FF2013-4


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 Afrika im Fadenkreuz d. Geopolitik

Wie die Rohstoff-Mafia im Kongo Rebellen füttert, wie gut das alles international verwaltet wird und wie Experten darin rumrühren

Rohstoffmafia in der DR Kongo

Heinz Rothenpieler

Mitte Mai 2013 meldete Radio Okapi aus dem Nord-Kivu, die Explosion einer Landmine habe ein Kind getötet und acht weitere schwer verletzt. Sie hätten gedacht, da im Busch liege eine Tasse und kamen dann auf die unselige Idee, mit Steinen auf die Mine zu werfen. Doch nicht nur aufgrund verminten Geländes ist der Krieg im Ostkongo noch nicht zu Ende. Kurze Zeit später war zu hören, Rebellen hätten am gleichen Ort die Polizei verjagt. In einem benachbarten Ort stürzte kurz vor Pfingsten aufgrund starker Regenfälle ein Coltan-Bergwerk ein: 100 Todesopfer.

Im April erhielt das kleine Städtchen Minova an der Grenze zum Süd-Kivu traurige Berühmtheit. Die Schauspielerin Angeline Jolie war kurz zuvor mit dem britischen Außenminister dort gewesen und berichtete vor dem G8-Gipfel in London: Letzten November, als die M23-Rebellen für ein paar Tage die Provinzhauptstadt Goma besetzten, flüchteten Soldaten der kongolesischen Armee Hals über Kopf - u. a. nach Minova, wo sie sich mit Massenvergewaltigungen "trösteten".

Dies dürfte mit dazu beigetragen haben, dass sich der UNO-Sicherheitsrat Ende März durchrang, im Nord-Kivu zusätzlich zu den 17.000 Blauhelmen nochmal die Stationierung von über 3.000 Soldaten einer "Schnellen Eingreiftruppe" zu beschließen, deren Einsatz allerdings zur Enttäuschung der Kongolesen auf sich warten lässt, weil plötzlich wieder alle diplomatische Verhandlungen mit den Rebellen fordern.



Ausplünderung

Ebenfalls im Mai veröffentlichte in Südafrika der "Africa Progress Panel", an dem Kofi Annan mitwirkte, eine Studie, die u. a. darlegt, "dass Afrika durch rechtswidrigen Kapitalabfluss mehr als zweimal soviel Mittel verliert als durch Entwicklungshilfe auf den Kontinent fließen". An kongolesischen Beispielen wird festgemacht, wie Firmen aus Steuerparadiesen sowas bewerkstelligen. Der Kongo habe allein durch fünf Verträge mit solchen Firmen 1,36 Mrd. Dollar an Staatseinnahmen verloren. Beispielsweise sei ein vereinbartes Schürfrecht kurz nach Vertragsabschluss auf den britischen Jungferninseln mit einem Profit von 400 % weiterveräußert worden. Nebenbei erwähnt der Bericht, dem kongolesischen Staatshaushalt stünden für Gesundheitsfürsorge und Bildung gerade mal 698 Millionen Dollar zur Verfügung, und erinnert daran, dass im Kongo 17 von 100 Kindern noch nicht einmal das fünfte Lebensjahr erreichten.

Britische Zeitungen hatten im Mai in London einen Prozess gewonnen zur Veröffentlichung von Dokumenten, die beweisen, dass im März 2011 über Nairobi aus dem Kongo Gold und Edelsteine im Wert von über zwei Milliarden Dollar nach Amman in Jordanien geschmuggelt wurden. Der kenianische Zoll habe davon Wind bekommen und nicht zu knapp Bestechungsgeld verlangt, "um wegzuschauen".

Derartige Nachrichten-"Tsunamis" überrollen den Kongo seit Jahren. Multinationale Konzerne plündern bisher problemlos unter dem gut bezahlten "Schutz" zahlreicher Rebellengruppen die reichen Bodenschätze im Ostkongo aus. Allein in der Provinz Nordkivu zählt man 17 solcher Milizen. Drehscheibe für den Export sind die östlichen Nachbarländer Burundi, Ruanda und Uganda, wie seit Jahren UNO-Expertenberichte dokumentieren; "gewaschen" wird dann oft in den Golfstaaten.

