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 Hintergrund

Wahlen in den USA

Im Westen - friedenspolitisch - nichts Neues?

Andreas Buro

US-Präsident Obama wurde wiedergewählt, doch der Sieg war sehr begrenzt. 50,6% der Stimmen für ihn, 47,8% für seinen Rivalen. Er hat also innerhalb der Bevölkerung eine nur sehr knappe Mehrheit und eine sehr gewichtige Minderheit, die von den in der Wirtschaft herrschenden Eliten stark beeinflusst wird.

Schlimm auch: Im Repräsentantenhaus konnten die Demokraten die Mehrheit nicht zurück gewinnen und im Senat haben sie zwar die Mehrheit, doch braucht man dort aufgrund besonderer Verfahrensregeln oftmals 60 Stimmen, um ein Gesetz durchzubringen. Die Demokraten haben jedoch nur 55.
(1) Die Bedingungen, die Obama in seiner ersten Legislatur-Periode so viele Schwierigkeiten bereitet haben, sind demnach auch weiter wirksam.

Die bisherige friedenspolitische Bilanz des Nobelpreisträgers ist nicht eindrucksvoll. Den Afghanistan-Krieg hat er eskaliert und friedenspolitische Ansätze ignoriert. Im israelisch-palästinensischen Konflikt konnte er nichts bewegen - die Siedlungen werden weiter gebaut. Die qualitative Aufrüstung geht den unheilvollen Drohnenweg und schafft durch ihr killing everywhere die Voraussetzungen für einen unbegrenzten und unerklärten Weltkrieg (War on Terror).

Cyberwar wird bereits gegen den Iran eingesetzt, ganz abgesehen von Sabotage und Mordaktionen. Dazu kommt die systematische Aufwiegelung und Bewaffnung von Minderheiten als zukünftige `Willige` zum Zwecke des Regime Change. Willige in Spannungszonen werden aufgerüstet. Die Kuba-Frage bleibt ungelöst. Die US-Streitkräfte werden im pazifischen Raum konzentriert. Offensichtlich bereiten sich die USA auf eine Politik der Stärke gegenüber der aufsteigenden Weltmacht China vor. Die Charme-Offensive Obamas gegenüber den arabischen Staaten ist mittlerweile vom Winde verweht.



Positives

Ich breche hier ab und frage, ob es denn friedenspolitisch nichts Positives zu vermelden gibt? Doch ja! Gegenüber der Angriffsbereitschaft Israels ist es der Regierung Obama bisher gelungen, einen Krieg gegen Iran zu verhindern - eine sehr wichtige Leistung. Ihr schließt sich die Frage an, ob die USA in Zukunft eine konstruktive Haltung gegenüber dem Atomkonflikt mit Iran einzunehmen bereit ist. Bisher schleppt sie noch die ganzen alten Sanktionen aus der Zeit nach dem Sturz des Schahs weiter. Was diese mit der Atomfrage zu tun haben, ist nicht erkennbar. Es handelt sich wohl um die Racheaktionen für den Sturz des Schahs. Damit deutet sich eine grundsätzliche Feindschaft an, die mit dem Wunsch nach Regime Change verbundenen ist - friedenspolitisch eine Blockade!

Der Vorgänger von Obama, Präsident Bush jr., hatte wenig Interesse an Rüstungskontrolle oder gar an Abrüstung. Sich verlassen auf die eigene Stärke war eher seine Devise. Obamas Bestreben unterschied sich erheblich von dieser Haltung. Marco Fey bezeichnet sie sogar als sehr ehrgeizig.
(2) Er wollte sowohl die Verminderung der Anzahl und Bedeutung von Atomwaffen erreichen, den Nichtweiterverbreitungsvertrag (NVV) stärken und die Sicherheit durch Verhinderung von Proliferation und etwaigen Nuklearterrorismus verbessern. Es ist der Obama-Administration in der Tat gelungen, einen neuen strategischen Abrüstungsvertrag (New START) mit Russland abzuschließen und ihn schließlich unter großen Schwierigkeiten und zum Teil erbitterten Widerstand der Republikaner ratifizieren zu lassen. In diesem Zusammenhang kam in der Nuklear Posture Review vom April 2010 die verminderte Bedeutung von Atomwaffen zum Ausdruck. Die Durchsetzung eines Ersteinsatz-Verbots (No-first-use) wurde jedoch nicht erreicht, sondern nur als Fernziel genannt.

Der zweite Schwerpunkt der Administration, die Stärkung des NVV-Vertrags spiegelte sich in der relativ erfolgreichen NVV-Überprüfungskonferenz von 2010 wieder. Bei dieser Gelegenheit nannte US-Außenministerin Clinton zum ersten Mal die Sprengkopfzahlen des US-Nukleararsenals. Die US-Delegation befürwortete bei dieser Gelegenheit die Einrichtung einer Zone im Nahen Osten ohne Massenvernichtungswaffen.

Das Anliegen, die nukleare Sicherheit zu verbessern, wurde im April 2010 mit der Einberufung des ersten Nuclear Security Summits (NSS) durch die USA eingeleitet. Ein dritter NSS soll 2014 in den Niederlanden stattfinden. Hier handelt es sich um ein fortlaufendes Projekt, um unter anderem hochangereichertes Uran einzusammeln und sicher zu verwahren.

Zu bedenken ist allerdings, dass die verheißene Welt ohne Atomwaffen von den USA durch die Modernisierung ihrer Atomwaffen beantwortet wird, was bis nach Büchel in Deutschland ausstrahlt. Die USA wollen das Risiko einer Verbreitung von Atomwaffen herabsetzen, ohne erkennbar selbst darauf zu verzichten. Stattdessen entwickeln sie Waffensysteme, die für die aktuelle Kriegsführung geeignet sind, was für Atomwaffen nicht gilt. Sie dienen allenfalls der Abschreckung, doch damit ist man so gleich wieder mitten in der Militärpolitik. So sehr die hier genannten Bemühungen der USA im Rüstungskontroll- und Abrüstungsbereich zu begrüßen sind, ändert sich hierdurch nichts an dem Primat der militärgestützten, aggressiven Politik der Obama-Administration.



