FF2009-3


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 Hintergrund

Europa größter Rüstungsexporteur

Fabian Sieber

Das schwedische Friedensforschungsinstitut SIPRI veröffentlichte eine neue Hochrechnung über den weltweiten Rüstungsmarkt bis zum Jahr 2008. Ermöglicht wird dadurch ein Vergleich über die beiden Zeiträume 1999-2003 und 2004-2008. Diesem Bericht zufolge hat Deutschland den Export von Großwaffen zwischen 2004 bis 2008 um 70 Prozent gegenüber den fünf Jahren von 1999 bis 2003 gesteigert. Damit belegt Deutschland als größter Waffenexporteur der EU nach den USA (Weltmarktanteil 31 %) und Russland (21 %) mit 10 Prozent Rang 3 in der Weltrangliste. Im Jahr 2008 übertreffen die deutschen Rüstungsexporte sogar jene von Frankreich und Großbritannien zusammen. Die Hälfte des Rüstungsexportwerts der letzten zehn Jahre kam durch Kriegsschiffe, vor allem U-Boote zustande, ein Viertel durch den Export von Kampf- und Schützenpanzern. Hauptabnehmer waren die Türkei, Griechenland, Australien, Südafrika und Südkorea.

Es mag zynisch klingen, aber die Erkenntnis, dass Deutschland seinen Anteil am weltweiten Rüstungsmarkt in dieser Zeit von 7% auf 10% erhöht hat und dass dadurch seine Gesamtrüstungsexporte um 70% gestiegen sind, überrascht wenig. Diese Zahlen sind bereits durch die jährlich publizierten Rüstungsexportberichte der Bundesregierung bekannt. Schockierend sind allerdings die Ergebnisse der Vergleichsmöglichkeiten, die die Studie bietet: Mit Hilfe des von SIPRI aufbereiteten Materials wird es möglich, den Anteil verschiedener Wirtschaftsräume am weltweiten Rüstungsmarkt zu bestimmen, die spezifische Abhängigkeit der Import- von den Exportregionen nachzuvollziehen und die Verlagerungen im Bereich der Nachfrage nach Waffen zu verfolgen.

So scheint der Europäische Wirtschaftsraum in Gestalt der EU-Mitgliedsländer Deutschland (10%), Frankreich (8%), Großbritannien (4%), den Niederlanden (3%), Spanien (2%), Italien (2%) und Schweden (2%) im Zeitraum von 2004-2008 für rund 31% der weltweiten Rüstungsexporte verantwortlich zu sein. Die Erkenntnis, dass Deutschland weltweit der drittgrößte Exporteur von Waffen aller Art ist, wird also noch dadurch übertroffen, dass der Europäische Wirtschaftsraum noch vor den USA der aktivste Wirtschaftsraum in Bezug auf Rüstungsexporte ist.

Auch im Rüstungsmarkt schlägt sich demnach die wirtschaftliche Dominanz der (westlichen) Industrieländer nieder. Die Vereinigten Arabischen Emirate etwa, die in den vergangenen Jahren zu einem der Hauptimporteure von Rüstungsgütern aufgestiegen sind, decken ihren Bedarf fast vollständig durch die drei Lieferanten USA (54%), Frankreich (43%) und Deutschland (1%). Südkorea, ebenfalls einer der weltweit führenden Rüstungsimporteure, kauft gleichfalls vor allem bei diesen Lieferanten ein: USA - 73%, Deutschland - 12%, Frankreich - 9%. Russland dagegen ist Hauptlieferant von sowohl China (92%) als auch Indien (71%). Interessant ist, dass die Prozentzahlen in den beiden untersuchten Zeiträumen zwar geringfügigen Schwankungen unterlagen, sich an den Hauptlieferanten für die jeweiligen Kunden aber nichts geändert hat. Dies erklärt sich durch die Langlebigkeit moderner Waffensysteme und die Notwendigkeit, die Interoperabilität der einzelnen Systeme untereinander sicherzustellen. - Wer einmal ein bestimmtes System eingeführt hat, ist im Folgenden auf eine weiterführende technische Unterstützung angewiesen, was in der Konsequenz zu einer jahrzehntelangen, rüstungstechnischen Abhängigkeit der Empfängerländer führt.

Problematisch erscheint die Konfliktregion des Nahen Ostens. Seit Beginn des "Kriegs gegen den Terror" sind die Rüstungsimporte aus dieser Region um 38% im Vergleich zum Vergleichszeitraum gestiegen. Besorgniserregend ist die Dimension, die mittlerweile der Verteidigungshaushalt der Vereinigten Arabischen Emirate erreicht hat. Nicht weniger schwierig erscheinen jedoch die Rüstungsimporte des Irak, der im weltweiten Rüstungsranking immerhin Platz 28 unter den wichtigsten Waffen-Importeuren einnimmt.

Angesichts dieser Zahlen stellt sich gar nicht so sehr die Frage, ob die Welt vor einem neuen Rüstungswettlauf steht. Erschreckend ist nicht die mögliche Zukunft, sondern die reale Gegenwart, die weniger durch visionäre Politiker geprägt zu werden scheint, die das Ziel einer gerechten und friedlichen Welt im Blick haben, als durch machtpolitische Bestrebungen. Die Zeit zu handeln ist jedoch jetzt.





Fabian Sieber ist Herausgeber des DAKS-Kleinwaffen-Newsletter und Vorstandsmitglied des RüstungsInformationsbüro, Freiburg. Dieser Text wurde einer Erklärung von pax christi entnommen.

E-Mail: sipri (at) sipri (Punkt) org

Website: www.sipri.org
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