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Erstellt:
August 1997

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FriedensForum 5/1997


Begegnungen mit dem BGS auf Deutschlands Bahnhöfen

"Ich kam mir vor wie ein Tier"

Peter-Christian Löwisch

Mit der Vereinigung fiel ein wesentliches Aufgabenfeld des Bundesgrenzschutz (BGS) weg. So wurden ihm unter anderem seit dem 01.04.1992 die Aufgaben der Bahnpolizei zugeteilt, die im BGS aufging. Mit der Neufassung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz (BGSG) vom 19.10.1994 wurden die Kompetenzen und Aufgabengebiete dieser paramilitärischen Bundespolizei gesetzlich festgeschrieben. Es scheint aber, daß die BGS Ideologie sich damit keineswegs in Richtung demokratischen Polizeiverhaltens geändert hat. So sagte schon der BGS Polizeidirektor Blätte in den 80iger Jahren zu dem Grundregeln: "Laufen, schwimmen, turnen und jemanden eins auf die Fresse hauen". Dieses Prinzip wird in den Bahnhöfen Deutschlands relativ regelmäßig praktiziert. Und bei näherem Hinsehen scheinen dies dann keine Einzelfälle zu sein. Als besonders gefährdet müssen Menschen gelten, die eine andere Hautfarbe haben oder sonst irgendwie fremd aussehen.

Die Bahnhöfe der Großstädte sind Treffpunkte von Menschen verschiedenster Nationalitäten. Und der BGS sieht hier eine Spielwiese seiner rassistisch motivierten Beamten. Erlaubt ist, was dem BGS"ler gefällt. Am 19. Dezember 1994 kommt der farbige US-Bürger Darrel Wayne C. in Köln aus Amsterdam in Köln an. Der amerikanische Drehbuchautor wollte für einen Film in Köln recherchieren. Im Kölner Hauptbahnhof wurde er von BGS Beamten grundlos kontrolliert, wohl weil sie einen "bestimmten Erfahrungsschatz" haben, so der stellvertretende Leiter der Wache. C. hatte seinen Paß in Amsterdam versehentlich liegen gelassen, wurde auf die BGS Wache verbracht, mußte sich ausziehen, sich, wie auch sein Gepäck, durchsuchen lassen und bis zum nächsten Tag in einer der Zellen verbringen. Anschließend wurde er der Polizei überstellt. C. nach seiner Freilassung: "Ich kam mir vor wie ein Tier. Den Aufenthalt in Köln kann ich nicht mehr genießen". Dabei hat C. noch Glück gehabt, er wurde nicht wie andere mißhandelt. A.S. aus Sierra Leone wurde nach einem Disput mit einem Schaffner eines IC am 29.05.1996 genötigt, in Köln auszusteigen. Er wurde derart an ein Geländer gedrückt, daß er bald darüber fiel, nach angeblichen Waffen untersucht und ihm wurde Tränengas ins Gesicht gesprüht. "Ich gab ihm (einem BGS Beamten) meinen Ausweis. Aber statt diesen zu kontrollieren, packte er mit einmal meinen Hals. Der Beamte A trat meine Füße vom Boden weg. Ich fiel mit Magen und Brust auf den Boden". Dann wurden ihm Handschellen angelegt, ein weiteres mal Tränengas ins Gesicht gesprüht mit der Bemerkung: "Das ist für dich". Auf der Wache mußte er sich ausziehen, wurde mit einem Knüppel geschlagen, getreten und mit der Bemerkung "Dreckstück" in eine Zelle gesperrt. Als er nach geraumer Zeit entlassen wurde, drohte man ihm, bei der geringsten falschen Bewegung zu schießen und er solle sich nicht noch einmal in Köln sehen lassen.

 zum AnfangDoch auch A.S. hatte noch relatives Glück beim Kölner BGS. Der deutsche Staatsbürger mit kurdischer Herkunft M.M. wurde am 20.03.1996 erst beschimpft: "Du Scheißkurde, Du Kurdenschwein, die Kurden müssen wir alle abschieben, ich schlage dir die Zähne ein, du kriegst eins in die Visage". Danach wurde er in den Magen geschlagen, sein Kopf auf eine Schreibmaschine und dann auf den Tisch, er bekam auf dem Boden liegend Tritte an Kopf und Körper und ein BGS Beamter stellte sich mit beiden Füßen auf seine Beine im Kniebereich. Dann wurde er circa 20 Minuten in eine Zelle gesperrt und bei der Freilassung sagte man ihm, er hätte für den Rest des Tages im gesamten Kölner Stadtgebiet Ausgehverbot.

