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vom:
Oktober 2001


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FF5/2001:

  Krisen und Kriege

Mazedonien zum Zweiten

Andreas Buro

Das Waffeneinsammeln in Mazedonien ist erfolgreich abgeschlossen. Die 30-Tagefrist konnte von der NATO eingehalten werden. Die UCK hat sogar ein Übersoll an Waffen abgegeben. Der Kölner Stadtanzeiger brachte dazu eine eindrucksvolle Karikatur: Ein mit drei Gewehren, Patronengurten und Eierhandgranaten bewaffneter UCK-Freischärler kommt zur NATO-Sammelstelle, wirft auf den Waffenhaufen eine Steinschleuder und geht weiter. Das Einsammeln von Waffen hatte, so eine sehr verbreitete Einschätzung nicht nur unter Kriegsgegnern, nur eine symbolische Funktion, denn die UCK hat sicher viele - und nicht die schlechtesten - Waffen entweder über die Grenzen nach Kosovo und Albanien geschafft oder versteckt. Ihre Wiederbewaffnung bei Bedarf ist offensichtlich kein großes Problem.


Was aber war dann der wirkliche Sinn dieser Aktion der NATO? Bundestagsabgeordnete, die ich danach befragte, konnten mir keine Antwort geben.

Ich spekulierte, hat man der UCK dafür die spätere Unabhängigkeit des Kosovo angeboten? Keine Antwort. Hat man ihr versprochen in dem nun folgenden zweiten NATO-Einsatz in Mazedonien unter deutscher Führung den albanischen Siedlungsbereich besonders abzuschirmen, so dass die mazedonische Regierung keinen Zugriff mehr haben würde und die UCK dort de facto zur dominierenden Ordnungskraft werden könnte. Keine Antwort. Es muss doch einen Grund geben, warum die UCK sich wie ein friedliches Lämmchen gebärdet, obwohl jeder weiss, wie terroristisch sie sein kann. Sie hat sich sogar freiwillig als aufgelöst erklärt, bevor noch das Parlament in Skopje die vertraglich vereinbarten Verfassungsänderungen ratifiziert hatte. Ein Wunder an Friedfertigkeit und des Vertrauens in das Parlament des Landes! So haben sich Pazifisten das immer gewünscht.

Am 1. Oktober las ich eine Meldung von ap/dpa: Unter internationalem Druck habe die mazedonische Regierung zugesagt, den von albanischen Separatisten kontrollierten Nordwesten des Landes nicht gewaltsam zurück zu erobern. Ein NATO-Sprecher hatte zuvor Sorge wegen paramilitärischer Truppen der slawisch-mazedonischen Seite geäußert. Die Meldung berichtete weiter, bei Tetovo seien Gewehrsalven zu hören gewesen. Diese scheinen als Warnung an die mazedonische Armee gemeint gewesen zu sein, sich nicht den bisherigen Rebellenhochburgen zu nähern.

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Der Bundestag hat inzwischen die Entsendung deutscher Truppen nach Mazedonien für einen zweiten Einsatz mit großer und auch eigener rot-grüner Mehrheit abgesegnet. Ihre angeblich Aufgabe ist der Schutz von OSZE-Beobachtern, die dort einen hoffentlich voran schreitenden Friedensprozess observieren sollen. Doch auch hier muss man sich fragen, warum schützen nicht Blauhelme der UNO die Beobachter der Unterorganisation der Vereinten Nationen. Das wäre doch viel angemessener, ist doch Mazedonien ein Mitglied der UN?

Skopje hatte mit der zweiten NATO-Mission offensichtlich auch Schwierigkeiten und genehmigte nur eine Einsatzfrist von drei Monaten. Hatte man dort Befürchtungen, die NATO würde die von der UCK kontrollierten Gebiete zu lange abschirmen und so eine Teilung des Landes vorbereiten?

