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FF5/2003


vom:
Dezember 2003


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FF2003-5:

  Hintergrund

Auslandseinsätze der Bundeswehr sollen erleichtert werden

Die Selbstentmachtung des Parlaments - Ein Kurzkommentar

Peter Strutynski

Verteidigungsminister Peter Struck scheiterte mit seinem Vorschlag, Auslandseinsätze der Bundeswehr künftig von einem kleinen Bundestagsausschuss absegnen zu lassen, am Widerstand seiner eigenen Fraktion. Das Parlament möchte schon selbst darüber bestimmen, wann und in welchem Umfang die Bundeswehr Deutschland am Hindukusch und anderswo in der Welt verteidigen soll. Ein bisschen schneller als bisher sollte es allerdings schon gehen. Auch dafür ist das Parlament zu haben, wie man an der Entscheidung über die Ausweitung des Afghanistaneinsatzes im Rahmen von ISAF im Oktober 2003 sehen konnte.


Einer Gruppe Abgeordneter aus der SPD-Fraktion reicht dies allerdings nicht aus. Sie möchte ein Gesetz auf den Weg bringen, das es der Regierung ermöglicht, Auslandseinsätze auch ohne vorherige Zustimmung des Parlaments durchzuführen. In einem "vereinfachten Zustimmungsverfahren" sollen danach "Einsätze von geringer Bedeutung" erledigt werden können. Hierfür bedarf es keines Bundestagsbeschlusses mehr ( 4). Liest man die Definitionen für solche "Einsätze von geringer Bedeutung" durch ( 4 Ziffer 2), wird man hellhörig. So sind etwa "Erkundungskommandos" ebenso von "geringer Bedeutung" wie Einsätze im Rahmen der NATO, falls sie einen "VN-Auftrag" erfüllen. Schließlich fallen auch Einsätze hierunter, die zwar bei der Erstgenehmigung durchaus von größerer Bedeutung und damit zustimmungspflichtig waren, die aber jetzt nur zur "Verlängerung" anstehen.

Einen zweiten - nicht weniger brisanten - Punkt enthält 2, Ziffer 2. Danach gelten "Planungs- und Vorbereitungsmaßnahmen sowie humanitäre Hilfsdienste und Hilfsleistungen, bei denen Waffen lediglich zum Zweck der Selbstverteidigung mitgeführt werden", nicht als Einsätze im Sinne dieses Gesetzes. Sie bedürfen daher auch nicht der Zustimmung des Bundestags. Damit, so ist zu befürchten, gerät eine große Palette von möglichen Auslandseinsätzen in eine rechtliche und demokratiepolitische Grauzone. Denn was "Planungs- und Vorbereitungsmaßnahmen sowie humanitäre Hilfsdienste und Hilfsleistungen" sind, definiert allein die Exekutive. Nicht in Blickfeld der Initiatoren des Gesetzentwurfs gerät die Gefahr, dass solche Maßnahmen sich unter Umständen zu veritablen Kriegshandlungen auswachsen können bzw. dass die Bundeswehr in kriegerische Konflikte hineingezogen werden kann.

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FF5/2003
Der Versuch, Bundeswehreinsätze rund um den Globus weiter zu vereinfachen und der parlamentarischen Zustimmungspflicht zu entziehen, rückt auch noch aus einem anderen Grund in ein schiefes Licht. Zur Feststellung des "Verteidigungsfalles", also eines Zustands, in dem das Territorium der Bundesrepublik Deutschland militärisch angegriffen wird, bedarf es laut Grundgesetz einer Zweidrittel-Mehrheit im Bundestag. Diese hohe Hürde sollte u.a. leichtfertigem Umgang mit Kriegserklärungen und Kriegsmobilisierung vorbeugen. Nun haben die Verfassungsrichter in ihrer denkwürdigen Entscheidung über Auslandseinsätze vom Juli 1994 bestimmt, dass für Auslandseinsätze lediglich die einfache Parlamentsmehrheit vonnöten sein sollte. Dies ist zwar unlogisch, aber immerhin entscheidet über jedes Auslandsengagement das Parlament - und zwar vorher! - und nicht die Exekutive. Das Wort vom "Parlamentsheer" machte damals die Runde. Der Gesetzentwurf, der nun vorgelegt werden soll, hebelt dieses Urteil aus, indem ein beträchtlicher Teil der Bundeswehr-Auslandseinsätze nun nicht mehr von einer vorherigen Bundestagsentscheidung abhängig gemacht werden soll. Sollte dieser Gesetzentwurf verabschiedet werden, hat der Bundestag einen weiteren Schritt zu seiner Selbstentmachtung getan. Das Heer folgt nicht mehr dem Parlament, sondern der Regierung, und das Parlament findet das auch noch in Ordnung.

Die Frankfurter Rundschau hat den Gesetzentwurf der Abgeordnetengruppe der SPD am 31. Oktober 2003 auf ihrer Dokumentationsseite veröffentlicht. Er ist noch (für kurze zeit) im Internet abrufbar (www.fr-aktuell.de) oder über das Büro gegen 2 EURO (Kopie+Proto) in Briefmarken zubeziehen.


Peter Strutynski ist Sprecher des Friedensratschlages Kassel.

E-Mail:   strutype@uni-kassel.de
Internet: http://www.friedensratschlag.de
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