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FF5/2002


vom:
Dezember 2002


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FF2002-5/6:

  Globalisierung u. Friedensbewegung

Der kurze (Kupfer-)Draht: Neuguinea - Hamburg

Volker Böge

Im Hochland von Neuguinea finden sich die größten Kupferminen der Welt. Ihr Betrieb ist mit katastrophalen ökologischen Zerstörungen, tiefgreifenden Eingriffen in die soziale Lebenswelt der örtlichen Bevölkerung, schweren Menschenrechtsverletzungen und nicht zuletzt todbringenden Gewaltkonflikten verbunden. Unsere Regenrinnen, unsere Kirchendächer, alle von uns genutzten kupferhaltigen Produkte verbinden uns mit Elend und Gewalt in Neuguinea.


Ökokatastrophe für 50.000 Menschen

Im Jahre 1984 nahm die Ok Tedi - Tagebaumine in der westlichsten Provinz Papua-Neuguineas (PNG) ihren Betrieb auf. Seither werden täglich (!) rund 110.000 Tonnen Abraum und 80.000 Tonnen mit Kupfer und anderen Schwermetallen (Kadmium, Blei, Zink, Arsen) kontaminierte Erzrückstände in das Flusssytem des Ok Tedi und Fly River eingeleitet.

Die große Sedimentfracht und die Vergiftung mit Schwermetallen haben dazu geführt, dass der Ok Tedi auf den ersten 70 km unterhalb der Mine biologisch tot ist und dass die Artenvielfalt im Fluss auf den nächsten 130 km drastisch zurückgegangen ist. Wegen der großen Sedimentfracht wurde das Flussbett des Ok Tedi bis zu zehn Metern angehoben. Die fruchtbaren Gärten an den Flussufern, die für die landwirtschaftliche Subsistenzproduktion der lokalen Bevölkerung lebenswichtig sind, wurden ebenso zerstört wie der tropische Regenwald. Auf mindestens 900 Quadratkilometern ist der Wald entlang des Unterlaufs des Ok Tedi und des mittleren Fly Rivers abgestorben. Das Ökosystem im Einzugsbereich der Mine ist auf Jahrzehnte irreparabel geschädigt, das Land über Generationen unfruchtbar gemacht. Betroffen sind rund 50.000 Menschen. Deren traditionale Lebensweise wurde durch die ökologischen Zerstörungen und den soziokulturellen Wandel, der mit der Eröffnung der Mine einsetzte, völlig umgewälzt. Intakte Clanstrukturen wurden durch die Einführung der Geldwirtschaft, durch die Zuwanderung von tausenden von Arbeitskräften aus anderen Landesteilen und dem Ausland, durch Alkohol, Glücksspiel und andere "Segnungen der Zivilisation" zerstört. Dem gegenüber blieben die "Entwicklungsfortschritte" (Schulen, Krankenhäuser, qualifizierte Arbeitsplätze im modernen Sektor) hinter den Erwartungen zurück.

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FF5/2002
Gewinner und Betreiber der Mine setzen sich über Proteste hinweg

Genutzt hat die Mine nicht so sehr der lokalen Bevölkerung als vielmehr dem Minenbetreiber (das war bis vor kurzem der australische Bergbaukonzern BHP) und den Politikern in der fernen Hauptstadt Port Moresby. Für den Staat PNG ist die Ok Tedi-Mine die wichtigste Einnahmequelle, erwirtschaftet sie doch 20 Prozent der Exporterlöse des Landes und trägt 10 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei. Daher hatten die Politiker auch kein Interesse daran, BHP Umweltschutzauflagen zu machen. Denn der Konzern argumentierte damit, dass ein Betrieb der Mine im Einklang mit international üblichen Umweltstandards (z.B. Rückhaltedämme) auf Grund der geographischen und klimatischen Verhältnisse den Minenbetrieb unrentabel machen würde.

Und so nahm denn die ökologische Katastrophe über Jahre ihren Lauf - trotz der vehementen Proteste internationaler und nationaler Umweltschutzorganisationen und der betroffenen Bevölkerung. Diese brachte ihren Protest immer wieder durch Demonstrationen, den Minenbetrieb über mehr oder minder lange Zeiträume lahm legende Blockaden und auch Plünderungen der mineneigenen Supermärkte und andere Übergriffe auf Mineneigentum zum Ausdruck. Und sie beschritt den Rechtsweg, indem sie BHP vor australischen Gerichten verklagte. Ergebnis war ein außergerichtlicher Vergleich, in dem BHP der betroffenen Bevölkerung Kompensationen für die Umweltschäden usw. zusagte, die "Prüfung" umweltfreundlicheren Betriebs und die Durchführung unabhängiger Umweltstudien zusicherte. Gegenwärtig ist wieder ein Prozess anhängig, weil die Betroffenen meinen, BHP sei seinen Verpflichtungen nur unzureichend nachgekommen.