Solches Mißtrauen ist nicht unberechtigt, angesichts der seltsamen NATO-Politik im Kosovo, wo die UCK samt mafiösem Anhang unterhalb der NATO-Protektoratstruppen, zur tolerierten bewaffneten Kraft geworden ist. Auch hat man wohl in Skopje nicht vergessen, dass Briten und US-Amerikaner in Albanien die Ausbildung von UCK-Kämpfern betrieben haben, die dann als Terroristen in Mazedonien tätig wurden. Ausserdem hatte man sich wohl erinnert, dass die UCK relativ mühelos aus dem von der NATO kontrollierten Gebiet (US- und Bundeswehr-Einsatzgebiete) im Kosovo eindringen und ihren Nachschub organisieren konnte. Dabei haben sogar ehemalige US-Offiziere und Ausbilder sie begleitet und mit modernsten Waffen ausgerüstet. Als diese Kräfte bei Aracinovo in die Klemme kamen, hat die NATO sie schnell mit Bussen wieder abfahren lassen, damit die US-Offiziere und die US-Waffen nicht in die Hände der mazedonischen Regierung gerieten. Die Evakuierten eröffneten anschliessend bei dem Dorf Radusa eine neue Front.

Die Abgeordneten und Spezialisten für US-Politk habe ich auch nach diesen sonderbaren Vorgängen befragt. Leider konnte keiner von ihnen, die Fragen beantworten. Eine Antwort bot dann jedoch der Sprecher und Mitbegründer der UCK, Ali Ahmeti an. In einem Interview mit Erich Rathfelder von der taz (1.10.01) sagte er: "Wir haben mit der NATO vereinbart, dass mit der neuen Mission, die aus OSZE-Beobachtern und den neuen NATO-Truppen besteht, für die Sicherheit unserer Soldaten und für alle Zivilisten, gleich welcher Herkunft, gesorgt wird. Wir haben volles Vertrauen in die internationalen Institutionen." Ahmeti bekennt sich in dem Interview noch zu der gemeinsamen Zukunft aller Mazedonier. Der harte Kern seiner Aussage scheint jedoch darin zu liegen, dass die neue NATO Mission des ´Amber Fox,` des ´bernsteinfarbenen Fuchses`, der Sicherung der eigenen Kräfte dient. Normalerweise nennt man das ein Protektorat. Nach einer ap/dpa-Meldung vom 30.9.01 hat Skopje unter internationalem Druck zugesagt, den von albanischen Separatisten kontrollierten Nordwesten des Landes nicht zurück erobern zu wollen. Man wolle Zurückhaltung üben.

Eine Bestätigung für die Protektoratsvermutung kam von ganz unerwarteter Seite. Am 30. Juni hiess es in der Springer Zeitung ´Die Welt`: Die Balkan-Region sei ein unerklärtes Protektorat der EU. Ja, der Balkan sei unser Hinterhof, Ja, wir haben dort Interessen, für die wir einstehen wollen. Ja, militärische Macht gehöre in letzter Konsequenz eben doch zu den Mitteln, diese Interessen und Werte durchzusetzen. Das Blatt lobt die rot-grüne Regierung, die nicht zuletzt durch den Bundeswehreinsatz auf dem Balkan der EU den Weg zum Ausbau ihrer militärischen Fähigkeiten ebene - natürlich "nicht zu unserem Schaden".

Inzwischen hat das mazedonische Parlament erfreulicherweise und unter internationalem Druck - man hatte eine Geber-Konferenz auf unbestimmt verschoben - die geänderte Verfassung verabschiedet. Friedensforscher beklagen, dass der Friedensplan für Mazedonien keine umfassende Demobilisierung der Rebellenverbände und der slawisch-mazedonischen Sonderpolizei vorgesehen hätte, denn schon beschiessen sich die Entwaffneten, bzw. eine neue nationale albanische Kampftruppe, die vielleicht auch die alte ist, wieder mit den Bewaffneten der mazedonischen Regierung. Entscheidend sei, dass sich wirtschaftliche Perspektiven für das gebeutelte Land nun schnell eröffnen, allerdings sei dies nicht durch schnelle Privatisierung zu erreichen von der nur die alte Nomenklatura und vor allem die organisierte Kriminalität profitieren würden (FR 15.11.01) Man darf gespannt sein auf Mazedonien zum Dritten.


Andreas Buro ist friedenspolitischer Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie.

E-Mail:   andreas.buro@gmx.de
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