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FForum 3/2003


vom:
Juli 2003


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Rüstungsexporte und Krieg - die Mitverantwortung deutscher Stellen

Ex-NVA-Schiffe bei indonesischer Militäroffensive im Einsatz

Thomas Klein

Deutsche Waffen sind auf Kriegsschauplätzen in aller Welt im Einsatz - keine besonders gewagte Aussage, sondern ein seit Jahrzehnten belegter Fakt. Was einerseits alle offiziellen Aussagen, es gebe hierzulande eine besonders restriktiv gehandhabte Rüstungsexportpraxis, zwar Lügen straft, anderseits aber nur noch selten für große öffentliche Empörung sorgt.


Ein interessanter Aspekt in diesem Zusammenhang ist, dass sich Regierungsstellen bei kritischen Nachfragen zumeist mit vermeintlicher Ahnungslosigkeit aus der Affäre zu ziehen versuchen. Jahrelang gehörte es zu einer der leichtesten Übungen des einstmals FDP-geführten Außenministeriums, den durch Hunderte von Fotos, mit Filmmaterial und unzähligen Zeugenaussagen belegten, vertragswidrigen Einsatz deutscher Waffen durch das türkische Militär im kurdischen Kriegsgebiet zu leugnen.

Solche "politischen Lügen" wie die in Gestalt des Satzes "der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, dass deutsche Waffen im Einsatz sind" gehörten in "Kontinuität der Außenpolitik" (J. Fischer) auch nach dem Regierungswechsel 1998 zum bewährten Umgang mit Anfragen zu dieser Problematik.

Umso überraschender ist es, dass die Meldung, beim Vorstoß der indonesischen Armee gegen Rebellen der Unabhängigkeitsbewegung in der Provinz Aceh sei auch ein aus Deutschland geliefertes Kriegsschiff zum Einsatz gekommen, von einem Vertreter der Bundesregierung kürzlich bestätigt wurde.

In einer mündlichen Anfrage der PDS-Abgeordneten Gesine Lötzsch erklärte Anfang Juni Hans Georg Wagner, Staatssekretär im Verteidigungsministerium: "Nach ersten Erkenntnissen sind bei der Aceh-Operation circa 20 indonesische Schiffe im Einsatz, darunter auch Ex-NVA-Schiffe. Dabei werden die genannten 20 Schiffe dem Anschein nach unter anderem für Mannschaftstransporter, aber auch für den Transport von Lebensmitteln für die Bevölkerung von Aceh eingesetzt".

Nach den vertraglichen Bestimmungen, die bei der Auslieferung der 39 Ex-NVA-Schiffe an Indonesien Grundlage des Geschäfts waren, dürfte es diesen Einsatz nicht geben. Denn zur Beruhigung aller Kritiker des Rüstungsgeschäfts hatte die ehemalige CDU/CSU-FDP-Bundesregierung betont, dass ein mit der indonesischen Regierung geschlossenes Abkommen klare Regelungen enthalte: Danach dürfen die aus Deutschland gelieferten Schiffe nur zum Küstenschutz und der Sicherung der Seewege zur Bekämpfung der Piraterie eingesetzt werden.

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FForum 3/2003
Als vor genau zehn Jahren die Kohl-Regierung den Verkauf der Kriegsschiffe der ehemaligen Flotte der DDR nach Indonesien genehmigte, stieß das seinerzeit u.a. bei SPD- und Grünen-Politikern sowie Menschenrechtsorganisationen auf heftige Kritik. Aus Protest gegen den Waffen-Deal mit dem Suharto-Regime besetzten Friedensaktivisten in Peenemünde 1993 kurzeitig vier dieser Schiffe. Zeitgleich versuchte das Neue Forum, mittels einer Petition an den Deutschen Bundestag den Verkauf der Schiffe zu verhindern. In einem der Petition beigefügten Gutachten - das der Autor dieser Zeilen (damals als Geschäftsführer im Rüstungsexport-Archiv Idstein tätig) verfasste - wird u.a. auf das Kriegswaffenkontrollgesetz (Paragraph 6) verwiesen, nach dem die Genehmigung zur Ausfuhr von Kriegswaffen zu versagen ist, "wenn die Gefahr besteht, dass diese bei einer friedensstörenden Handlung verwendet werden".

Außerdem darf nach den politischen Grundsätzen der Bundesregierung der Export von Kriegswaffen und sonstiger Rüstungsgüter für Nicht-NATO-Staaten "nicht zu einer Erhöhung bestehender Spannungen beitragen".

Nicht zuletzt angesichts fortgesetzter, massiver Menschenrechtsverletzungen in Indonesien hätte die Genehmigung des Exports, mit Blick auf bestehende Gesetze und Verordnungen, nicht erteilt werden dürfen. Schließlich gehörte der damals in Indonesien regierende Diktator Suharto, den Altbundeskanzler Helmut Kohl wörtlich als "guten Freund" bezeichnete, in den Kreis der dienstältesten und grausamsten Diktatoren der Welt.

