FF1/2006


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FF2006-1

 Im Blickpunkt

Blickpunkt Irankonflikt: Ist die Eskalation noch zu stoppen?

Öl ins Feuer

Mani Stenner

Viele Engagierte in Friedensbewegung und -forschung sind alarmiert, manche prophezeien US-Militärschläge gegen atomare Anlagen und militärische Ziele im Iran bereits für Ende März / Anfang April, evtl. mit atomaren "mini-nukes". Von nahezu allen Beteiligten wird an der Eskalationsschraube gedreht - oft aus innenpolitischen Gründen. Der Konflikt um das iranische Atomprogramm verknüpft sich mit dem Karikaturenstreit und dem Israel/Palästina-Konflikt und viele gießen Öl ins Feuer. Was tun, um weitere Eskalation zu verhindern?

Unsere Kampagnen gegen den drohenden Iran-Krieg klingen notgedrungen ziemlich antiamerikanisch. Glücklicherweise sind viele US-AmerikanerInnen einer Meinung mit uns. Nach allem, was politische Beobachter beurteilen können geht es der US-Administration beim "Atomkonflikt mit Iran" nicht so sehr um die reale Gefahr einer iranischen Atombombe. Selbst wenn ein Teil des iranischen Regimes entgegen den Beteuerungen auf die durch den NPT gedeckte Beschränkung auf "zivile" Urananreicherung zumindest die Option auf die Bombe durch eigene wissenschaftliche und technische Kapazitäten anstrebt: da wäre es noch lang hin. Die mögliche Entwicklung des H5N1-Virus zu einer zwischen Menschen übertragenen Grippe-Pandemie scheint akuter. Nordkorea ist dichter an der Bombe bzw. hat sie nach eigenen Angaben schon. Aber gegen das - anders als Iran - aus dem Nichtverbreitungsvertrag ausgestiegene Land wird zur Zeit kein Bedrohungsszenario aufgebaut. Vielleicht liegt das daran, dass es dort kein Öl gibt?

Die USA ihrerseits machen aus ihren Bestrebungen eines Regimewechsels in Iran und nach machtpolitischer Vorherrschaft in der Öl- und Gasregion Mittlerer Osten kein Geheimnis, geben zig Millionen Dollar für Oppositionsgruppen und das Iran-Programm von Voice of America. Möglich ist, dass unter dem Vorwand "Kampf gegen die iranische Atombombe" die aufstrebende Mittelmacht Iran klein gebombt werden, Aufstände und der Wechsel zu einer pro-westlichen Regierung provoziert werden sollen. Wahrscheinlichen Flächenbrand weit über die Region hinaus inclusive. Die Option für einen solchen politischen und militärischen Wahnsinn macht das Mullah-Regime durch seine unsäglichen verbalen Attacken gegen Israel und die Absage an weitere Verhandlungen mit den EU-3 leichter und wahrscheinlicher. Die von vielen in der islamischen Welt aufrichtig empfundene Empörung über die Mohammed-Karikaturen und die bewusste Schürung dieses Zorns aus innenpolitischen Gründen tun ein Weiteres dazu. Reziprok schütten viele westliche Politiker - und manche Medien - Öl ins Feuer des "Kampfs der Kulturen". Zu befürchten ist, dass rhetorische und politische Eskalation von allen Seiten zu einer Spirale von Drohungen und Gegendrohungen führt, die dann ohne Gesichtsverlust nicht mehr zurückgenommen werden können. So hoffen auch wir ausgerechnet auf die Verhandlungen Putins mit Iran, auf Uran-Anreicherung in Russland, während wir 20 Jahre nach Tschernobyl den Stop der Atomenergie fordern.

Das mit der Wahrheit als erstem Opfer kennen wir ja schon. Die öffentliche Diskussion wird weiter um eine unmittelbare Gefahr durch die Atombombe in Händen der Mullahs und die Bedrohung Israels kreisen. Anders als beim Irak tritt die IAEO wahrscheinlich sogar als Kronzeuge auf - wie auch die EU, die das Scheitern der Verhandlungen Iran anlastet. Aber es kommt dabei auch darauf an, wie die Gesellschaften mitspielen und ob Kriegshandlungen innenpolitisch durchsetzbar sind. Ohne zumindest politische Unterstützung der Europäer - heißt es - werden US-Waffengänge schwerlich stattfinden können. Die EU hat die Verhandlungen mit Iran mit nicht-substantiellen Angeboten an Iran gegen die Wand gefahren und könnte sich jetzt vor den Kriegskarren spannen lassen. Die durch die EU befürwortete Einschaltung des Sicherheitsrats ist ein weiterer Schritt zur Eskalation. Deshalb richten sich viele Aufrufe aus der Friedensbewegung kritisch an die Adresse der EU und an Bundeskanzlerin Merkel, die militärische Optionen gegen Iran nicht grundsätzlich ausschließen mag.

Ein Appell an Kofi Annan zur Einrichtung einer UN-Mediationskommission und eines Moratoriums, ein Aufruf an die Bundesregierung und eine Unterschriftenliste als Petition an den Bundestag finden sich unter www.friedenskooperative.de, ein Musterbrief an Bundestagsabgeordnete unter www.ippnw.de. Bei den zahlreichen Aktionen zum 18. März (Jahrestag Irakkrieg) und zu den Ostermärschen wird der drohende Krieg gegen Iran zentrales Thema sein.

Die Aktionen wenden sich selbstverständlich auch gegen die unsäglichen anti-semitischen Äußerungen des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad und wollen eine Friedenslösung erreichen, die das anerkannte Existenzrecht Israels wie Nichtangriffsgarantieen für alle Staaten der Region einschließt, sowie eine Atomwaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Ostens anstrebt. Die "Kooperation für den Frieden" wird bald ein Dossier mit detaillierten Vorschlägen für politische Lösungen vorlegen.



Manfred Stenner ist Geschäftsführer des Netzwerks Friedenskooperative.

E-Mail: friekoop@bonn.comlink.org
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