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 G8-Protest

Die G8, das internationale Finanzsystem und die Verschuldung des Südens

Philipp Hersel

Heute hört man oft, dass sich die internationalen Finanzmärkte der politischen Kontrolle entzogen hätten. Es gibt aber sehr wohl ein internationales Finanzsystem, dass klare Spielregeln hat und die auch durchgesetzt werden. Zu diesen Spielregeln gehört z.B. die Sicherung des Privateigentums bei grenzüberschreitenden Investitionen und die Durchsetzung der Forderungen von Banken, Regierungen und öffentlichen Institutionen z.B. gegenüber verschuldeten Ländern und Unternehmen im Süden.

Die G8 spielt eine zentrale Rolle bei der Steuerung des internationalen Finanzsystems, weil ihre Mitgliedsländer die wichtigsten Institutionen dieses Systems dominieren. Zu nennen sind hier besonders 1. der Internationale Währungsfonds (IWF), 2. die Weltbank, 3. der Pariser Club, 4. die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und 5. der Baseler Ausschuss für internationale Bankenaufsicht.



G8, IWF und Weltbank

Die 1944 in Bretton-Woods gegründeten Zwillinge IWF und Weltbank
(1) sind sicherlich die bekanntesten internationalen Finanzinstitutionen. Derzeit sind 185 Länder Mitglied von IWF und Weltbank. Während der IWF seine Mitgliedsländer im Fall von Zahlungsproblemen kurzfristig unterstützen soll, ist die Weltbank für die Vergabe langfristiger Entwicklungskredite zuständig. Dennoch vermischen sich die Funktionen der beiden, denn auch der IWF mischt sich langfristig in die Politik seiner Mitgliedsländer ein. Grob gesprochen verteilen sich die Stimmrechte in den beschlussfassenden Gremien der beiden Organisationen entsprechend der internationalen Wirtschaftskraft der Länder. Derzeit halten die G8-Regierungen zusammen 47,3 (IWF) bzw. 45,7 Prozent (Weltbank) der Stimmrechte in den Bretton-Woods-Institutionen (BWI). Das mächtigste Land sind die USA mit ca. 16,5 Prozent, die aufgrund der Sperrminorität von 15 Prozent jede Entscheidung durch Veto verhindern können. Deutschland ist mit ca. 5 Prozent nach den USA und Japan die drittstärkste Kraft in IWF und Weltbank.

Die Entscheidungen von IWF und Weltbank haben weitreichende globale Konsequenzen. Zum einen sind die BWI wichtige Gläubiger der Länder des Südens und verbinden strenge wirtschaftspolitische Auflagen mit ihrer Kreditvergabe. Im Rahmen eines neoliberalen Kanons von Wirtschaftspolitik (Liberalisierung, Haushaltsdisziplin, Inflationsbekämpfung, Privatisierung etc.) spielt insbesondere der Druck zur Öffnung der nationalen Finanzmärkte der Entwicklungs- und Schwellenländer eine wichtige Rolle. Dadurch wurde es ausländischen Banken, Investmentfonds und Kapitalbesitzern in den 1990er Jahren weitgehend uneingeschränkt möglich, in Ländern des Südens Direktinvestitionen zu tätigen, Kredite zu vergeben oder auf den dortigen Aktienmärkten einzusteigen. Die Finanzkrisen z.B. in Mexiko, Südostasien und Argentinien haben die Risiken dieser Öffnung sehr deutlich gemacht. Allein in Indonesien verloren durch die Finanzkrise 10 Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz, die Zahl der absolut Armen verdoppelte sich von 20 auf über 40 Millionen.

