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Der Zapfenstreich ist hoheitlich, Bürgerrechte sind es nicht

Polizeirepressionen gegen friedliche Demonstranten in Düsseldorf

Peter Bürger

Ursprünglich wollte die Bundeswehr anlässlich der Verabschiedung der 7. Panzerdivision mitten in der Düsseldorfer Altstadt einen öffentlichen Zapfenstreich bei Nacht abhalten. Nach Protesten aus der Zivilgesellschaft musste sie ins Benrather Schloss wechseln. Am Abend des 13. Juni folgten etwa 150 Menschen einer Einladung des Bündnisses gegen die Soldatenfeier. Der nahe Bahnhof war mit einem großen Polizeiaufgebot umlagert. (Der Polizeipräsident hatte mit sehr viel mehr Demonstranten gerechnet.) Im freundlichen Polizeigespräch konnten bei der Eilanmeldung die Konditionen des Auftakts schnell geklärt werden. Nur über die Demonstrationsroute wollten sich die verantwortlichen Beamten noch mit dem Präsidium verständigen.

Noch vor Beginn der Begrüßung ließ nun die Polizei den Veranstalter plötzlich wissen, sie werde keine Demonstration zulassen. Fast gleichzeitig erfolgte die Einkesselung der gesamten Versammlung. Niemand durfte ohne Personalienaufnahme den Kessel verlassen. Weder Trinkwasserbesorgung noch Toilettengang waren den Einkesselten mehr als zwei Stunden lang - genau bis Ende des Zapfenstreichs - möglich. Provokativ richteten Polizeibeamte Kameras auf die Teilnehmer. Jeder Versuch, mit Hilfe anwesender Anwälte Auflagen zu klären oder die geplante Route zu ändern, stieß auf taube Ohren.

Der offizielle Polizeibericht vom Folgetag bestätigt zu 100 %, dass es beim gesamten gewaltfreien Protest keine einzige Straftat gegeben hat. Im Gegensatz dazu liegen gegen beteiligte Bürger in Uniform mittlerweile 20 Strafanzeigen vor: Freiheitsberaubung, Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit, Nötigung, Einschüchterung und versuchte Kriminalisierung von Bürgern, die ihr Recht auf politische Meinungsäußerung wahrnehmen.

Die nach "örtlichem Ermessen" gefällte Polizeientscheidung ist ausschließlich politisch zu verstehen. Die Menschen am Ort sollten vor dem Kongoeinsatz Reden aus der Friedensbewegung nicht hören und Transparente wie "Deutschland will wieder Kriege führen" oder "KriegsgräberVorsorge" nicht zu sehen bekommen. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und Oberbürgermeister Jürgen Erwin sollten ungestört bei Fackeln, Marschmusik und religiösen Ritualanteilen ihre Sympathie für deutsches Soldatentum demonstrieren können. Das alles ist nach Polizeimitteilung "hoheitlich", die Grundrechte der Kritiker sind es nicht.

Gezielt begeht Ressortminister Franz Josef Jung seit dem Frühjahr seine Tabubrüche, um schrittweise das Protestpotential in der Gesellschaft zu erkunden. Er will die Friedensartikel im Grundgesetz ändern. Die neue Militärdoktrin für Nationalinteressen soll "freien Handelswegen & freien Märkten", Rohstoffen, Energie-Ressourcen und der Abwehr von Flüchtlingen aus armen Ländern gelten. In Medien und Gesellschaft bleibt die Debatte darüber aus. Wenn Menschen sie auf der Straße führen wollen, werden sie einfach festgesetzt.

Die völlig unbegründete Einkesselung einer friedlichen und angemeldeten Versammlung und die Unterbindung jeglichen Protestes in Nähe zu Bürgern und Zapfenstreichritual bedeutet eine Aushebelung des Versammlungsrechtes. Dagegen werden mehrere Teilnehmer auch vor dem Verwaltungsgericht klagen. Dort wird von den angeführten Polizeiargumenten (Fußballtröten, Lautsprecher, Schutz der Durchführung eines "hoheitlichen Aktes") wohl rein gar nichts standhalten.



Peter Bürger, Theologe & Publizist, ist Mitglied bei Pax Christi, Versöhnungsbund und DFG-VK, einer der Sprecher des Ökumenischen Friedensnetzes Düsseldorfer ChristInnen.

E-Mail: peter (at) friedensbilder (Punkt) de

Website: www.ofdc.de
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