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FF5/2003


vom:
Dezember 2003


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  Neue (Militär-)Strategien

Asymmetrische Konflikte und Konfliktbearbeitung

Wolfgang Schreiber

In jüngster Zeit ist häufiger die Rede von "asymmetrischen Konflikten" oder "asymmetrischen Kriegen". Den Hintergrund für diese verstärkte Diskussion liefern dabei vor allem die extreme Asymmetrie der Militärtechnologie und des Waffenarsenals der westlichen Staaten und insbesondere der USA im Vergleich zu potenziellen Gegnern sowie die Wahrnehmung, dass in den letzten Jahren vermehrt asymmetrische Kriege geführt wurden. Dabei darf nicht übersehen werden, dass Asymmetrie in unterschiedlichen Formen die überwiegende Zahl der Kriege kennzeichnet. Dies gilt vor allem für die seit 1945 dominante Form des Krieges, den innerstaatlichen Krieg. Hier kämpfen in aller Regel vergleichsweise schwach ausgerüstete Rebellenbewegungen gegen den Militärapparat eines Staates. Dabei treten neben der Asymmetrie in der Bewaffnung auch mindestens zwei weitere Asymmetrien auf, die auch in der aktuellen Debatte eine Rolle spielen: Zum einen besteht eine (völker-)rechtliche Asymmetrie zwischen der staatlichen und der nicht staatlichen Partei. Zum anderen ist die waffentechnisch unterlegene Seite bestrebt, diesen Nachteil durch Taktiken wie die Guerillakriegsführung auszugleichen.


Die aktuelle Diskussion zu asymmetrischen Kriegen wird vor allem in drei Richtungen geführt. Erstens sichert die militärische Überlegenheit, dass die Verluste aus Sicht des Überlegenen relativ gering sind. Diese Begrenzung der Verluste erlaubt zweitens prinzipiell einen schnelleren Rückgriff auf den Einsatz militärischer Mittel, erhöht also unter Umständen die Bereitschaft Krieg zu führen. Die dritte Dimension der Diskussion lässt sich unter das Schlagwort der "asymmetrischen Bedrohung" fassen. Dabei besteht diese Bedrohungswahrnehmung auf beiden Seiten: Die formal unterlegene Seite fühlt sich in ihren Handlungsoptionen eingeschränkt, die überlegene Seite fürchtet Aktionen außerhalb der regulären Kriegsführung wie z.B. Anschläge auf militärische oder zivile Ziele.

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FF5/2003
Neben dem Israel-Palästina-Konflikt mit seinen Militäreinsätzen auf der einen und den Selbstmordanschlägen auf der anderen Seite beförderten insbesondere drei Kriege die Wahrnehmung einer gestiegenen Häufigkeit asymmetrischer Kriege, nämlich die der USA und verbündeter Staaten gegen Jugoslawien, Afghanistan und den Irak. Alle drei Beispiele zeigen aber auch die Begrenztheit des Konzepts der Asymmetrie auf. In keinem der Beispiele waren die USA und ihre Verbündeten in der Lage, den jeweiligen Krieg nach ihren Vorstellungen zu gewinnen. Der Jugoslawienkrieg dauerte wesentlich länger als geplant, und die Luftkriegführung sorgte gegen Ende des Krieges wegen der Ausweitung auf nichtmilitärische Ziele zur Verstimmung unter den Verbündeten. Noch unbefriedigender aus Sicht der USA verlief der Feldzug gegen das Taliban-Regime in Afghanistan. Die eindeutige Luftüberlegenheit allein war für die USA weitgehend nutzlos und mangels ausreichender eigener Bodentruppen musste man auf die Hilfe der Nordallianz zurückgreifen, um die Taliban von der Macht zu vertreiben. Besser vorbereitet zogen die USA in den Krieg gegen den Irak, in dem von Beginn an ein Großaufgebot an Landstreitkräften in die Planungen einbezogen wurde. Das Regime Saddam Husseins wurde schneller und vor allem gegen geringeren Widerstand als zu Beginn der Hauptkampfhandlungen erwartet gestürzt. Wenn die überlegene Seite nicht zu besiegen ist, so macht die aktuelle Situation sowohl im Irak und in Afghanistan aber auch im israelisch-palästinensischen Konflikt umgekehrt deutlich, dass dies nicht mit einem Sieg gleichzusetzen ist.