Die politischen Grundlinien von IWF und Weltbank werden in den halbjährlichen Hauptversammlungen (Frühjahrs- und Herbsttagung) festgelegt, daneben kontinuierlich in den jeweiligen Vorständen. Um ihre Positionen in IWF und Weltbank auszutauschen und möglichst abzugleichen, treffen sich die Finanzminister der G7 (G8 ohne Russland) seit den 1980er Jahren regelmäßig im Vorfeld der Frühjahrs- und Herbsttagungen. Daneben gibt es noch mindestens ein weiteres G7-Finanzministertreffen zur Vorbereitung der G8-Gipfel. Obwohl Russland 2006 erstmalig die Präsidentschaft der G8 übernommen hat, muss sich noch zeigen, ob Russland auch im Bereich der Finanzpolitik (in allen anderen Themenbereichen ist das bereits vollzogen) vollwertiges Mitglied der G8 wird. Bisher wurden die zentralen Beschlüsse, die in IWF und Weltbank getroffen wurden, zuvor unter den G7-Finanzministern ausgehandelt und danach formell bei den G8-Gipfeln beschlossen.



G8, Pariser Club und das internationale Schuldenmanagement

Ein seit den 1980er Jahren auf G7-(bzw. nach 1998 G8-)Gipfeln immer wiederkehrendes Thema ist die Schuldenkrise der Länder des Südens. Nach dem "Ausbruch" der Krise waren sich die G7-Regierungen einig darin, dass IWF und Weltbank eine zentrale Rolle im Krisenmanagement übernehmen sollten. Der IWF sollte mit den oben schon angesprochenen rigiden Auflagen die Zahlungsfähigkeit wiederherstellen, für die Umsetzung der Auflagen gab es dann im Gegenzug frische Kredite.

In sehr beschränkten Ausnahmefällen gewährten die G7-Länder auch teilweise Schuldenerlasse, zumindest für die ärmsten Schuldnerländer. Dabei ging es aber zunächst nur um Schulden zwischen Regierungen. Diese "bilateralen Schulden" werden im sogenannten Pariser Club der Gläubigerregierungen (19 Mitgliedsregierungen) verhandelt, und die G7-Gipfel sind traditionell der Ort, an denen sich die mächtigsten Gläubiger über die Verhandlungsstrategie und die Erlassbedingungen einigen. Da die G7-Regierungen immer sehr geizig bei der Bemessung von Teilschuldenerlassen für die "ärmsten Staaten" waren, griffen die Entschuldungsbedingungen immer viel zu kurz und mussten regelmäßig nachgebessert werden. Die große Bedeutung der G7 im Pariser Club lässt sich auch daran ablesen, dass die "Entschuldungsstrategien" des Pariser Clubs immer nach den Tagungsorten der G7-Gipfel benannt waren, wo diese Strategien beschlossen wurden: die "Toronto-Bedingungen" von 1988 (Teilschuldenerlass bis 33%, G7-Gipfel in Toronto), die "London-Bedingungen" von 1991 (bis 50%, G7-Gipfel London), die "Neapel-Bedingungen" von 1994 (bis 66%, G7-Gipfel Neapel), die "Lyon-Bedingungen" von 1996 (bis 80%) und letztlich die "Köln-Bedingungen" von 1999 (bis 100%). Wie unschwer zu erkennen ist, ist sogar den G7 im Laufe der Zeit klar geworden, dass sie bestimmte Schulden wohl nicht mehr eintreiben können. Hätten sie von Anfang an einen grundsätzlichen Schuldenerlass gewährt, wären vielleicht einige Länder wieder auf die Füße gekommen. Durch das ewige "zu wenig und zu spät" wurde aber auch diese Möglichkeit zunichte gemacht.

