FF1/2006


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FF2006-1

 Im Blickpunkt

Bündnistreue statt Völkerrecht

Angriffskriege führen ist nicht strafbar - oder: (Real-)Politik statt Juristerei

Martin Singe

"Wir machen hier Politik und betreiben keine Juristerei" mit solchen bzw. ähnlichen Worten wehrten der damalige Verteidigungsminister Struck und Kanzler Schröder völkerrechtliche Einwände ab, die zu Beginn des Krieges der USA und anderer gegen den Irak erhoben wurden, als die Bundesregierung den Angriffskriegern sämtliche Rechte zur Nutzung des Hoheitsraums der Bundesrepublik zur Verfügung stellte. Obendrein war die Bundesregierung durch Zurverfügungstellung von Bundeswehrsoldaten für AWACS-Einsätze und die Bewachung von US-Militäreinrichtungen in der Bundesrepublik direkt in den Krieg verwickelt.

Nun kam auch noch raus, dass BND-Spezialisten während des Krieges in Bagdad tätig waren, die u.a. auch Zieldaten an die USA weitergegeben haben sollen. Den zur Aufklärung notwendigen Untersuchungsausschuss wussten die GRÜNEN, damals regierungseinbezogen kriegsunterstützend mittätig und mitverantwortlich, geschickt zu verhindern. Der abgedankte Fischer sollte nicht im Nachhinein beschädigt werden. Auch dass mal eben so Bundesbürger nach Afghanistan entführt werden oder BKA-Spezialisten zu Verhören in US-Folterzentren nach Syrien und Guantánamo fliegen, ficht die Regierung nicht weiter an. Drüber Gras wachsen lassen, scheint die Devise zu sein, wo eigentlich Aufklärung dringendste rechtsstaatliche Pflicht wäre.

Angriffskriege führen ohne sie vorzubereiten?!

Nun hat der Generalbundesanwalt in einem Schreiben an die Friedenskooperative noch einen draufgesetzt. Das Netzwerk hatte in Kooperation mit dem Komitee für Grundrechte und Demokratie nach Bekanntwerden der BND-Bagdad-Geschichte erneut Strafanzeige gegen Mitglieder der alten Bundesregierung wegen des Verdachts auf Beihilfe zum Angriffskrieg erstattet. Der geäußerte Verdacht stützte sich auf die neu bekannt gewordenen Tatsachen. Das Antwortschreiben des Generalbundesanwalts vom 16.1.2006 haben wir nachfolgend im Wortlaut dokumentiert. Allen Ernstes wird hier behauptet, dass zwar die Vorbereitung eines Angriffskrieges, nicht jedoch dessen Führung strafbar sei. Der Strafgesetzbuch(StGB)-Paragraph 80 (Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges) ist in enger Anlehnung und in Bezug auf Art. 26 Grundgesetz(GG) (Verbot friedensstörender Handlungen) formuliert worden. Hierzu sagte das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 21.6.2005 (zum Vorwurf der Gehorsamsverweigerung eines Bundeswehr-Majors): "Wenn ein Angriffskrieg jedoch von Verfassungs wegen bereits nicht "vorbereitet` werden darf, so darf er nach dem offenkundigen Zweck der Regelung erst recht nicht geführt oder unterstützt werden."

Das völkerrechtliche Gewaltverbot darf nicht aufgegeben werden!

Nun sind Strafrecht und Völkerrecht allerdings zwei Paar Schuhe. In der Tat ist der § 80 StGB - wegen seinerzeitiger Unstimmigkeiten im damit befassten Rechtsausschuss - bei seiner Einführung 1968 vorläufig enger gefasst worden als dies von Art. 26 GG vorgesehen ist. Der Gesetzgebungsauftrag aus Art. 26 GG ist also bis heute nicht erfüllt. Die Bundesregierung versucht sich jedoch generell vom Verstoß gegen das Völkerrecht im Jugoslawien- und Irak-Krieg freizusprechen, obwohl gemäß Art. 26 GG als auch gemäß Art. 25 GG (Die Regeln des Völkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechts und gehen den Gesetzen vor!) jede Beteiligung an Angriffskriegen als verfassungswidrig verboten ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies noch mal eindeutig herausgestellt. Die einzigen Ausnahmen vom Gewaltverbot der UN-Charta - unabhängig von der friedenspolitischen Bewertung dieser Ausnahmen - bilden der Verteidigungskrieg (ggf. auch von Beistandsbündnissen) oder eine UN-ermächtigte Militärintervention. Gegen diese klare Regelung werden aber von westlichen Regierungen zunehmend Argumente wie folgende vorgetragen: Der Angriffskrieg sei von den UN nicht eindeutig genug bestimmt; das Völkerrecht befinde sich hinsichtlich der Möglichkeit "humanitärer" oder präventiver Interventionen im Fluss; hier sei ein neues Völkergewohnheitsrecht im Entstehen.