Die extreme Überlegenheit der US-Streitkräfte und des westlichen Militärs allgemein berührt an zwei Punkten das Thema der Bearbeitung von Konflikten: Zum einen stellt sich die Frage bei Konflikten, an denen insbesondere die USA selbst beteiligt sind, wie man solche Konflikte in nichtmilitärische Bahnen lenken kann. Ziemlich aussichtslos ist das Unterfangen, wenn auf Seiten der USA und ihrer Verbündeten Einigkeit über die Notwendigkeit eines Militäreinsatzes besteht. In diesen Fällen - siehe Jugoslawien und Afghanistan - fehlt ein relevanter Vermittler. Im Falle des Irak-Krieges war die Situation weniger eindeutig. Zwei Faktoren lassen sich benennen, die zukünftigen asymmetrischen Kriegen seitens der USA entgegenstehen könnten: Erstens dürfte den rein finanziellen Kosten in Zukunft eine höhere Bedeutung zukommen, und zweitens darf die öffentliche Meinung in den USA nicht vernachlässigt werden. Diese war bereits beim Krieg gegen den Irak nicht für einen Alleingang. Dabei war weniger die Frage einer UN-Mandatierung entscheidend, als die Tatsache, dass die USA für ihren Krieg Unterstützung von wichtigen traditionellen Verbündeten wie Großbritannien oder Australien und von einer gewissen Bandbreite der Staatengemeinschaft erhielt.

Ein weiterer Aspekt findet sich in der aktuellen Diskussion zur Asymmetrie nur selten, und zwar das Problem der Konfliktbeendigung, der "robusten Friedenserhaltung" oder der Friedenserzwingung. Stellten zu Zeiten des Ost-West-Konfliktes vor allem neutrale europäische Staaten wie Schweden oder Entwicklungsländer wie Ghana oder Bangladesch die Kontingente für UN-Blauhelmeinsätze, so veränderte sich die Diskussion um Militäreinsätze im Rahmen von Friedensregelungen. Die reine Beobachtung von Waffenstillständen wurde als unzureichend empfunden und ein aktiveres militärisches Vorgehen zunehmend diskutiert und gefordert. Daraus leiteten sich andere, mehr militärische Anforderungen an solche UN-Truppen ab. Um letztendlich zwei Kriegsparteien auch gegen ihren Willen trennen und insbesondere auch von Übergriffen gegen die Zivilbevölkerung abhalten zu können, bedarf es im Zweifelsfall überlegener militärischer Fähigkeiten, die derzeit im Wesentlichen nur bei westlichen Streitkräften zu finden sind.

Auch für diese Wahrnehmung bieten die letzten Jahre prominente Beispiele: Die Intervention Großbritanniens in Sierra Leone, Frankreichs in der Elfenbeinküste oder der EU im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Diesen Fällen ist gemeinsam, dass die westlichen Interventionen in der Debatte als erfolgreicher als UN-Einsätze dargestellt werden. Dies geschieht häufig zu Unrecht, da in der Regel die unterschiedlichen Bedingungen und Aufgabenstellungen ausgeblendet werden, unter denen UN-Einsätze stattfinden. Als problematisch erweist sich, dass diese "asymmetrischen Interventionen" bislang häufig historisch-kolonial vorbelastet sind. Jüngstes und quasi umgekehrtes Beispiel: Als die Rebellen in Liberia in diesem Jahr die Hauptstadt abriegelten und sich dort eine humanitäre Notsituation anbahnte, erging der Ruf zu einer Intervention ausschließlich an die USA als ehemalige Quasi-Kolonialmacht.

Die zukünftige Entwicklung der Folgen der militärtechnologischen Asymmetrie lässt sich nur schwer einschätzen. Der Aufbau von schnellen Eingreiftruppen sowohl bei der NATO als auch bei der EU deuten eine verstärkte Nutzung dieser Instrumente an. Andererseits dürften die Erfahrungen der asymmetrischen Kriege der letzten Jahre allzu weitreichenden Zielen, wie der militärischen Erzwingung von Regimewechseln, einige Dämpfer verpasst haben. Offener ist die Zukunft von Interventionen in laufende Kriege und bewaffnete Konflikte. Hier können asymmetrische Interventionen einen abschreckenden Charakter gegenüber den Kriegsparteien entwickeln, es besteht aber auch die Gefahr, dass solche Einsätze von Kriegseinsätzen nicht mehr zu unterscheiden sind.

Literatur:

-Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF): Das Kriegsgeschehen 2003. Daten und Tendenzen der Kriege und bewaffneten Konflikte, Opladen: Leske+Budrich (erscheint im März 2004, das Jahrbuch zu 2002 ist mittlerweile vergriffen)

-Dasse, Christopher: Kleine Kriege - Große Wirkung. Wie unkonventionelle Kriegführung die internationale Politik verändert, Baden-Baden: Nomos 1999

-Debiel, Tobias: UN-Friedensoperationen in Afrika. Weltinnenpolitik und die Realität von Bürgerkriegen, Bonn: Dietz 2003


Wolfgang Schreiber ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Kriegsursachenforschung (AKUF) der Universität Hamburg.

E-Mail:   akuf@sozialwiss.uni-hamburg.de
Internet: http://www.sozialwiss.uni-hamburg.de/Ipw/Akuf/home.html
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