Der letzte UNO-Bericht wurde im Sommer 2012 veröffentlicht, der zahlreiche Beweise für eine Unterstützung der M23-Rebellen durch Ruanda und Uganda aufzählt. Dies bewirkte die vorübergehende Blockade der Entwicklungshilfegelder wichtiger Geber.



Die Rolle der Nachbarländer

In derartigen Fällen wird seitens Ruanda spektakulär ein Spitzenrebell "geopfert". Diesmal war Bosco Ntaganda an der Reihe, der "sich selbst" im März dem Internationalen Strafgerichtshof über die USBotschaft in Kigali auslieferte. Mitte Mai gab der ruandische Präsident Kagame im britischen Observer preis, er habe kurz vorher unter erheblichem amerikanischen Druck gestanden, Ntagandas Auslieferung zu bewirken, doch dann sei dieser eine Woche später "ganz zufällig" bei der Botschaft vorbeigekommen. Er, Kagame, habe überhaupt nichts davon gewusst. Sein Vorgänger, Laurent Nkunda, der mindestens ebensoviel auf dem Kerbholz hat, wurde Anfang Januar 2009 von Ruanda fallengelassen, nachdem im Dezember vorher Kigali durch ähnliche Enthüllungen einer UNO-Untersuchung erstmals in ernste Bedrängnis kam.

Ruanda und Uganda hatten von 1998 bis 2003 weite Teile des Ostkongo besetzt gehalten, offiziell sollten dort "Völkermörder gejagt" werden. Ein großer Teil der ruandischen Hutu-Armee war 1994, nach dem Massaker, in den Ostkongo geflüchtet. Doch später kam heraus, dass man nicht nur mit den "Völkermördern" gelegentlich gute Geschäfte machte, sondern selbst durch Plünderung von Rohstoffen reich wurde. Uganda ist deswegen vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag zur Zahlung von Schadensersatz an den Kongo in Höhe von 10 Mrd. Dollar verurteilt worden, was bis heute von Kampala ignoriert wurde.

Kigali stieg zum führenden Rohstoffexporteur der Region auf - mit Edelmetallen, die in Ruanda nicht gefunden werden. In all diesen Jahren wurde der Weltöffentlichkeit weis gemacht, im Kongo herrsche ein "Bürgerkrieg". Selbstverständlich bedienten sich die Besetzer Kongolesen als Marionetten für ihre Herrschaft. Seitdem sitzen in der Region militärische "Subunternehmen" auf vielen Bergwerken.



Der Ostkongo

Immer wieder wurden feierlich "Friedensdokumente" unterzeichnet, die das Papier nicht wert waren, auf dem sie gedruckt wurden. Im Ostkongo ist trotz dem teuersten Blauhelmeinsatz in der Geschichte der UNO noch kein Frieden eingekehrt. Sie waren deshalb oft "zahnlos", weil ihr Mandat meist nur "beobachten" zuließ - und Soldaten sind nun mal nicht ausgebildet, um Frieden zu vermitteln. Wie soll dies auch gehen, wenn die Kriegsursachen, die illegale Plünderung der Rohstoffe, munter weiter bestehen bleiben? Das unbestreitbare Verdienst gehört der Expertengruppe der UNO, die in geduldiger, jahrelanger wissenschaftlicher Recherchearbeit immer wieder die Hintergründe dieser Plünderung aufgedeckt hat. Ihre Berichte verschwanden in den Anfangsjahren meist in Schubladen oder wurden, wie letztes Jahr, nur aufgrund angelsächsischem Enthüllungsjournalismus an die Öffentlichkeit gezerrt.

Diese "Weltöffentlichkeit" war in den letzten Jahren vor allem entsetzt über die seit Jahren berichteten Massenvergewaltigungen im Ostkongo - an denen alle militärischen Einheiten, von den Rebellengruppen über die nationale Armee bis zu Blauhelmen partizipierten. In den USA hatte sich dagegen schon 2009 eine Lobby aufgebaut, so dass die damalige Außenministerin Clinton deswegen Goma besuchte. Daraus ist letztlich die Dodd-Frank-Initiative entstanden, welche für US-amerikanische Firmen den Import von Rohstoffen aus dem Kongo verbietet, solange kein lückenloser Herkunftsnachweis beweist, dass sie nicht mit Blut befleckt sind. Fachleute, u.a. aus Deutschland, arbeiten seitdem fieberhaft an Zertifizierungssystemen. Der "Africa Progress Panel"-Bericht fordert, dieser amerikanische Dodd-Frank-Act, der die vollständige Offenlegung von Zahlungen im Rohstoffbereich verlangt, müsse weiter entwickelt werden und in der EU seien vergleichbare Rechtsvorschriften erforderlich. Insbesondere sei eine radikale Neugestaltung des internationalen Steuersystems nötig.



