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 No to NATO - No to War!

US-Afrika-Kommando: Freiwillige Besatzung in Stuttgart

Odilo Metzler

Stuttgart wurde zur Drehscheibe für US-Militäreinsätze in Afrika ausgebaut: zur Sicherung der Rohstoffwege und im "Kampf gegen den Terror". Offenbar sind auch private Sicherheitsfirmen im Einsatz. Die rechtliche Grundlage des neu aufgebauten AFRICOM ist für die Bundesregierung eine freiwillige besatzungsrechtlich "begrenzte Souveränität" Deutschlands.



Das Waldgebiet, in dem das neue US-Militärkommando über Afrika (AFRICOM) seinen Ort gefunden hat, ist bei Joggern, Walkern und Reitern beliebt. Es liegt sieben Kilometer südlich des Stuttgarter Stadtzentrums zwischen den Stadtbezirken Möhringen und Plieningen. In unmittelbarer Nähe zu den Kelley-Barracks liegen zwei Waldheime, die ehemalige Daimler-Zentrale sowie ein Hochhaus-Stadtgebiet und landwirtschaftliche Versuchsfelder der Universität Hohenheim. William E. "Kip" Ward, der Kommandant des Hauptquartiers, macht auch mal den Fassanstich auf einem der umliegenden Stadtteilfeste. Hinter dieser schwäbischen Idylle liegt einer der bedeutendsten weltweiten US-Militärstandorte. Denn nach dem European Command (EUCOM) in Stuttgart-Vaihingen beherbergt die baden-württembergische Hauptstadt bereits die zweite von sechs weltweiten Kriegseinsatzzentralen. Dabei ging die Eröffnung des neuen Kommandos am 30. September 2008 fast in den Turbulenzen auf den US-Finanzmärkten unter. Etwa 1300 Menschen, zur Hälfte Militärs und Zivilisten, sind derzeit im AFRICOM beschäftigt.

Mit den anderen Regionalkommandos NORTHCOM (Nordamerika), SOUTHCOM (Mittel- und Südamerika), EUCOM (Europa und Russland), CENTCOM (Naher und mittlerer Osten, Afghanistan, Pakistan und das postsowjetische Zentralasien) sowie PACOM (Pazifik, Indischer Ozean, China) haben die US-Streitkräfte weltweit ihre potentiellen Einflusszonen abgesteckt. Das AFRICOM wurde gebündelt aus bisherigen Zuständigkeiten des EUCOM und des CENTCOM, das weiterhin für Ägypten zuständig ist.



Nein der Afrikaner zum AFRICOM

Stuttgart war nur als Übergangsstandort vorgesehen. Ziel war, das AFRICOM in Afrika anzusiedeln. Doch bis auf Liberia weigerten sich die Staaten in Afrika, das US-Kommando aufzunehmen. Noch vor einem Jahr war US-Präsident Bush bei einer Afrika-Reise mit dem Versuch gescheitert, einen afrikanischen Standort für das AFRICOM zu finden. Der massive afrikanische Widerstand rührte aus der Befürchtung, dass sich die USA durch eine Militärpräsenz afrikanische Ölvorkommen und andere Rohstoffe sichern wollten oder dass aus dem AFRICOM ein Anti-Terror-Kommando und sie dann selbst Ziel von Terrorangriffen würden. Nigerias Präsident Yar`Adua machte der US-Regierung deutlich, dass sie die Afrikanische Union (AU) mit ihren 53 Mitgliedsstaaten bei ihren Aufgaben der Friedenssicherung mit Ausrüstung und Geld unterstützen könnten. US-Soldaten brauche Afrika nicht.

Die USA selbst wollen sich den Zugriff auf Afrika sichern, zumal die Konkurrenz um Einflusssphären und die Sicherung der reichen Bodenschätze und des Öls vor allem mit China immer erbitterter wird. Ein riesiger US-Stützpunkt im westafrikanischen Inselstaat Sao Tome und Principe sollte Heimathafen eines Flottenverbandes werden, um den Golf von Guinea und damit die Erdölausfuhr aus der Region, vor allem aus Nigeria, zu kontrollieren. Aus diesem Raum kommen heute schon 17 Prozent des von den USA eingeführten Erdöls, mehr als von der arabischen Halbinsel. Inzwischen setzen die USA auf "Verwaltungsbüros" ("administrative offices"), so Bush, die Stützpunkte für schnelle Eingreiftruppen bilden sollen.

Das AFRICOM soll dabei die integrierte Befehls- und Koordinationsstelle für alle militärischen und zivilen Projekte der USA in Afrika sein. Es soll Auskunft geben über die innere Sicherheit in einzelnen Ländern oder potenzielle Einsatzgebiete eines mobilen US-Afrikakorps. Es soll Hilfsaktionen bei Naturkatastrophen oder Epidemien koordinieren, die Bekämpfung des HIV-Virus und des Hungers bis zum Aufbau öffentlicher Verwaltungen.

US-Hilfsorganisationen fürchten, Bedingungen zu unterliegen, über die allein die Administration in Washington entscheidet. Ein Beispiel dafür ist die auf Afrika gemünzte Gesundheitsversorgung, wo die aus öffentlichen Geldern über USAID geförderten NROs nur von der US-Regierung "zugelassene" Medikamente verwenden dürfen.

Es geht um eine möglichst effektive Kontrolle des Kontinents durch wirtschaftliche, politische und militärische Präsenz.

Rechtlich ist das AFRICOM problematisch, da es sich um ein nationales US-Kommando auf deutschem Boden handelt. Es untersteht nicht der NATO. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer schrieb an Außenminister Steinmeier, der Verweis des Ministeriums auf Besatzungsrecht aus dem Jahr 1954 sei "in hohem Maße rechtsfehlerhaft und unvereinbar mit den Interessen unseres Landes. Das Auswärtige Amt müsste wissen, dass nach der Wiedervereinigung Deutschlands der Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in neuen Verträgen geregelt worden ist und damit alle besatzungsrechtlichen Beziehungen abgelöst worden sind."



Krieg von deutschem Boden aus

Die Bundesregierung hat nach einem Bericht der "Leipziger Volkszeitung" bestätigt, dass sie der US-Armee die Tätigkeit zweier privatwirtschaftlicher Dienstleistungsunternehmen ohne derzeit geklärten Rechtsstatus gestattet hat. Bei den Dienstleistern handelt es sich um private Sicherheitsdienste im Rahmen des AFRICOM. Die privaten Sicherheitsdienste haben nach US-Auffassung das Recht zur drakonischen Verhörsituation, die andernorts, auch nach bundesdeutschem Recht, als Folter gebrandmarkt ist.

"Unser Land nimmt billigend in Kauf, dass von deutschem Boden rein nationale amerikanische Politik mit kriegerischen Mitteln auf dem afrikanischen Kontinent umgesetzt wird. Wir schützen die nationalen US-Hauptquartiere auf deutschem Territorium auch noch durch unsere Bundeswehr und unsere Polizei ... Wenn man daran denkt, was von dem US-Teil des Stuttgarter Flughafens, der sich umfassend deutscher Kontrolle entzieht, alles weltweit unternommen wird, kann man nur entsetzt sein", ist Wimmers Fazit an Steinmeier.





Odilo Metzler ist Vorsitzender von pax christi in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Mitglied des Präsidiums der deutschen pax christi.

E-Mail: ometzler (at) oehg (Punkt) de
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