Öko-Studie: Mine schließen

Zusätzliche Dynamik bekam der Fall dadurch, dass die 1999 vorgelegten unabhängigen Studien sowie eine zusätzliche Weltbank-Studie vom März 2000 die Kritiker bestätigten und deren schlimmste Befürchtungen z.T. noch übertrafen. Das Management von BHP, welches bis dahin die Umweltschäden stets geleugnet und die Kritiker lächerlich gemacht hatte, musste einräumen, dass man den Betrieb hätte gar nicht aufnehmen dürfen, wenn man um das Ausmaß der Umweltschäden gewusst hätte.

Die Weltbank-Studie kam zu dem Schluss, dass man unter Umweltschutzgesichtspunkten die Mine eigentlich sofort schließen müsste. Das geschah aber nicht - die Mine produziert heute noch, und zwar unter denselben ökologisch zerstörerischen Bedingungen wie eh und je. Aber BHP hat sich aus dem Staub gemacht. Nachdem die Regierung PNG`s und die Provinzregierung der Western Province ihr großes Interesse am Weiterbetrieb der Mine kundgetan hatten und auch eine Reihe von Interessenvertretern der lokalen Bevölkerung dafür votierten, weil die Region mittlerweile (in Hinsicht auf medizinische und schulische Versorgung, Infrastruktur usw.) völlig am Tropf der Minengesellschaft hängt, hat BHP seit 2000 eine Ausstiegsstrategie verfolgt, die für den Konzern die geringstmöglichen Kosten verursacht.

Konzern verzieht sich - Probleme bleiben

Anfang Februar 2002 konnte der BHP-Vorstandsvorsitzende Paul Anderson den Rückzug aus Ok Tedi bekannt geben. Der 52%ige Anteil von BHP geht an einen Treuhandfonds unter Kontrolle der Regierung; im Gegenzug spricht diese BHP von allen künftigen Verpflichtungen, also auch allen möglichen Schadenersatzansprüchen auf Grund der Umweltzerstörungen frei.

Das ist ein zum Himmel schreiender Skandal: BHP wir für alle Zukunft von aller Verantwortung für die ökologischen und sozialen Folgen des Minenbetriebs entbunden. Wenn die Mine in knapp zehn Jahren erschöpft ist und schließen muss, stehen die Menschen und der Staat PNG allein vor den dann auftretenden gewaltigen Problemen der ökologischen Rehabilitation und der wirtschaftlich-sozialen Abfederung des Endes des mit Abstand größten Projekts in der Region. Es ist völlig unklar, wie die Umweltschäden behoben werden können und welche Lebensperspektiven die Menschen haben, nachdem die Region wirtschaftlich völlig von der Mine abhängig geworden ist und die herkömmlichen Sozialstrukturen zersetzt worden sind. Am Ok Tedi tickt eine Zeitbombe.

Hamburger Kupferhütte mitbeteiligt

Was hat das mit Hamburg zu tun? Hamburg ist Standort der Norddeutschen Affinerie (NA), kurz: Affi. Das ist die größte Kupferhütte Europas, die sich rühmt, die "umweltfreundlichste Kupferhütte der Welt" zu sein. In der Tat hat die Affi, früher als üble Dreckschleuder bekannt, sich in letzter Zeit stark für umweltverträgliche Produktion eingesetzt. Das gilt allerdings nur für den Standort in Hamburg, nicht aber für die Minen, von denen sie ihr Kupfererz zur Weiterverarbeitung bezieht. Mit der Ok Tedi-Mine unterhält die Affi langfristige Lieferverträge, in den 90er Jahren kamen jährlich rund 90.000 Tonnen von dort, das war fast ein Viertel des von der Affi weiter verarbeiteten Kupferkonzentrats. Auch wenn diese Mengen gegenwärtig rückläufig sind, bleibt die Affi doch ein Hauptabnehmer von Ok Tedi - und steht damit in der Mitverantwortung für die Zustände im Minengebiet.

Daher versuchen seit der Aktionärsversammlung im April 2000 verschiedene Gruppen aus der Umweltschutz- und Dritte-Welt-Bewegung (Rettet die Elbe, Pazifik-Netzwerk, Hafengruppe Hamburg), die NA in die Pflicht zu nehmen. Mit Auftritten auf den Aktionärsversammlungen und Protestaktionen vor deren Türen haben sie auf den Skandal aufmerksam gemacht, dass die Affi "schmutziges", ja "blutiges" Kupfer produziert - und das kommt nicht gut für das Image eines Unternehmens, dass sich in seiner PR als Sponsor der Hamburger Hauptkirchen (und der Kupferkirchendächer) präsentiert.

