernichtung der bestehenden Bestände. Dies ist erstaunlicherweise in der Vergangenheit nur unzureichend getan worden, mit der Folge, dass nach dem Ende eines Konfliktes die Waffen häufig ihren Weg auf die Waffenmärkte der Nachbarstaaten gefunden haben. Hier ist auch die Bundesregierung gefragt - es reicht nicht, auf die vergleichsweise restriktive deutsche Rüstungsexportpolitik zu verweisen. Berlin trägt - ebenso wie die anderen NATO-Staaten - zumindest eine moralische Mitverantwortung an der Aufrüstung der Dritten Welt während des Kalten Krieges.

Flankiert werde müssen solche Abrüstungsmaßnahmen vom Aufbau demokratischer Strukturen in den Polizei- und Sicherheitsapparaten der Entwicklungsländer, sowie durch die Schaffung von friedlichen Konfliktlösungsmechanismen. Nur wer sich sicher sein kann, dass der Staat sein Gewaltmonopol auf rechtstaatliche Weise durchsetzt, wird bereit sein, seine Waffen aufzugeben. Wenn die UN Konferenz dazu beiträgt, dass politische Bewusstsein für diese Probleme zu schärfen, ist bereits viel erreicht.

Zum Weiterlesen: Kleine Waffe - Tödliche Wirkung, Wissenschaft & Frieden, Dossier Nr. 35, Bonn 2000. Die Kleinwaffenproblematik in der Entwicklungszusammenarbeit, Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), Eschborn 2001.


Wolf-Christian Paes ist Mitarbeiter im Bereich Kleinwaffen des Bonn International Center for Conversion (BICC).

E-Mail:   wcpaes@hotmail.com
Internet: http://www.bicc.de
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