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Erstellt:
Dezember 1997

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FriedensForum 6/1997


Das KZ Flossenbürg - weiterhin Park- und Friedhofsanlage oder eine authentische Gedenk- und Erinnerungsstätte?

Vergeßt uns nicht!

Lothar Eberhardt

Vergeßt uns nicht - mit diesen Worten und mit nach Hilfe ausstreckenden Händen hinter Stacheldraht, mahnt eine unscheinbare Gedenktafel der Opferverbände an der katholischen Kirchhofsmauer in Flossenbürg.

Der alte Steinhauerort, heute eine 2000 Seelen zählende eigenständige Gemeinde im bayerischen Regierungsbezirk Oberpfalz im Grenzgebiet zu Tschechien, wird weit sichtbar von einem markanten Granitfelsen mit Burgruine überragt. Granit ist das Symbol für den wichtigsten "wirtschaftlichen Faktor" seit Generationen. Der Standortvorteil war ein entscheidender Grund für die Planer des "Systems des Terrors und Grausamkeit", das Internierungslager mit Produktionsstätte 1938 als eines der ersten KZ"s der 2. Generation hier zu errichten.

Anfänglich arbeiteten die Schutzhäftlinge (Kriminell, "Asoziale", Homosexuelle, Zigeuner etc.) nur in dem SS-eigenen Steinbruch der Deutschen Erd- und Steinwerke (DEST). Mit der Fortdauer des Krieges wuchs das KZ schnell auf über 100 Außenlager an. Mehr als 100.000 "Arbeitssklaven" wurden in den "Todesfabriken" geschunden. Die "Ordnung des Terrors" wurde für sowjetische Kriegsgefangene, polnische Widerstandskämpfer und jüdische Schutzhäftlinge, zur "Sonderbehandlung" nach Flossenbürg überstellt, zum Vernichtungslager, die im "Tal des Todes" auf dem SS-Schießplatz erschossen wurden. Tausende kamen durch Hunger, Krankheit, durch medizinische Tötungsaktionen (Fleckentyphus-, Ruhr-Injektionen), dem Terror und den Arbeitsbedingungen um.

 zum AnfangAuf die Schmach und Bestialität weist im zentralen Teil der KZ-Grab- und Gedenkstätte, dem "Tal des Todes" und dem darüberliegenden Gräberfeld mit anonymen Massengräber auch der Zigtausend Toten der Todesmärsche nach der Evakuierung des KZ"s ab 20. April 45, nichts hin. Über der Talsenke breitet sich für den unvorbereiteten Besucher ein großes "Tuch des Schweigens". Keine erläuternden Hinweistafeln an der Hinrichtungsstätte. Tausend Namenlose wurden hier erschossen. An dem Ort des Galgens, wo Anfang April 1945 noch der Theologe Dietrich Bonhoeffer, Admiral Canaris (Abwehrchef der Wehrmacht) und andere des Deutschen Widerstands hingerichtet wurden ist, nichts zu finden.

Franz-Josef Fischer, politischer Häftling in Flossenbürg, der mehrere Außenlagern durchlaufen hatte, bedauert das Fehlen einer Erinnerungsstätte und fordert: "Alles Private raus aus dem KZ-Gelände. Alles wieder so herstellen wie es gewesen ist. Die Orte, wo Blut floß, wo Menschen zu Tode kamen, müssen ein Denkmal für die Opfer werden."

Die bisherige KZ Grab- und Gedenkstätte, bis 1991 ein Anhängsel der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung, erweckt den Eindruck der Politik des "Kopf in den Sand Steckens" und der Weigerung, sich der zeitgeschichtlichen Verantwortung zu stellen.

Die Gemeinde ist in Vorleistungen getreten, wurde aber mit dieser Bürde oft alleine gelassen. Anfragen wurden bearbeitet, Besuchergruppen geführt, der Platz vor dem Kommandaturgebäude neu gestaltet und ein Filmraum eingerichtet. Ein wichtiger Schritt war die Einrichtung einer befristeten Stelle für das Informationsbüro im Rathaus zum Aufbau eines Informations- und Dokumentationszentrums. Eine zweckgebundene Erbschaft für die Gedenkarbeit im KZ an die Gemeinde ermöglicht jetzt erst einmal bis Sommer 1998 die Weiterbeschäftigung der Fachkraft.

Es bietet sich an, ein "Museum der Todesmärsche", des "Wirtschaftsunternehmens SS` und der "Vernichtung durch Arbeit", ergänzt mit einem "Museum der deutsch-tschechischen Beziehungen" einzurichten. Nun sind die Regierenden und deren politischer Wille gefragt, um die Hoffnung der Überlebenden zu erfüllen.

Lothar Eberhardt arbeitet als freier Journalist in Berlin.
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