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 Krisen und Kriege

Gaza in Trümmern - Umwelt als Kriegsopfer

Erin Cunningham

Gaza-Stadt, 11. Mai (IPS) - Im Gazastreifen hat die israelische Militäroffensive auch ökologisch ein Desaster angerichtet. Die Natur liegt danieder, in den Trümmern lauert Asbest. Zudem sind die Klärwerke sind zerbombt, und die Abwässer ergießen sich ungereinigt ins Mittelmeer. Schon vor der `Operation Gegossenes Blei` war der Gazastreifen weit davon entfernt, ein umweltpolitisches Musterland zu sein. Jetzt ist er ein Katastrophengebiet.

Während der Offensive vom 27. Dezember bis 18. Januar nahm die israelische Armee in nur drei Wochen die gesamte Infrastruktur auseinander. Das galt für Wohnhäuser ebenso wie für Geschäfte, Fabriken, Stromleitungen, Abwasserkanäle und Kläranlagen. Dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zufolge wurden die Böden verseucht und gefährliche Schadstoffe zurückgelassen. Das UNDP will nun Experten schicken, um die schlimmsten Gefahrenquellen zu beseitigen.

Bereits vor dem Ausbruch des letzten Krieges hatten die Menschen im Gazastreifen unter Sanktionen gelitten. In den riesigen Flüchtlingslagern fehlte es an einer ordentlich funktionierenden Kanalisation. Selbst dort, wo Abwasser geklärt wurde, hingen die Anlagen von streng rationiertem Strom ab. Als Israel und Ägypten dann ihre 18-monatige Blockade verhängten, wurden ausschließlich "essenzielle" Güter nach Gaza vorgelassen. Da Reparaturmaterialien nicht in diese Kategorie fielen, konnten die Kläranlagen kaum in Stand gehalten werden und verfielen.

Nur zehn Tage vor Beginn der Operation Gegossenes Blei hatten die Vereinten Nationen festgestellt, dass mindestens 80 Prozent des Trinkwassers im Gazastreifen nicht den Standards der Weltgesundheitsorganisation genügen. "Dringend notwendige Wartungsarbeiten werden durch fehlende Rohre, Ersatzteile und Baustoffe verhindert", hieß es. "Der daraus resultierende Verfall der Anlagen stellt eine große Gefahr für die öffentliche Gesundheit dar."



Felder ohne Wasser, Mittelmeer verseucht

Im Zuge der Einfuhrblockade konnte mindestens 70 Prozent des Agrarlandes nicht bewässert werden. Gleichzeitig gelangten rund 70 Millionen Liter Kloake täglich ungeklärt ins Meer. Selbst die Müllabfuhr kommt nur unregelmäßig - wenn überhaupt.

Da die israelische Armee die ohnehin nur notdürftig in Stand gehaltenen Wasseraufbereitungs- und Kläranlagen zerstört hat, sind in einigen der am dichtesten bevölkerten Teilen des Territoriums Abwässer ins Trinkwasser gelangt. So ergoss sich nach Panzerbeschuss die Kloake aus dem größten Klärwerk im Stadtteil Sheikh Aljeen von Gaza-Stadt in Wohngebiete, landwirtschaftliche Betriebe und ins Meer.

Hinzu kommen Chemikalien, die aus zerschossenen Fabriken austreten. Einem Sprecher des UN-Umweltprogramms (UNEP) zufolge enthalten viele der Trümmerhaufen, die im ganzen Gazastreifen liegen, "möglicherweise Giftstoffe wie Asbest". Asbest ist als Baustoff in der Region weit verbreitet und gilt bei Kontakt als krebsauslösend.



Belastung auf Jahre hinaus

Die Palästinenser selbst gehen davon aus, dass 5.000 Wohnhäuser und 20.000 sonstige Gebäude zerstört wurden. Rund 600.000 Tonnen Schutt müssten noch beseitigt werden, viel davon wurde von israelischen Panzern tief in den Boden eingegraben.

Das Erdreich wird darüber hinaus durch weißen Phosphor belastet, das in israelischen Brandbomben auf den Gaza-Streifen niederging. Der Giftstoff zerfällt nur langsam und kann über landwirtschaftliche Erzeugnisse und Speisefisch noch nach Jahren in die Nahrungskette gelangen. Untersuchungen der Technischen Yildiz-Universität in Istanbul wiesen noch im Februar weißen Phosphor in Bodenproben aus dem Gazastreifen nach.

Die Genesung des Gazastreifens hängt nicht zuletzt von einer stabilen Umwelt ab. "Solange die Grenzen geschlossen bleiben, ist kein wirklicher ökologischer Fortschritt möglich", warnt Sameera Rifai, die im Auftrag der Weltnaturschutzunion (IUCN) in den besetzten Gebieten tätig ist. "Wenn wir wollen, dass sich der Gazastreifen entwickelt und seine natürlichen Ressourcen erhält, muss die Blockade beendet werden."

Links: http://www.ifej.org, http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=46709





Dieser Beitrag ist Teil einer Serie von IPS und der `International Federation of Environmental Journalists` (IFEJ) zum Thema nachhaltige Entwicklung.

Website: www.ifej.org
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