Proteste mit Wirkung

Der Protest zeigte (ein wenig) Wirkung: Man bot den Kritikern einen "Dialog" an (der verläuft sehr schleppend, bisher hat es ein paar Treffen zwischen NA-Vorstand und Kritikern gegeben) - und man ließ Geld springen für den Aufbau eines Schulungszentrums für medizinisches Fachpersonal im Minengebiet. Damit meint man sich von der Verantwortung freigekauft zu haben.

Abgesehen davon, dass mit einem solchen Almosen den Problemen in der Region nicht beizukommen ist, ist die Nachhaltigkeit dieses Projekts mehr als fraglich: Mit einer Einmal-Zahlung für den Bau des Gebäudes soll es gut sein, wie es dort dann weitergeht - darauf will und kann die NA keinen Einfluss nehmen, ebenso wie sie behauptet, keinen Einfluss auf die Lage im Minengebiet generell nehmen zu können. Es wird also weiteren Druckes bedürfen, damit sich die Affi in angemessenerer Form ihrer Verantwortung stellt. Das gilt umso mehr, als sie offensichtlich verstärkt in ein weiteres Minenprojekt im Hochland von Neuguinea einsteigt, welches sogar noch schlimmer als Ok Tedi ist.

Ein weiterer Skandal: Die Freeport-Mine

Wenige Kilometer westlich der Ok Tedi-Mine, jenseits der Grenze zum von Indonesien okkupierten West-Papua nämlich findet sich Freeports Grasberg/Ertsberg-Mine, größte Kupfer- und Goldmine der Welt. Dort fördert der US-Konzern FreeportMcMoran seit 1973 Kupfer - mit denselben umweltzerstörerischen Folgen wie Ok Tedi.

Für die Menschen dort ist die Lage sogar noch weitaus schlechter als im benachbarten PNG, sind sie doch unter dem indonesischen Regime weitgehend rechtlos und haben nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sich für ihre Interessen einzusetzen (West-Papua, bis 1963 holländische Kolonie, wurde damals von Indonesien okkupiert und 1969 als Provinz in den indonesischen Staatsverband integriert - die große Mehrheit der indigenen Bevölkerung hat das nie akzeptiert und kämpft seitdem für die Unabhängigkeit). Freeport war und ist der größte Steuerzahler in Indonesien, das Management hatte engste freundschaftliche Verbindungen zum Suharto-Regime. Proteste gegen den Minenbetrieb ließ es zu Suharto-Zeiten vom indonesischen Militär zusammenschießen. (Das Freeport-Gebiet war häufig Operationsraum der sezessionistischen Guerilla OPM (Organisasi Papua Merdeka)). Freeport-Personal war im Verein mit dem Militär an Mord, Folter und schweren Menschenrechtsverletzungen beteiligt. Auch wenn sich seit der Entmachtung Suhartos einige Verbesserungen für die Bevölkerung ergeben haben, so nimmt Freeport doch immer noch - gegen direkte Bezahlung - den Schutz des indonesischen Militärs in Anspruch. Ende August wurden zwei US-amerikanische und ein indonesischer Mitarbeiter von Freeport bei einem Feuerüberfall auf einen Autokonvoi auf der Zufahrtsstraße zur Mine getötet (und mehrere US-Bürger verwundet). Freeport und das Militär machten sofort die OPM verantwortlich; diese wies den Vorwurf allerdings zurück. In der Tat sprechen bestimmte Umstände des Überfalls eher für die These, dass die Täter in den Reihen der indonesischen Militärs selbst zu suchen sind.

Der Hintergrund: Unstimmigkeiten über die Zahlungen Freeports ans Militär und dessen Interesse, die Notwendigkeit seiner Präsenz als Schutztruppe zu unterstreichen. Der Überfall war jedenfalls Anlass für große Militär- und Verhaftungsaktionen im Minengebiet. Auch von der Freeport-Mine bezieht die Affi regelmäßig Kupfererz - mit steigender Tendenz.

Und so spannt sich ein blutiger Kupferdraht zwischen Hamburg und dem Hochland von Neuguinea - Globalisierung halt.

Kontakt: Pazifik-Netzwerk/Infostelle, Haupstr. 2, 91564 Neuendettelsau, e-mail: pazifik-info@missionswerk-bayern.de, www.pazifik-infostelle.org


Volker Böge ist Mitglied des Pazifik-Netzwerks und im Vorstand des Komitees für Grundrechte und Demokratie.

E-Mail:   voboege@uni-duisburg.de
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