FF2007-5


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 Initiativen

Jenseits von Hilflosigkeit und Resignation

Denkanstöße für Konfliktbearbeitung in Nahost

Kathrin Vogler

Der Konflikt um Palästina und Israel stand dieses Jahr im Focus der Diskussionen bei der Vollversammlung der Kooperation für den Frieden am 21. Oktober in Frankfurt/M.

Andreas Buro und Clemens Ronnefeldt stellten dort das neueste Dossier des Monitoring-Projekts vor, das sich mit zivilen Handlungsmöglichkeiten auf allen Ebenen dieses lang andauernden und hoch komplexen Konflikts befasst. Dementsprechend und trotz Verzicht auf umfangreiche historische Erläuterungen hat dieses Dossier erheblich mehr Umfang als die vorhergegangenen zu Irak und Türkei/Kurdistan. Der größere Umfang birgt auch entsprechenden Gehalt. In allen Wortmeldungen der Diskussion gab es große Anerkennung für die Leistung der Arbeitsgruppe um Buro und Ronnefeldt, aus den vielfältigen Ebenen des Konflikts dennoch ein noch immer relativ kurzes und handlungsorientiertes Monitoring-Papier zu kondensieren. Es kann
als A5-Broschüre bestellt werden.

In der Diskussion des Papiers ging es um die Asymmetrie des Konfliktes, um die Frage, wieweit der Konflikt vor Ort oder nur mit internationaler Hilfe lösbar sei, um die unterschiedliche Verantwortung der israelischen und palästinensischen Seite, interne Konflikte der beteiligten Gesellschaften und die Frage nach der Legitimität des Widerstands gegen die Besatzungspolitik. Clemens Ronnefeldt betonte, dass die Besonderheit des Monitoring-Projekts darin bestehe, nicht die zigste Konfliktanalyse vorzulegen, sondern vor allem Raum für die Handlungsoptionen zu schaffen. Deswegen habe man sich auch weniger um Schuldzuweisungen in Form einseitiger Kritik bemüht, sondern um positiv formulierte Forderungen, die von den jeweils Verantwortlichen die notwendigen Veränderungen für einen Friedensprozess einfordern. Auch auf die Einbeziehung der Nachbarländer und ihrer Rolle im Konflikt - bzw. bei einer möglichen Lösung - wurde weitgehend verzichtet, um das Papier nicht zu verwässern.

Auch wenn in der Diskussion deutlich wurde, dass die in der Kooperation vereinten Friedensorganisationen sehr unterschiedliche Akzente in der Nahostpolitik setzen, bzw. schon innerhalb mancher Organisation die Einschätzungen dieses Konfliktes weit auseinander gehen, findet das Dossier nun genau wegen dieser Selbstbeschränkung breite Unterstützung. Zielgruppe der Veröffentlichung ist vor allem die interessierte deutsche Öffentlichkeit, die mit den Möglichkeiten Ziviler Konfliktbearbeitung vertraut gemacht werden soll. Eine besondere Rolle nehmen deswegen auch die Forderungen an die EU und die deutsche Regierung ein, da diese zu den eigenen Handlungsoptionen der Friedensbewegung gehören.

Einen weiteren, deutlich stärker umstrittenen Input zum Thema Handlungsoptionen lieferte Wiltrud Rösch-Metzler von der Nahost-Kommission von Pax Christi, mit dem Vorschlag der BDS-Campaign (Boycott - Divestment - Sanctions) für ein Ende der Besatzung.

Wiltrud Rösch-Metzler stellt anhand eines Readers die Vorschläge aus Palästina und Israel für wirtschaftliche Sanktionen gegen die Besatzungspolitik und israelische Siedlungen in den besetzten Gebieten vor und berichtete von ersten Aktionen in Berlin. Dabei gab es eine Reihe von Bedenken gegen die Übernahme dieser israelischen Kampagne durch deutsche Gruppen, von sehr grundsätzlich politischen bis zu ganz praktischen Bedenken.

Etliche der Anwesenden unterstützten allerdings Forderungen nach einem Lieferstopp für alle Produkte des Militär- und Sicherheitssektors, fanden aber die Ausweitung der Kampagne auf zivile Siedlungsprodukte mehrheitlich wenig sinnvoll. Wiltrud Rösch-Metzler wies darauf hin, dass aber gerade die Forderung nach einem Ende der Rüstungslieferungen innerhalb der Friedensbewegung massiv umstritten sei. Sie selbst hielt aber ebenfalls diese Forderung für den sinnvollsten Ansatzpunkt.

Andere TeilnehmerInnen schlugen vor, etwa über einen eher symbolischen Konsumentenboykott eines bestimmten Produktes oder einer einzelnen Firma, die vorwiegend Produkte der illegalen Siedlungen vertreibt oder auf andere Art an Völker- und Menschenrechtsverletzungen beteiligt ist, eine Sensibilisierung der Bevölkerung für die Rolle von Wirtschaftsunternehmen in diesem Konflikt zu erreichen.

Diese verschiedenen Ansätze, die weitere Diskussion erfordern, sollen zunächst innerhalb des Verbundes von Friedensorganisationen in ihren politischen, juristischen und praktischen Implikationen weiter ausgearbeitet und beraten werden.

Zum Abschluss der Versammlung wählten die Kooperationsmitglieder einen neuen, um eine Person größeren SprecherInnenkreis, der die Kooperation nach außen und innen vertreten soll: Renate Wanie von der Werkstatt für Gewaltfreie Aktion Baden schied aus dem Gremium aus, neu bzw. wiedergewählt wurden Reiner Braun (NaturwissenschaftlerInnen-Initiative), Susanne Grabenhorst (Mönchengladbacher Friedensforum), Mira Lorent (AGDF) und Otmar Steinbicker (Aachener Friedenspreis). Gleichzeitig votierten die Anwesenden für eine bessere Ausstattung der Kooperation durch die Neueinführung von Mitgliedsbeiträgen und verabschiedeten ein Konzept zur Zusammenarbeit mit dem Büro des Netzwerk Friedenskooperative in Bonn.



Kathrin Vogler, Jahrgang 1963, ist Referentin für Pazifismus und Militärkritik beim Bund für Soziale Verteidigung in Minden.

E-Mail: k (Punkt) vogler (at) gmx (Punkt) de
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