An welchen Punkten könnte Obama friedenspolitisch einschwenken?

Ganz dringlich ist die Verhinderung eines Angriffskrieges durch Israel und die USA gegen den Iran.
(3) Bisher ist es gelungen, Israel von einem Angriff auf die nuklearen Anlagen des Iran abzuhalten. Jetzt wäre erforderlich: Eine Nichtangriffsvereinbarung zwischen USA/Israel und dem Iran verbunden mit der Ratifizierung der Zusatzprotokolle der IAEA durch Teheran und der korrekten Zusammenarbeit mit der IAEA. Das unwiderrufbare Bekenntnis aller Verhandlungspartner, dass dem Iran alle Rechte aus dem NVV-Vertrag zustehen, wie Iran auch alle Verpflichtungen aus dem NVV zu erfüllen hat. Die verpflichtende Erklärung zur Aufhebung der Sanktionen gegen Iran parallel zu den Verhandlungsfortschritten. Ein ernsthaftes Bemühen um eine atomwaffenfreie Zone in Mittel- und Nahost. Eine Konferenz hierzu wurde bereits von den Vereinten Nationen für 2012 beschlossen. Hieran sollte sich auch Israel als einziges Land mit Atomwaffen beteiligen. Parallel zu der geplanten UN-Konferenz wäre eine Dauerkonferenz nach dem Vorbild der `Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa` (KSZE) einzuberufen. Sie sollte neben der Sicherheitsfrage auch viele andere Themenbereiche gegenseitigen Interesses der Kooperation umfassen, um den gefährlichen Zustand der Konfrontation in diesem Bereich durch Kooperation zu überwinden.

Der israelisch-palästinensische Konflikt blockiert alle Friedensbemühungen in Nahost und mit der arabischen Welt. Hier hatte Obama bereits mit seiner Kairoer Rede angesetzt, dann aber nichts Wirksames folgen lassen. Das Verhältnis zu den arabischen Staaten ist für Friedenspolitik von größter Bedeutung. Gegenwärtig erlebt man eher die Zuspitzung von Feindbildern, während das Gegenteil vonnöten wäre. In diesem Zusammenhang könnte er auch die Politik der Aufrüstung seiner `willigen Staaten` bremsen.

Gänzlich unverständlich ist es, dass die USA bisher alle Möglichkeiten, die afghanische Intervention durch eine friedenspolitische Lösung zu beenden, nicht aufgegriffen, sondern stattdessen Killerdrohnen geschickt haben. Die Angebote und Pläne stehen dafür bereit.
(4) In diesem Konflikt einen neuen Stil von US-Beendigung von Interventionskriegen zu erproben, wäre ein bedeutendes Signal auch für andere Interventen. Dies tatsächlich zu erreichen, würde durch die damit verbundene Budgetentlastung erleichtert werden.

Friedenspolitisch nicht zu überschätzen wäre die Aufgabe der US-Blockade in Sachen Klimaschutz. Dadurch würden nicht nur neue Tore geöffnet, es könnten damit auch weitreichende entwicklungspolitische Kooperationen verbunden werden. Ob Obama, dem dieses Thema nahe liegen müsste, angesichts der neuen Autarkie-Phantasien in den USA durch die neuen Öl-Crackingverfahren allerdings auf diesem Gebiet die allfälligen Widerstände überwinden kann, ist höchst fragwürdig.

Man könnte sich weitere friedenspolitische Veränderungen in Rüstung, Strategiebildung und Waffenexport vorstellen, doch ist zu erinnern, dass US-Außenpolitik eine beachtliche Kontinuität unabhängig von den jeweiligen Präsidenten aufweist. Große Schwenks sind nicht zu erwarten. Zudem setzen erneut die bornierten Kämpfe zwischen Republikanern und Demokraten um die Genehmigung von Finanzmitteln ein. Ferner wird sich Obama auf den innenpolitischen Bereich - Stichwörter: Arbeitslosigkeit, Konjunktur, marode Infrastruktur, Staatsverschuldung usw. - konzentrieren müssen. Was letztlich möglich sein wird, selbst wenn der Präsident eine friedenspolitische Wende wollte, ist ungewiss. Das Ergebnis kann durchaus lauten: "Im Westen friedenspolitisch kaum etwas Neues."



Anmerkungen



1Birnbaum, N. Obamas Macht, Obamas Ohnmacht, Blätter für deutsche und internationale Politik, 12/ 2012, S.6



2Zu dem ganzen Themenbereich sehr informativ: Fey, Marco: Vier Jahre Obama sind nicht genug! Die US-Nuklearwaffenpolitik am Scheideweg. HSFK Standpunkte Nr. 3 / 2012



3s. Buro, Andreas und Ronnefeldt, Clemens: Iran-Verhandlungen. Legitimation für einen Angriffskrieg?, Dossier Ib des Monitoring-Projekts. Hg.: Kooperation für den Frieden, Bonn 2012



4Vgl. hierzu die zahlreichen Berichte in http://www.aixpaix.de




Andreas Buro ist u. a. friedenspolitischer Sprecher des Komitees für Grundrechte und Demokratie und Koordinator des "Monitoring-Projekts: Zivile Konfliktbearbeitung, Gewalt- und Kriegsprävention". 2008 hat er den Aachener Friedenspreis erhalten.



E-Mail: andreas (Punkt) buro (at) gmx (Punkt) de
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