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 Hintergrund

CIMIC - ein brisanter Cocktail

Andreas Buro

CIMIC heißt auf deutsch ZMZ und das bedeutet "Zivil-militärische Zusammenarbeit". Na, ja könnte man denken, das Militär hat ja viele Tausende Zivilangestellte. Die Zusammenarbeit mit diesen muss irgendwie geregelt werden, denn der zivile Arm des Militärs reicht weit in die Gesellschaft hinein. Gemeinden leben nicht selten von ihren Militärstandorten und die Rüstungsindustrie und -forschung verbessert manchen Konzernen die Gewinnmarge. Doch geht es bei der Civil Military Cooperation nicht um diesen riesigen zivilen Appendix des Militärs. Vielmehr braucht Militär zivile Kompetenzen, wenn es in Nachkriegssituationen als Besatzungsmacht Aufgaben übernehmen muss, für die Soldaten nicht ausgebildet sind.

Nun gibt es auch hierbei schon traditionsreiche Zusammenarbeit etwa mit dem Roten Kreuz. In jüngerer Zeit kommen private kommerzielle Sicherheitsdienste dazu, die zum Beispiel Aufgaben des Projektschutzes oder der Gefangenen Bewachung übernehmen. Dafindet ein `outsourcing` statt, wie man in der Wirtschaft sagen würde.

Friedenspolitisch brisant wird jedoch der Kooperations-Cocktail dann, wenn die Zusammenarbeit Friedensorganisationen einbezieht, die sich für Zivile Konfliktbearbeitung(ZKB) einsetzen. Die Brisanz liegt vor allem darin, dass die Friedensorganisationen in dem von der "großen Politik" festgelegten Rahmen als Instrument des Militärs zur Problembewältigung in Nachkriegssituationen eingesetzt werden. Außerdembesteht das grundsätzliche Strukturproblem, dass finanzielle Habenichtse mit den finanziell sehr potenten Militärs kooperieren und dadurch eine schwerwiegende Asymmetrie vorprogrammiert ist.

Manche werden trotzdem aufgrund von Erfahrungen in Auslandseinsätzen CIMIC rechtfertigen. So etwa war es für friedenspolitische Gruppen, die im Bosnien-Krieg in eine gefährliche Lage kamen, eine Erleichterung, wenn die Situation durch das Auftauchen der jeweils richtigen Militärkräfte entschärft werden konnte. Oder man durfte die militärischen Kommunikations- oder Transportmittel mit benutzen, wenn die eigenen nicht ausreichten. Doch können solche Erfahrungen CIMIC wirklich rechtfertigen? Diese Erfahrungen beruhen auf punktuellen, spontanen Situationen, während CIMIC auf die Vorbereitung einer organisierten und programmatischen Zusammenarbeit zielt. Das ist ein Unterschied ums Ganze.

In der Katholischen Akademie Berlin fand am 4. Dezember 2003 ein Fachgespräch zum Thema "Zivile und militärische Komponenten im Nachkriegs-Wiederaufbau - Chancen und Risiken einer ungewohnten Nachbarschaft" statt. Veranstalter war die "Plattform Zivile Konfliktbearbeitung", Mitveranstalter waren die "Friedrich-Ebert Stiftung" und das "Institut für Entwicklung und Frieden (INEF) der Universität Duisburg-Essen". Das Auswärtige Amt förderte das Fachgespräch.
(1) Die knapp 40 Teilnehmer kamen unter anderem aus Bundestag, Ministerien, Bundeswehr, Stiftungen, Hochschulen, GTZ, vom Evangelischen Entwicklungsdienst, der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung, dem Forum Ziviler Friedensdienst und Pax Christi. In seinem Vorwort zu der Dokumentation der Fachtagung schreibt Christoph Weller von dem Institut Entwicklung und Frieden: "Der zunehmende internationale Einsatz des Militärs in Prozessen der Krisenprävention und Friedenskonsolidierung wirft viele neue Fragen auf, sowohl bezüglich der Planung ziviler und militärischer Einsätze und Projekte in Krisengebieten als auch hinsichtlich der Ausgestaltung der konkreten Zusammenarbeit zivilen und militärischen Personals vor Ort: Mit welchen Zielen planen verschiedene Akteure einen Einsatz im Krisengebiet? Welche Unterstützung der eigenen Zielsetzungen (Sicherheit, zivile Konfliktbearbeitung, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wiederaufbau) wird von der anderen Seite erwartet oder gar vorausgesetzt? Kennen die zivilen Akteure - auf der Planungs-wie der Projektebene - die Einsatz-Ziele und -Strategien des Militärs? Verstehen die militärischen Akteure - auf den verschiedenen Hierarchiestufen - Herangehensweise und Konzepte entwicklungspolitischer Maßnahmen sowie die Ansätze ZivilerKonfliktbearbeitung? ...."

