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 Initiativen

Castor-Protest in Zeiten der Großen Koalition

Jochen Stay

Der Protest gegen den diesjährigen Castor-Transport nach Gorleben spielte sich vor dem Hintergrund des Regierungswechsels in Berlin ab. Beruhigend ist es keinesfalls, was die Große Koalition atompolitisch plant. So ist es also weiter notwendig, dass sich, wer einen wirklichen Atomausstieg will, aktiv einmischt.

Nach der Bundestagwahl stand atompolitisch einiges auf der Kippe: CDU und die Lobbyisten der Stromkonzerne drängten auf längere AKW-Laufzeiten und den Ausbau des Salzstocks in Gorleben zu einem Endlager für hochradioaktiven Atommüll. Die SPD legte sich auf eine Verteidigung des unter Rot-Grün ausgehandelten Atomkonsenses fest, der von AtomkraftgegnerInnen seit Jahren als Etikettenschwindel bezeichnet wird.

Punktgenau zu den Koalitionsverhandlungen über Atompolitik fand am 5. November in Lüneburg die Demonstration "Atomkraft Nein Danke - Erneuerbare Energien Jetzt" statt. Aufgerufen hatte ein Bündnis, das weit über den üblichen Kreis der Anti-Atom-Bewegung hinausging. Dabei waren die großen Umweltverbände, Förderer Erneuerbarer Energien, Gruppen aus der Friedensbewegung und GlobalisierungskritikerInnen. Es kamen 7.000 Menschen, die sich trotz der von der Stadt Lüneburg durchgesetzten Verlegung der Demonstrationsroute in menschenleere Gebiete nicht die gute Laune verderben ließen.

Erfreulich war, dass die Berichterstattung in den Medien die Demonstration sehr deutlich in Zusammenhang mit den Koalitionsverhandlungen gebracht hat. Somit konnte zumindest Einfluss darauf genommen werden, dass es beim - wenn auch unbefriedigenden - Status quo bleibt und sich die CDU, zumindest vorerst, nicht mit ihren Forderungen nach Laufzeitverlängerungen durchgesetzt hat.

Doch damit kann sich die Anti-Atom-Bewegung nicht zufrieden geben. Gelingt es den Stromkonzernen, die bereits angekündigte Übertragung der Laufzeiten von jüngeren auf ältere AKW durchzusetzen, dann wird in den nächsten vier Jahren kein einziger Reaktor vom Netz gehen - auch nicht die Schrottmeiler in Neckarwestheim, Biblis und Brunsbüttel. Genehmigt werden muss diese Übertragung - die durch den rot-grünen Atomkonsens ermöglicht wird - vom neuen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel.

Laufen die AKW weiter, so wächst auch der Atommüllberg, ohne dass es irgendwo ein sicheres Endlager gibt. Gabriel hat nun angekündigt, er wolle das Problem in den nächsten Jahren lösen. Weiter ist der Salzstock Gorleben im Spiel, obwohl der erwiesenermaßen nicht dicht ist. Es gab also Gründe genug, zwei Wochen nach der Demo in Lüneburg auch gegen den diesjährigen Castor-Transport nach Gorleben aktiv zu werden.

Vom hölzernen X am Gartenzaun über der Teilnahme an Kulturveranstaltungen und Demonstrationen bis zur großen Blockadeaktionen war es jeder/m möglich, eigene Ausdrucksformen für Protest und Widerstand zu finden.

Trotz eines großflächigen Versammlungsverbotes und eines Polizeiaufgebots von 16.000 BeamtInnen gelangten wieder Menschen auf die Transportstrecke. Auf der Schiene zwischen Lüneburg und Dannenberg gab es mehrere große Sitzblockaden. In Gusborn auf der Straßenstrecke blockierten mehr als 100 Traktoren eng ineinander verkeilt die Strecke, im Dorf Gorleben, zwei Kilometer von der Zwischenlagerhalle für die Castor-Behälter, blockierten insgesamt über 1.000 Menschen in eisiger Nacht die Straße. Und an insgesamt fünf Punkten der Straßenstrecke zwischen Dannenberg und Gorleben waren dutzende Menschen in Betonblöcken angekettet, einer Block lag einfach so auf der Straße, zwei waren aus präparierten Leichenwägen in geöffnete Kanallöcher abgesenkt worden und zwei waren fest mit alten Traktoren verbunden, die mitten auf der Straße standen.

Die Beharrlichkeit der Menschen aus dem Wendland und ihrer UnterstützerInnen aus Nah und Fern ist hoffentlich vielen ein Vorbild, wenn es in den nächsten Monaten und Jahren darum geht, einen Atomausstieg zu erstreiten, der diesen Namen wirklich verdient. Ob es 2006 einen weiteren Castor-Transport geben wird, ist noch offen. Die Polizei scheut im WM-Jahr den Aufwand.



Der Anti-Atom- und Friedensaktivist Jochen Stay gehört zu den Initiatoren von x-tausendquer.

E-Mail: j.stay@jpberlin.de

Website: www.ausgestrahlt.de
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