FF2008-2


 voriger

 nächster

FF2008-2

 Friedensbewegung International

Friedensfilmpreis für Hana Makhmalbaf Buddha zerfiel vor Scham

Ulla Gorges

"Gerade in diesem Moment, in dem der Friedensfilmpreis diesem Film verliehen wird, gibt es noch so viele Menschen, die nachts hungrig schlafen müssen. Gerade in diesem Moment gibt es viele Intellektuelle, die sich in den Gefängnissen befinden, da die Meinungsfreiheit nicht gegeben ist. Und gerade in diesem Moment gibt es viele Kinder, die wegen Krieg heimatlos werden. Mögen Preise wie dieser behilflich sein, Armut, Gefängnissen und Kriegen eine Ende zu setzen."

Mit diesen Sätzen dankte die junge iranische Regisseurin Hana Makhmalbaf der Initiative Friedensfilmpreis für die Auszeichnung ihres Filmes "Buddha zerfiel vor Scham" mit dem 23. Friedensfilmpreis der Internationalen Berliner Filmfestspiele. Auch wenn die Filmemacherin an der Preisverleihungsveranstaltung am 17. Februar nicht teilnehmen konnte, geriet der Sonntagabend in der Akademie der Künste Berlin mit der Filmvorführung und der anschließenden Diskussion zu einem bewegenden und interessanten Ereignis für die mehr als 600 Anwesenden.

Schauplatz von "Buddha zerfiel vor Scham" ist das Tal von Bamian in Afghanistan. In den steilen Felswänden klaffen die Nischen, aus denen Taliban die berühmten Buddhastatuen herausgesprengt hatten. In diesen Felsen leben Dorfbewohner in Wohnhöhlen, unter ihnen auch die kleine Bakhtay und der Nachbarsjunge Abbas. Ihre resoluten, überarbeiteten Mütter müssen sich und die Kinder allein durchbringen - Väter treten nicht in Erscheinung. Abbas ist stolz, er geht schon zur Schule. Aus der Schule bringt er Geschichten mit. Bakhtay liebt Geschichten, sie will auch zur Schule gehen. Die Mutter würde ihre Zustimmung nicht geben, sie braucht Bakhtay daheim zur Beaufsichtigung des kleinen Bruders, also will sich das Mädchen ohne Wissen der Mutter auf den Weg machen. Aber für den Schulbesuch braucht sie ein Heft und einen Stift, also gilt es zunächst, auf dem Markt Eier gegen Brot zu tauschen und dann Brot gegen ein paar Geldscheine, genug für das Schulheft. Zum Schreiben soll der Lippenstift der Mutter dienen. Aber aus der nahe gelegenen Schule, in die sie Abbas begleitet, wird sie verscheucht, diese ist nur für Jungen. Mädchen müssen zur weit entfernten Schule auf der anderen Seite des Flusses.

Der jahrzehntelange Krieg, der dieses Land heimsucht, wird vor allem dargestellt im Verhalten einer Jungenbande, die Bakhtay und Abbas ständig auflauert und überfällt. Mal sind die Jungen "Amerikanos", die den wehrlosen Abbas in ein Schlammloch zwingen, mal schreien sie "Wir sind die Taliban", zefleddern Baktays Schulheft und drohen damit, sie einzugraben und zu steinigen, weil sie einen Lippenstift bei sich hat. Auf dem Rückweg vom missglückten Schulbesuch - Bakhtay wird auch aus der Mädchenschule verwiesen, sie ist zu jung - wird sie wieder Opfer der Bande. Diesmal gelingt es ihr nicht, der bedrohlichen Situation auszuweichen - sie muss sich der Übermacht beugen und nachgeben: "Stirb, dann bist Du frei". Ihre Sehnsucht nach Lernen und nach lustigen Geschichten wird auf dem Dreschplatz des Dorfes erstickt.

Dr. Nicola Kaatsch, Kinderärztin in Hamburg, machte in der Podiumsdiskussion nach der Vorführung darauf aufmerksam, dass doch diese herumlungernden Bandenmitglieder eigentlich auch in die Schule gehören, anstatt Krieg zu spielen und die Kleinen zu quälen. Aber es gibt nicht genügend Schulen und wohl auch vielerorts keine Eltern, die ihre Kinder zum Schulbesuch anhalten. Und vor allem gibt keinen Frieden - die Kinder spielen was sie kennen: Krieg. An der Diskussion nahm auch die Botschafterin Afghanistans in Deutschland teil, Professor Maliha Zulfacar. Sie war besorgt, dass der Film in Deutschland dazu beitragen könnte, das militärische Engagement in ihrem Land infrage zu stellen. Diese Sorge ist berechtigt.

Die Initiative Friedensfilmpreis: "Einen Tag vor Berlinale-Beginn wurde seitens der Bundesregierung die Entsendung von Kampftruppen nach Afghanistan beschlossen. Wenige Tage später folgte eine Debatte um eine weitere Aufstockung der deutschen Truppen und die Ausdehnung des Aktionsbereichs gen Westen. Heute verleihen wir einem Film den Friedensfilmpreis, der in Afghanistan spielt und zeigt, wie Krieg auf Kinder wirkt. Damit diese Kinder in wenigen Monaten oder Jahren nicht auch "Deutsche" spielen müssen, muss sich der Schwerpunkt aktueller deutscher Politik wieder ändern: Die zivilen Strukturen der Gesellschaft müssen gestärkt und wieder hergestellt werden. Auch dazu ruft dieser Film auf."

Ebenfalls am Tag der Preisverleihung erschien in der Süddeutschen Zeitung ein Artikel über den Fall des afghanischen Studenten Sayid Pervez Kambaksch, der in Masar-i-Scharif, wo deutsche Truppen für Aufbau und Rechtsstaatlichkeit sorgen sollen, in der Todeszelle saß. Er hatte einen Artikel über Frauenrechte im Islam unter Kommilitonen verteilt.

"(Karsai) hat die Hoffnungen, dass er das Land nach Jahrzehnten des Terrors und der Gewalt zu einem liberalen Gemeinwesen führen könnte, enttäuscht. (...). Wir müssen uns fragen, ob der Einsatz unserer Truppen in Afghanistan wirklich dem Aufbau einer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft dient, oder ob wir ein Schergenregime unterstützen, das diese Werte mit den Füßen tritt."



Ulla Gorges ist Mitarbeiter der IPPNW in Berlin und betreut dort das Projekt "Friedensfilmpreis".

E-Mail: kontakt (at) ippnw (Punkt) de

Website: www.ippnw.de
 voriger

 nächster




       


Bereich:

FriedensForum
Die anderen Bereiche der Netzwerk-Website
        
Netzwerk  Themen   Termine   AktuellesHome