Schon 1999 war den G7 klar, dass sie das Schuldenproblem mit den Köln-Bedingungen nicht in den Griff zu kriegen sind, denn diese beziehen sich ja nur auf die bilateralen Schulden des Pariser Clubs. Daher wurden gleichzeitig nun auch die sogenannten multilateralen Schulden der ärmsten Länder v.a. gegenüber IWF und Weltbank ins Auge gefasst. Mit der ebenfalls beim Kölner (inzwischen) Gipfel pompös abgekündigten HIPC-Entschuldungsinitiative sollten nun auch die bis dahin heiligen multilateralen Schulden zumindest teilweise erlassen werden können. Auch hier ein klarer Fall von machpolitischen Abläufen: der G8-Gipfel machte den "Vorschlag" für die HIPC-Initiative, ein halbes Jahr später wurde die Initiative dann formell von IWF und Weltbank beschlossen. Auch damit nicht genug: die HIPC-Initative griff viel zu kurz und im Juli 2005 rangen sich die G8 bei ihrem Gipfel in Gleneagles einmal mehr einem "Vorschlag" für einen "100% Schuldenerlass" ab, der danach von IWF und Weltbank formell beschlossen wurde. Mit diesem "historischen Schritt" sollten diesmal die Schulden von mindestens 18, maximal ca. 40 Ländern bei IWF, Weltbank und Afrikanischer Entwicklungsbank komplett gestrichen werden. Das klingt nach viel und bedeutet für einzelne Länder auch durchaus erhebliche Summen. Für das Gesamtproblem der Verschuldung der Länder des Südens ist der Beschluss von Gleneagles indes nicht mal von symbolischer Bedeutung: Die Entlastung an Zins und Tilgungen betrug ca. 800 Mio US-Dollar. Bei einem Gesamtschuldendienst der Länder des Südens von ca. 300 Mrd. US-Dollar sind das weniger als 0,3 Prozent Entlastung.



G8, BIZ und Baseler Ausschuss

Es gibt noch eine Reihe weiterer wichtiger Institutionen im internationalen Finanzsystem. Hier ist z.B. noch die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und der Baseler Ausschuss für internationale Bankenaufsicht (Basel Commitee for Banking Supervision-BCBS) zu nennen, der bei der BIZ angesiedelt ist. Die BIZ, schon 1930 gegründet, ist eine zentrale Koordinationsstelle der großen Zentralbanken für währungs- und geldpolitische Fragen. Der BIZ gehören die Zentralbanken von 55 Ländern an, allerdings spielen auch hier vor allem die G7 Staaten die erste Geige. Im 20-köpfigen Vorstand finden sich derzeit neben 15 Vertretern von G7-Zentralbanken (inkl. der Europäischen Zentralbank) noch je ein Vertreter der Schweiz, der Niederlande, Belgiens, Mexikos und Chinas. Sechs Zentralbanken (Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, USA und Belgien, also 5 davon G7-Staaten) haben qua Satzung einen festen Sitz im Vorstand der BIZ.

Bei der BIZ ist auch der Baseler Ausschuss für internationale Bankenaufsicht angesiedelt. Nach mehreren spektakulären Bankenzusammenbrüchen in den 1970er Jahren (z.B. der Herstatt-Bank in der Bundesrepublik) sollte das BCBS verbindliche Regeln für das internationale Bankgeschäft festlegen. Die dabei entstandenen Regelwerke "Akkord von Basel" (gültig sein 1988) und "Akkord von Basel II" (gültig ab 2007) schreiben vor, wie viel Eigenkapital eine Bank zurücklegen muss, wenn sie Kredite vergibt. Auch wenn der Baseler Ausschuss die Spielregeln für das globale Bankengeschäft festlegt, gehören ihm nur 13 nationale Zentralbanken an. Dies sind neben den G7 noch Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Spanien, Schweden und die Schweiz. Dass die G7 sich dabei besonders für die Belange des privaten Bankensektors stark machen, kommt nicht von ungefähr: 19 (gerechnet nach Kernkapital) bzw. 17 (gerechnet nach Bilanzsumme) der 25 größten Banken haben in G7-Ländern ihren Hauptsitz.



Anmerkung



1Genauer gesagt handelt es sich bei der Weltbank um die Weltbank-Gruppe: der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD), der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA), der Internationalen Finanz-Corporation (IFC) und zwei weiteren Organisationen MIGA und ICSID. Kredite werden v.a. von IBRD, IDA und IFC vergeben, und die Entscheidungsstrukturen der drei sind sehr ähnlich.




Philipp Hersel ist Geschäftsführer von BLUE 21 (Berliner Landes AG Umwelt und Entwicklung). Es arbeitet seit vielen Jahren zu Fragen des internat. Finanzsystems und der Verschuldung der Entwicklungsländer.

E-Mail: Philipp (Punkt) Hersel (at) blue21 (Punkt) de

Website: ##d: 030/6946101##
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