Wellers Fragen zielen offensichtlich auf ein dichtes Kooperationsgeflecht zwischen Militär, zivilen und entwicklungspolitischen Kräften wie auch mit Kräften, die eigentlich auf Zivile Konfliktbearbeitung als Alternative zum militärischen Eingriff setzen. Diese Kooperation soll sowohl in Hinblick auf Krisenprävention wie auch auf "Friedenskonsolidierung" greifen.

Winrich Kühne, Direktor des "Zentrums für internationale Friedenseinsätze (ZIF)", das mit dem Bund eng zusammen arbeitet, erklärte: Die Akteure in Friedenseinsätzen ließen sich vier Pfeilern zuordnen: Militär, Polizei, zivile Fachkräfte und humanitäre Hilfe. Die Aufzählung zeigt symptomatisch die Eingliederung der Zivilen Konfliktbearbeitung als zivile Fachkräfte in das militärisch bestimmte Konzept.

Das Fachgespräch kehrte immer wieder zu konkreten Beispielen in Nachkriegs-Besatzungssituationen zurück. Die "Ärzte ohne Grenzen" beklagten: "Wenn militärische Einsätze mit humanitären Motiven begründet und legitimiert würden ( wie im Fall des Kundus-Einsatzes in Afghanistan) dann politisiere dies die humanitäre Hilfe und nehme Ärzte ohne Grenzen in den Augen der Einheimischen die so wichtige Neutralität." Deshalb distanziere sich die Organisation von humanitärem Engagement durch militärische Akteure. Auch wenn, wie in Kundus, der Einsatz der Bundeswehr mit dem Schutz der dort arbeitenden zivilen Organisationen begründet würde, führe es dazu, dass die Einheimischen die zivilen Organisationen mit der militärischen Besatzungsmacht identifizierten. Denkt man hier weiter, so bedeuten Bundeswehreinsätze wie in Kundus die systematische Durchsetzung von CIMIC selbst gegen das erklärte Interesse der dort arbeitenden NGOs. Bekanntlich verwirklichen sich Strategien durch konkrete Einzelschritte. Das bestätigt erneut dieses Beispiel.

Für die künftige CIMIC-Kooperation wurden auf der Fachtagung zwei Vorschläge gemacht. Erstens eine gemeinsame "Katastrophenübung", das heißt die gemeinsame Bearbeitung eines potentiellen Krisenlandes. Man könnte also gemeinsam die Bearbeitung einer Krisensituation entwickeln. "Problematisch sei hier jedoch die dünne Personaldecke vieler NGOs, die für solche Übungen nicht ausreichend ausgestattet wären." Zweitens könne man einen konkreten Einsatz wie in Kundus evaluieren. Dort sei stärkere Koordination notwendig. In beiden Vorschlägen wäre eine gleichberechtigte Kooperation von vornherein ausgeschlossen.

Abschließend formulierte Angelika Spelten (INEF) eine interessante These bezogen auf militärische Nach-Interventionssituationen: "Die Bundeswehr möchte die Voraussetzungen für Nachhaltigkeit schaffen, schafft aber diese Nachhaltigkeit nicht selber. Die extern erzwungene Stabilisierung der Situation muss langfristig in eine intern getragene Stabilität transformiert werden. Die Akteure dieser Transformationen sind EZ- (Entwicklungspolitische Zusammenarbeit A.B.) und Friedensorganisationen. Müssten diese demzufolge nicht schon in die Mandatsdefinition einbezogen werden?"
(2) Ob der Begriff der Nachhaltigkeit hier am Platze ist und es sich nicht mehr um Stabilisierung der Beherrschung des besetzten Landes geht, sei dahin gestellt. Der Anspruch, in die Mandatsdefinition einbezogen zu werden, ist dagegen eine interessante politische Forderung oder gar Herausforderung. Was ist, wenn sie nicht erfüllt wird? Endet dann CIMIC?

CIMIC ist nicht einfach zu bewerten, spielen doch viele unterschiedliche Ebenen und Gesichtspunkte dabei eine Rolle. Als Anregung für die notwendige Diskussion die folgenden Thesen:



1. CIMIC ist der Versuch, die zivilen Kompetenzen der Bundeswehr oder allgemein gesprochen des Militärs auszuweiten und dabei auch friedenspolitisch orientierte Gruppen zur Bewältigung insbesondere von Nachkriegssituationen zu instrumentalisieren.