Die unter dem Regime von General Suharto begangenen Massaker an der Zivilbevölkerung gehören zu den massivsten nach dem Zweiten Weltkrieg. Nach zurückhaltenden Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen sind allein in den ersten Jahren nach seiner Regierungsübernahme 1965 etwa eine Million Menschen Opfer der vom Militär ausgeübten Terrorwelle geworden.

Bis Ende der neunziger Jahre kam es in den verschiedenen Teilen des südostasiatischen Inselreiches immer wieder zu grausamen Niederschlagungen von Unabhängigkeitsbewegungen. Bekanntestes Beispiel: Das inzwischen unabhängige Ost-Timor.

Dennoch keine Überraschung war es, dass sich die Kohl-Kinkel-Regierung über alle Bedenken, Warnungen und Verweise auf die Situation vor Ort und die bestehende Rechtslage in Deutschland hinwegsetzte, und die Auslieferung der Schiffe genehmigte. Mit weitreichenden Konsequenzen: Dass bei der jüngsten Militäroffensive, die nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen von Übergriffen auf die Zivilbevölkerung und Gräueltaten begleitet ist, der damals geschlossene Vertrag ganz offenkundig gebrochen wird, war erstmals Ende Mai bekannt geworden.

Da hatte die Nachrichtenagentur dpa gemeldet, im Rahmen der von Präsidentin Megawati abgesegneten Aktion gegen die Unabhängigkeitsbewegung sei das Kriegsschiff Teluk Gilimanuk im Einsatz. Und hat nach Berichten von Augenzeugen in der Stadt Lhokseumawe Panzer an Land gesetzt. Das Schiff trug früher den Namen Hoyerswerda.

Wie sich die heutigen Regierungsparteien SPD und Grüne, angesichts der Meldungen aus Aceh, aus der Affäre zu ziehen versuchen, zeigt sich mit Blick auf die Anfrage der PDS-Abgeordneten. Obwohl Staatssekretär Wagner einräumt, dass im Rahmen der Militäroffensive ehemals aus Deutschland gelieferte Schiffe im Einsatz sind, beantwortet er die Frage der Abgeordneten Lötsch, was die Bundesregierung gegen den Vertragsbruch zu unternehmen gedenke, mit dem erstaunlichen Hinweis: Da der konkrete Einsatz der Ex-NVA-Schiffe zurzeit nicht hinreichend bekannt sei, könne keine "abschließende sachliche und rechtliche Bewertung" vorgenommen werden.

Keine Erkenntnisse, oder nicht in der Lage, eine abschließende Wertung vorzunehmen - in dieser Weise macht sich auch die derzeitige Bundesregierung eine Strategie zueigen, die die Kohl-Kinkel-Regierung zeitweise auf die Spitze getrieben hatte. Dazu gehörte, dass einige Zeit der deutsche Außenminister Klaus Kinkel (FDP) im ´Genre` der "politischen Lüge" (vgl. Aussagen zur Lage im Kosovo 1999, aktuell Massenvernichtungswaffen im Irak usw.) eine kleine, wenig ansehnliche Groteske beisteuerte: Während um 19 Uhr in den heute-Nachrichten deutsche Panzer, im kurdischen Kriegsgebiet im Einsatz, durch die Wohnzimmer rollten, wollte er um 20 Uhr in der Tagesschau, auf solche Einsätze angesprochen, über derlei Erkenntnisse nicht verfügen. Denn die gebotene Konsequenz, wegen des Vertragsbruchs ein Waffenembargo zu verhängen, war politisch schlicht nicht gewollt.

Immerhin scheinen Vertreter der Bundesregierung nun gelegentlich über andere Erkenntnisse zu verfügen. Welche Auswirkungen das auf die deutsch-indonesischen Beziehungen hat, und warum kürzlich mit Genehmigung der rot-grünen Bundesregierung die Kriegsschiffe mit neuen Motoren "made in Germany" ausgerüstet wurden - dazu konnte oder wollte sowohl im Verteidigungs- als auch im Wirtschaftsministerium auf Nachfrage niemand Stellung nehmen.

Das Auswärtige Amt rät unterdessen vor Reisen in das Kriegsgebiet ab. Obwohl es dort etwas ´Einmaliges` zu sehen gäbe: Ein Teil der Ex-DDR-Flotte im Einsatz - "für den Transport von Lebensmitteln für die Bevölkerung" (Staatssekretär Wagner).


Thomas Klein, ehemals Geschäftsführer im Rüstungsexport-Archiv Idstein (KOMZI) und einige Jahre Pressereferent der "Kampagne gegen Rüstungsexport", ist als freier Journalist und Bildungsreferent tätig.

E-Mail:   tk.thomasklein@t-online.de
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