Am schlimmsten traf es am 26.05.1997, auch wieder in Köln, den farbigen amerikanischen Footballspieler C.P. Auch nach einem Disput mit einem IC Schaffner (C.P. saß in der falschen Wagenklasse) wurde er von BGS Leuten in Empfang genommen. Auszug aus seinem Gedächtnisprotokoll, das einen Tag später angefertigt wurde: "Vier Beamte schlugen

brutal auf mich ein, drehten mir die Arme auf den Rücken und legten mir Handschellen an. Ich wurde als Scheißnigger beschimpft und verhöhnt. Ich wurde zur Wachstelle gedrängt und dort im Büro von diesen vier Polizisten und einen zusätzlichen Riesenkerl weiter mit äußerster Brutalität getreten, geschlagen, verhöhnt und als Nigger beschimpft. Alle hatten Blut an ihren Uniformen, der ganze Raum war mit meinem Blut beschmiert, und obwohl ich gefesselt und blutend auf dem Boden lag, tobten sich diese fünf Beamten an mir aus". Nach etwa zwei Stunden erschien ein Arzt, nicht um C.P. medizinisch zu betreuen, sondern nur um einen Alkohol- und Drogentest zu machen. Später wurden ihm dann die Handschellen abgenommen und er wurde entlassen. C.P. mußte sich zur Behandlung für einige Tage ins Krankenhaus legen.

 zum AnfangIn allen diesen Fällen lagen keinerlei Gründe vor für eine Festnahme und schon garnicht für eine Behandlung, die an Foltermethoden erinnert. Alle wurden nach mehr oder weniger kurzer Zeit wieder entlassen, ohne Erklärungen oder Entschuldigungen.

Hier, wie in den anderen Fällen auch, wurde von den Opfern Strafanzeige gegen die Beamten des BGS erstattet. Die Reaktion des BGS auf die Strafanzeigen entsprechen dem üblichen Muster. Der BGS erstattet seinerseits Anzeige wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Dieses Verhalten ist aber nicht spezifisch für Köln. In Städten wie Hamburg, Frankfurt, Nürnberg und anderen wurde ähnliche menschenunwürdige, gewalttätige und rassistische Vorkommnisse registriert. Es hat den Anschein, daß der BGS auf der Gesetzesgrundlage von 1994 als Hätschelkind des Bundesinnenministeriums (BMI) nach Lust und Laune agieren kann. Denn weder die Länder noch die Kommunen haben hierauf Einfluß. Und für das ja nicht gerade liberale BMI scheint das genau die richtige Truppe zu sein, die mittlerweile auch auf den Bahnhöfen dem Law and Order Staat Geltung verschafft. Und die geschilderten Fälle sind wohl auch nur die Spitze des Eisberges.

Außerdem scheint es auch so zu sein, daß das rassistische Potential beim BGS um einiges größer ist, als bei der Polizei oder auch bei der Bundeswehr. Waren doch zum Beispiel bei der Lübecker Kommunalwahl 1990 auf dem vorderen Plätzen der Listenvorschläge der rechtsextremen Republikaner gleich sechs BGS Beamte. Außerdem erkläre der stellvertretende Landesvorsitzende der Republikaner Schleswig-Holstein, Thomas Schröder, selber BGS Oberkommissar, daß mindestens ein Drittel aller BGS Beamten Sympathisaten dieser Partei wären.

Es scheint so zu sein, daß die Machenschaften des Bundesgrenzschutz besser beobachtet werden müssen und die nicht entschuldbaren Fehlverhalten dringend einer Ahndung bedürfen. Opfer des BGS sollen sich melden, den Mut zur Strafanzeige haben. Sei es auf Bahnhöfen, Flughäfen, Häfen oder bei Demonstrationen, bei denen der BGS immer öfter als paramilitärisch ausgerüstete Bundespolizei brutal gegen Teilnehmer vorgeht. Vielleicht wäre es aber auch ratsam BGS Beamten Crashkurse in demokratischen Verhalten zu verordnen.

Wie heißt es doch so schön in  16/2 des BGSG: "Kommen zu Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, so genügt es, wenn eins davon bestimmt wird. Dem Betroffenen ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes, ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird." Den Opfern hat das nicht geholfen, ihnen wurde nicht die Gelegenheit gegeben, einen Antrag zu stellen. Sie wurden brutal mißhandelt und müssen nun mit diesem Trauma leben. Der Footballspieler C.P. will aus Angst um seine körperliche Unversehrtheit Deutschland verlassen.

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Peter-Christian Löwisch arbeitet für das Nachrichten gegen Rassismus (ngr-) Pressebüro in Köln

E-Mail:   ngr-pressebuero@link-lev.dinoco.de
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Übergeordnetes Thema:
Bürgerrechte/Innenpolitik
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