China

Doch im Kongo tummeln sich weitere Akteure. Größter "Global Player" ist China. Chinesen sind überall im Land präsent, zumindest über ihre Billigprodukte, die inzwischen ein Land vermüllen, welches vor wenigen Jahren noch kein Müllproblem kannte. Heute bauen die Chinesen mit Milliardenkrediten Straßen und viele andere Infrastrukturprojekte - von höchst zweifelhafter Qualität. Demnächst auch "Inga-3", ein weiteres Mega-Wasserkraftwerk am Unterlauf des Kongos, mehr als doppelt so groß geplant als der "Drei-Schluchten-Staudamm" am Jangtse-Fluss.

Bezahlt wird mit Rohstoffen. Dabei ist den Chinesen teilweise egal, ob diese legal oder illegal das Land verlassen. So wird Tropenholz in größerem Umfang illegal aus dem Land geschleust, um den erheblichen chinesischen "Hunger" nach Holzprodukten und Papier zu befriedigen. Wie Greenpeace im März 2013 aufdeckte, gelangten zahlreiche Lieferungen illegal geschlagenen Tropenholzes auch in die EU. Dann ist das für den Handel eigentlich verbotene Elfenbein ist zu nennen, das in Asien heiß begehrt ist und wofür Elefanten im gesamten Kongobecken abgeknallt werden. In der DR Kongo wurde zudem Öl gefunden.

Am schmalen Streifen vor der Atlantikküste, wo Angola im Süden und die (ehemals französische) Republik Kongo im Norden schon fördern, sind die Seegrenzen von Kongo-Kinshasa noch umstritten.

Ähnlich sieht es im "Wilden Osten" aus. Dort findet sich ein sehr umfangreiches Ölvorkommen in der Region des Albertsees, durch den die Grenze zu Uganda verläuft, das bereits zur Förderung eine britische Firma engagiert hat.

Der Kongo ist auch deswegen ein Eldorado für Multis und Rebellen, weil der Staat seit der Mobutu-Diktatur eine äußerst korrupte Elite hat und deswegen sehr schwach ist. Hier ist in letzter Zeit durch Transparenzinitiativen der Finger geschickt auf diese Wunden gelegt worden.

Die UNO steht unter erheblichem Druck, ihren bisher teuersten Blauhelmeinsatz zu beenden. Im Februar 2013 wurde in Addis Abeba mit 13 Ländern des südlichen Afrikas ein neues Abkommen geschlossen, welches u. a. von Mary Robinson als Sonderbeauftragte der UNO entschlossen umgesetzt wird. Wenn man den Hinweisen der Expertenberichte in früheren Jahren konsequenter nachgegangen wäre, wenn der Rohstoffschmuggel eher in den Brennpunkt geraten wäre und wenn mit den östlichen Nachbarn zeitig Klartext gesprochen worden wäre, dann hätte man zweifellos bei den Blauhelmen (und der Flüchtlingshilfe) erhebliche Geldmittel einsparen können. Aber auch die deutsche Politik hat immer lieber die "Entwicklungserfolge" Ruandas und Ugandas gelobt, anstatt deren jahrelanges völkerrechtswidriges Handeln zu tadeln.

Heinz Rothenpieler ist Sprecher der Pax Christi Kommission "Solidarität mit Zentralafrika", Vorstandsmitglied des kongolesisch-deutschen Vereins Dialog International und arbeitet bei Lernen-Helfen-Leben e.V. für Projekte in Zentralafrika und zum Regenwaldschutz mit Schülern in Deutschland. Er gibt das "Kongopresse-Tagebuch" heraus, in dem alle hier genannten Informationen ausführlicher mit Links zu den Quellen dargestellt sind.
http://www.kongopresse.l-h-l.org

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