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 Initiativen

Bundeswehrpatenschaften mit Städten und Gemeinden

Marek Voigt

Alljährlich wird gegen das Sommerbiwak der 1. Panzerdivision in Hannover protestiert. Es ist der prominenteste Ausdruck einer Patenschaft zwischen der Bundeswehr und einer Kommune. Doch es gibt viele weitere: Bundesweit bestehen etwa 700 Patenschaften von Bundeswehreinheiten mit Städten, Landkreisen, Gemeinden und Bundesländern. Für die Bundeswehr ist das vor allem kostengünstige Imagewerbung auf der lokalen Ebene. Bisher steht dieses Instrument der Öffentlichkeitsarbeit des Militärs noch kaum im Fokus der Friedensbewegung.

Zweck dieser Patenschaften ist es, "das Verständnis der Bürger für die Bundeswehr als Instrument einer wehrhaften Demokratie zur Friedenssicherung" zu fördern und "die Öffentlichkeitsarbeit in Verteidigungsfragen durch das lebendige Beispiel der Truppe" zu ergänzen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor
(1). So soll die "Integration der Einheiten und Verbände in ihre lokale Umwelt" und das "Verständnis der Bürger für die Belastungen aus dem Truppenalltag" erhöht werden (2). Die Ablehnung der bundesdeutschen Kriegspolitik durch die Bevölkerung spielt in den Patenschaften natürlich keine Rolle. Für diese Form der Militärpropaganda muss die Bundesregierung noch nicht einmal viel Geld ausgeben: 2010 stellt sie dafür nur 84.000 Euro bereit, gerade einmal 120 Euro pro Patenschaft.

Bei den beteiligten Kommunen handelt es sich ganz überwiegend um kleinere Gemeinden im ländlichen Raum in der unmittelbaren Umgebung der Bundeswehrstandorte. Aus Sicht der Kommunen erfüllen die Patenschaften verschiedene Funktionen. Gerade für kleine Städte und Gemeinden in strukturschwachen Regionen stellt der jeweilige Bundeswehrstandort einen wichtigen Wirtschaftsfaktor dar. Die Kommunen versuchen, dafür zu sorgen, dass die Bundeswehr ein angenehmes Klima vorfindet, denn bei Standortentscheidungen spielt unter anderem die Akzeptanz der Bundeswehr in der lokalen Bevölkerung eine Rolle. Die Patenschaft zwischen der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover und der 1. Panzerdivision war 1983 als Zeichen der Dankbarkeit für den Einsatz der Bundeswehr bei der Hochwasserbekämpfung übernommen worden. Im Berliner Stadtbezirk Reinickendorf war es eine besonders militärfreundlich orientierte Mehrheit in der Bezirksverwaltung, die die Patenschaft aufnahm und sich inzwischen als beispielgebend für andere Berliner Stadtbezirke sieht
(3).

Vor Ort zeigen sich diese Patenschaften vor allem in gemeinsamen Veranstaltungen. Daneben werden Bundeswehrsoldaten auch beim Auf- und Abbau von Veranstaltungen der Kommune oder in der Landschaftspflege eingesetzt. Der Berliner Stadtbezirk Reinickendorf behauptet zum Beispiel, dass viele seiner Veranstaltungen "ohne die Unterstützung der Bundeswehr überhaupt nicht leistbar" wären (s. FN 3). Dabei sind solche Unterstützungsleistungen nach Auskunft des Verteidigungsministeriums nicht Teil der Patenschaft und nur in Einzelfällen gegen Kostenerstattung möglich, wenn es keine Konkurrenz zu örtlichen Unternehmen gibt (s. FN 1).

Dass es bei diesen Patenschaften keinesfalls nur um allgemeine Akzeptanzwerbung für die Bundeswehr geht, zeigt ein öffentliches Verabschiedungszeremoniell auf dem Rathausplatz in Sigmaringen im Mai diesen Jahres. Dort wurden in Anwesenheit des Bürgermeisters der Patengemeinde Gammertingen 89 Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätze, vor allem nach Afghanistan, verabschiedet. Das Amtsblatt der Stadt Gammertingen betont im Bericht über die Veranstaltung, "wie wichtig ein persönlicher Rückhalt der Soldatinnen und Soldaten für ihre nicht einfache Auslandstätigkeit in der Bevölkerung ist"
(4).

Die Patenschaften könnten ein Ansatzpunkt sein, die Kritik am Afghanistankrieg in die lokale Öffentlichkeit zu tragen. Vorausgesetzt, vor Ort gibt es die entsprechenden Mehrheiten, können diese Patenschaften von den Kommunen jederzeit aufgelöst werden. Das hat die Bundesregierung noch einmal offiziell bestätigt. Die Patenschaften bieten die Möglichkeit, lokale und globale Politik zu verknüpfen. Das Beispiel Gammertingen
(5) zeigt, dass sich lokale Friedensaktivisten mit diesem Thema Gehör verschaffen können. Zu bedenken ist allerdings, dass sich die Bundeswehr durch diese Patenschaften in Teilen der Bevölkerung tatsächlich beliebt macht. Wer die Bundeswehrsoldaten vor Ort vor allem als Helfer beim Stadtfest wahrnimmt, ist für friedenspolitische Kritik an der Vermischung von Militärischem und Zivilem sicher nicht ganz so offen.



Anmerkungen



1"Sinn, Zweck, Umfang und Kosten von Patenschaften von Städten, Gemeinden und Landkreisen mit Einheiten der Bundeswehr", Bundestagsdrucksache 17/2688, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/026/1702688.pdf. Die in der Antwort der Bundesregierung enthaltene Auflistung ist offenkundig unvollständig, so fehlen allein im Landkreis Sigmaringen die Patenschaften des Führungsunterstützungsbataillions 291 mit den Gemeinden Inzigkofen, Gammertingen und Bingen.



2Patenschaften von Einheiten und Verbänden mit Städten und Gemeinden", VMBl 1981, S. 329



3http://www.berlin.de/ba-reinickendorf/bezirk/bundeswehr/



4Amtsblatt Gammertingen, Nr. 20, 20. Mai 2010, zitiert nach der Kopie bei: http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/media/pdf/verabschiedungsappell3.PDF



5Mehr Information über die Proteste in Gammertingen: http://www.lebenshaus-alb.de/magazin/aktionen/006355.html






Marek Voigt ist Politologe und arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro der Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler.

E-Mail: marek (Punkt) voigt (at) gmx (Punkt) de
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