2. Die ZKB-Kräfte geraten dabei in eine Situation die von vornherein militärisch gewaltträchtig bestimmt ist. Als letztes Mittel steht hinter CIMIC stets das militärische Drohmittel und der militärische Einsatz. Dies ist unvereinbar mit der Grundphilosophie Ziviler Konfliktbearbeitung, die gerade auf Dialog, Kooperation und das Aushandeln von Konflikten gerichtet ist. In CIMIC wird ZKB jedoch zum taktischen Instrument militärgestützter Politik.



3. Militärgestützte Politik würde sich eher für eine Intervention entscheiden, wenn sie davon ausgehen könnte, die Nachkriegssituation - natürlich denkt man sofort an den Kosovo und den Irak - durch CIMIC sicherer beherrschen zu können. Damit würde CIMIC zu einer den Krieg förderndenPolitik beitragen.



4. Ein Gegenargument könnte lauten: Im Rahmen von CIMIC können wir zumindest in Nachkriegssituationen eine Verschiebung zugunsten von ZKB erreichen. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Doch war das das Ziel Ziviler Konfliktbearbeitung? Ist der Preis hierfür nicht viel zu hoch und lässt sich dieses Ziel nicht viel besser durch eigenständige Projekte erreichen?



5. Angesichts der Asymmetrie der CIMIC-Partner ist es äußerst zweifelhaft, dass die Grundorientierung der Zivilen Konfliktbearbeitung, die auf Prävention und Dialog setzt und Zwang ablehnt, sich gegen die militärgestützte Politik der Regierungen durchsetzen kann. Im Bereich der Prävention, die ja das eigentliche Anliegen der Friedensbewegung darstellt, gewinnen die ZKB-Kräfte durch CIMIC voraussichtlich keinen Einfluss, denn die Form der Prävention gehört zum Herzstück der herrschenden, militärgestützten Politik. Allenfalls könnten bei mehr oder weniger kleinen Konflikten im Bereich der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit Diskussionen über präventive Maßnahmen durch ZKB einflussreich werden. In diesen dürfte allerdings das Militär ohnehin keine oder nur eine Nebenrolle spielen.



6. In Cimic wird ZKB zu einem Bestandteil des militärischen Konfliktaustrags, der auch noch als Legitimationselement für militärische "Friedensmissionen" und "Friedenskonsolidierung" dienen kann und sicherlich auch dafür genutzt wird. Die Legitimationsfoliefür militärische Einsätze der Großmächte heißt heutzutage ohnehin, dass sie den "Gerechten Krieg" der "Guten" gegen die "Bösen" führen. Die ZKB-Kräfte landen mit CIMIC auf der Seite der militärisch starken "Guten". Das eigentliche Anliegenvon ZKB, die Überwindung des militärischen Konfliktaustrags, bleibt dabei auf der Strecke.



7. CIMIC bedeutet eine Aufspaltung der Kräfte, die eigentlich für eine grundsätzlich veränderte Politik der Konfliktbewältigung, nämlich präventivund mit zivilen Mitteln, eintreten wollten. Diejenigen, die sich auf CIMIC einlassen, werden - so meine Vermutung - materiell und in der öffentlichen Wahrnehmung privilegiert werden. Diejenigen jedoch, die am eigentlichen Ziel der Überwindung des militärischen Konfliktaustrags und der dementsprechenden Abrüstung festhalten, werden wie bisher materiell und in der öffentlichen Wahrnehmung vernachlässigt oder gar diffamiert werden.



8. Die hier formulierten Thesen müssten neu überdacht werden, wenn CIMIC fort von den großen militärischen Machtblöcken in den Bereich der Vereinten Nationen verlagert würde. Würden dort Militär- und Polizeipotentiale aufgebaut werden, die strikt an die UN-Charta gebunden wären, müsste über eine UN-CIMIC und deren strategische Ausrichtung neu nachgedacht werden. Jedoch haben weder die USA, die per Verfassung sich aufrüstende EU oder andere Großmächte diese Perspektive im Auge. Insofern ist eine solche Perspektive zwar für theoretische und voraus schauende Reflexionen von Interesse, in der gegenwärtigen Weltpolitik ist sie allerdings irrelevant.


Anmerkungen



1Die Dokumentation des Fachgesprächs kann bei der Plattform Zivile Konfliktbearbeitung,Haus der Demokratie, Greifswalder Str.4, 10405 Berlin angefordert werden.



2Alle Zitate sind der erwähnten Dokumentation entnommen.






Andreas Buro ist friedenspolitischer Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie.

E-Mail: andreas.buro@gmx.de
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