Solchen gezielten Völkerrechtsverdunstungen muss ein Riegel vorgeschoben werden. Dazu kann auch das Strafrecht beitragen. Wenn die Gebote des Verfassungsgebers aus Artikel 26 GG nicht hinreichend im Strafrecht umgesetzt wurden, ist dies umgehend vom Gesetzgeber nachzuholen. Dies muss die Friedensbewegung anmahnen. Zugleich ist nach wie vor zu fordern, dass die am völkerrechtswidrigen Irak-Krieg beteiligten Länder vom Internationalen Gerichtshof zur Rechenschaft gezogen werden. "Völkergewohnheitsrecht" in Richtung Ausdehnung von Kriegsrechtfertigungen entsteht, wenn die dem Völkerrecht (noch) verpflichteten Staaten nicht tätig werden und die BürgerInnen in den betroffenen Staaten keine hinreichende Gegenöffentlichkeit durch Aufklärung und Protest schaffen.






  Der General

Antwortschreiben vom 26.01.06

DER GENERALBUNDESANWALT
BEIM BUNDESGERICHTSHOF
Der Generalbundesanwalt, Postfach 27 20, 76014 Karlsruhe

Netzwerk Friedenskooperative
Römerstraße 88
53111 Bremen (gemeint ist Bonn)

Aktenzeichen Bearbeiter/in (0721) Datum
3 ARP 8/06-3 OStA`in b. BGH Schübel 81 91-145 26.01.2006
(bei Antwort bitte angeben)

Betrifft: Ihre Strafanzeige vom 14. Januar 2006 gegen den früheren Bundeskanzler Schröder und andere wegen des Verdachts der Vorbereitung eines Angriffskrieges

Sehr geehrter Herr Stenner,

die nunmehr über die Medien verbreiteten Informationen begründen - unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt - keinen Anfangsverdacht wegen eines Verbrechens der Vorbereitung eines Angriffskrieges. Der Vorwurf geht dahin, der Bundesnachrichtendienst habe den USA während des Irakkrieges mit Wissen der Bundesregierung Informationen für die Erfassung militärischer Ziele geliefert. Dieser Sachverhalt wird von dem Straftatbestand der Vorbereitung eines Angriffskrieges nicht erfasst.

§ 80 Abs. 1 StGB lautet wie folgt:

"Wer einen Angriffskrieg (Artikel 26 Abs. 1 des Grundgesetzes), an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft".

Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist nur die Vorbereitung an einem Angriffskrieg und nicht der Angriffskrieg selbst strafbar, so dass auch die Beteiligung an einem von anderen vorbereiteten Angriffskrieg nicht strafbar ist (Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 80 Rn 13).

Ein Analogieschluss dahingehend, dass dann, wenn schon die Vorbereitung eines Angriffskrieges strafbar ist, dies erst recht für dessen Durchführung gelten müsse, ist im Strafrecht unzulässig (BVerfGE 26, 41, 42; 47,109,121 ff.). Auch kann Art. 26 Abs. 1 GG, der über den Anwendungsbereich des § 80 StGB hinausreicht, nicht zur Auslegung herangezogen werden. Denn Art. 103 Abs. 2 GG verbietet die Anwendung einer Strafvorschrift über ihren eindeutigen Wortlaut hinaus.

Folglich scheidet als möglicher Täter aus, wer sich erst bei oder nach Kriegsausbruch in das kriegerische Unternehmen einschaltet (LK-Laufhütte StGB 11. Aufl. § 80 Rn 7).

Unabhängig davon setzt der Tatbestand - wenn es um kriegsvorbereitende Maßnahmen geht - voraus, dass der Täter die Vorstellung haben muss, die Bundesrepublik Deutschland werde sich als Krieg führende Macht unter Einsatz ihrer Streitkräfte oder in vergleichbar massiver Weise an dem Angriffskrieg beteiligen (Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 80 Rn 7). Davon kann beim Einsatz von zwei Agenten am Kriegsort nicht die Rede sein, zumal es die ureigene Aufgabe des Bundesnachrichtendienstes als deutschem Auslandsnachrichtendienst ist, Auslandsaufklärung zu betreiben. Gerade aus Krisengebieten benötigt die Bundesregierung ein möglichst umfassendes und wirklichkeitsgetreues Lagebild.

Im Auftrag
(Schübel)



Martin Singe ist Sekretär beim Komitee für Grundrechte und Demokratie und Redakteur des FriedensForums.

E-Mail: martin.singe@t-online.de

Website: ##martinsinge@grundrechtekomitee.de##
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