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 Im Blickpunkt

Kaukasuskrieg: Keine Guten nirgendwo

Neuer Kalter Krieg?

Mani Stenner

Weitgehend ratlos reagierten die westlichen Staaten auf die brutalen Entwicklungen im zum Krieg eskalierten Dauerkonflikt zwischen Georgien und Russland. Die Bevölkerung in Südossetien und Georgien ist Opfer eines Machtspiels um Öltransfer für Europa, NATO-Beitritts-Spekulation Georgiens und Großmacht-Demonstration Russlands. Auch die Machthaber in Abchasien nutzen die Gunst der Stunde, um ihre Unabhängigkeit von Georgien unter russischem Schutz faktisch durchzusetzen. In der NATO werden schrille Töne gegen Moskau laut.

Auch die Friedensbewegung hat bei der komplexen Gemenelage hauptsächlich wirtschaftlicher Interessen keine einfachen Parolen anzubieten. Es gibt in diesem Konflikt keine "gute" Seite, auf die man sich schlagen könnte. Alle dort machtpolitisch agierenden Akteure haben die in der Region lebenden Menschen in Geiselhaft genommen. Das "kleine" und jetzt militärisch unterlegene Georgien hat unverantwortlich aggressiv gehandelt. Der Hasardeur Saakaschwili hatte offenbar beim Angriff auf Südossetien bereits die gebündelte militärische Macht der USA hinter sich gewähnt. Eine Horrorvorstellung, wenn Georgien schon in der NATO wäre.

Das Netzwerk Friedenskooperative hat sehr schnell einen Waffenstillstand auch von russischer Seite gefordert und die Fortsetzung der Kämpfe als Rachemaßnahmen ein Verbrechen genannt. Und ja, auch wenn die NATO das Gleiche sagt: Die Fortsetzung der Besetzung weiter Teile Georgiens verstößt gegen internationales Recht.

Die NATO und besonders die USA haben allerdings fleißig mitgezündelt. Georgien wurde aufgerüstet und sein Militär geschult, Eliteeinheiten mit US-Transportflugzeugen aus dem Irakeinsatz zum Krieg heimgeflogen. Die Bundesregierung rätselt noch, wie denn die Heckler&Koch-Gewehre in die georgische Armee gekommen sein mögen. Die Bemühungen für einen NATO-Beitritt Georgiens haben konfliktverschärfend gewirkt.

Die Bundesregierung, die sich immerhin einem schnellen NATO-Beitritt Georgiens widersetzt hatte, gehört in der Kakophonie der teils schrill gegen Russland wetternden Stimmen in NATO und EU zu den Gemäßigten, die den Dialog mit Russland für weiterhin nötig halten. Kein Wunder, sie hat ja auch größere wirtschaftliche Interessen, nicht nur in Sachen Ostsee-Pipeline. Aber sie könnte mehr tun. Sowohl in der offenen Ansprache und Mäßigung Russlands wie auch, um den osteuropäischen Partnern vom Baltikum bis zum Balkan die nationalistischen Konfrontationsneigungen gegen ihren früheren "großen Bruder" auszureden. Diese wären friedenspolitisch weit konstruktiver in einer Brückenfunktion zu Russland. Das gilt auch für den versäumten Einfluss auf Georgien. Ein Ausgleich berechtigter Interessen in einem lange bestehendem Regionalkonflikt hätte anders ausgesehen als das jetzige Ergebnis. Eine weitgehende Autonomie Südossetiens und Abchasiens innerhalb der Grenzen Georgiens war wünschenswerte und realistische Verhandlungssache. Durch den Angriff und die vielen Kriegsopfer hat nun der gesamte Kaukasus eine neue Hypothek von Leid und Hass. Die OSZE (und ihre Aufwertung) wäre der richtige Rahmen für die Suche nach Konfliktlösungen.

Für die Strippenzieher im Hintergrund geht es um geopolitische Machtkonstellationen und z.B. um von Russland unabhängige Transportwege für Öl und Gas nach Westen. Das Risiko der Machtspiele tragen die Menschen der Region. Mit der Osterweiterung spielt die NATO mit dem Feuer und riskiert wie zu Zeiten des Kalten Krieges eine direkte militärische Konfrontation.



Neuer Kalter Krieg?

Manche Auguren prophezeien jetzt einen neuen kalten Krieg "des Westens" mit Russland. Die Ausweitung der NATO an die Grenzen des russischen Kernlandes und die bilateral von den USA mit Polen und Tschechien vereinbarte Stationierung eines Teils des interkontinentalen Raketenschirms (angeblich wegen der iranischen Bedrohung) sowie direkt Russland betreffende Patriot-Stellungen und weitere Militärhilfe müssen bei militär- und machtpolitisch orientierten Regierungen zwangsläufig Gegenmaßnahmen provozieren.

Ohne damit an der Seite der brutal agierenden russischen Autokraten zu sein, ist zu hoffen, dass sich die Pläne zur Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die NATO faktisch erledigt haben. Zudem steht die Legitimität der NATO spätestens nach Wegfall des Warschauer Paktes schon lange zur Disposition.

Da der Konflikt im Hintergrund um die Versorgungswege mit Öl nach Europa geht sei daran erinnert, dass Kriege und Konflikte um fossile Energien generell nur bei einer entschiedenenen Umkehr zu regenerativen Energien und Energiesparmaßnahmen zu vermeiden sind.



Manfred Stenner ist Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative.
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