Erstellt: Januar 1998  nächster  Artikel		FriedensForum 1/1998 Buchbesprechung: Hans A. de Boer: Gesegnete Unruhe Rainer van Heukelum "Gesegnete Unruh" ist das fünfte und nach eigenen Angaben letzte Buch de Boers, der sich selbst als liberal-konservativen Radikaldemokraten bezeichnet und Christ, Sozialist und Pazifist gleichermaßen sein möchte. In seinen Büchern berichtet er über Eindrücke, die er auf seinen Reisen nach Asien, Südamerika und Afrika gewonnen hat. Dieses letzte Buch stellt nun eine Art Lebensrückblick dar - mit bewegenden Erinnerungen aus rund 50 Jahren. Bewegend ist vor allem die Darstellung der zahlreichen Brüche in seinem Leben. 1925 als Sohn eines reichen Kaufmanns in Hamburg geboren, wird er durch die Begegnung mit US-Kriegsdienstverweigerern aus den Friedenskirchen zum bewußten Christen und Pazifisten. Als 25jähriger arbeitet er für die Firma seines Vaters in Südwestafrika und erkennt: "Ein kapitalistischer Kaufmann kann kein Christ sein. Ein Christ kann nur Sozialist sein." Er wirft die Brocken hin und wird prompt vom Vater enterbt. Damit beginnt die Zeit seiner Reisen auf den Spuren von Gewalt und Unterdrückung. In den 50er Jahren sind es Aufenthalte vornehmlich in Afrika, Asien und Australien, dann ab 1960 in den USA und Kanada, wo er in Toronto das Studium der Evangelischen Theologie aufnimmt. An das Studium anschließend führt ihn eine Lehrtätigkeit für sechs Jahre nach Indien. In diese Zeit fällt auch ein medizinischer Einsatz im vom Krieg überzogenen Kambodscha, bei dem seine indische Lebensgefährtin Mary, eine Ärztin, von den Regierungstruppen zu Tode gefoltert wird. 1972 dann die Rückkehr nach Deutschland, die bei ihm einen Kulturschock auslöst. Er erlebt die Bundesrepublik als narkotisiert und konsumbetäubt und somit immun gegenüber den drängendsten Problemen der Zeit. Bis zu seiner Rente wirkt er dann 16 Jahre, als Berufsschulpastor und Religionslehrer in Duisburg, dieser Betäubung entgegen.
zum Anfang		Auch in dieser Zeit nutzt er jede freie Minute, um sich aus erster Hand in den Krisen- und Kriegsgebieten der Welt zu informieren und auch einzumischen. Die Übereinstimmung von Reden und Tun beeindruckt und macht de Boers Engagement glaubwürdig. Er kritisiert Deutschland als "gottlose Zuschauer-Demokratie" und "bewußtlose Konsumgesellschaft" und schildert gleichzeitig sein erfülltes Leben in Askese, das eine mögliche Alternative zum herkömmlichen gepflegten Lebensstil aufzeigt. "Gesegnete Unruhe" läßt sich leicht lesen, aber es ist kein leichtes Buch, es fesselt und bedrängt gleichzeitig. Hans de Boer versteht es, präzise Fakten aus erster Hand nicht im Rahmen eines nüchternen Rapports, sondern aus dem Blickwinkel des Betroffenen zu präsentieren, der sich vom Schicksal der Schwachen, Vertriebenen und Benachteiligten anrühren läßt. So entsteht aus eigenem Erleben ein plastisches Panorama von Ungerechtigkeit, Umweltzerstörung und Unfrieden in den verschiedensten Ländern der Welt - nicht zuletzt in Deutschland selbst -, das den Leser beständig fragt, wie er sich zu dieser Situation stellt, wo sein möglicher Beitrag liegen könnte. Unterstützt wird diese Wirkung durch die ungeschützte und provozierende Sprache ("Die heutige Umweltkatastrophe ist schlimmer als Hitler"). Der Leser soll unruhig werden, sich nicht betäuben lassen von einer ihn umgebenden Erlebnis- und Konsumgesellschaft, sondern die in der Welt liegenden Probleme erkennen und widerständig angehen. Das Buch ist weniger ein Hinweis darauf, wie dieser Widerstand organisiert und zum Erfolg geführt werden kann. Aber es stellt durch die exakten Informationen, die Authentizität des Erlebten, die engagierte Schreibweise und die persönliche Betroffenheit des Erzählers eine Ermutigung dar, eine widerständige Haltung als Voraussetzung für organisierten Widerstand zu finden: sich nicht einlullen lassen, gegen den Strom schwimmen, den Mund aufmachen. "Gesegnete Unruhe". Hans A. de Boer: Gesegnete Unruh - Das Bekenntnis eines frommen Provokateurs, Lamuv-Verlag, Göttingen, 240 Seiten, 29,80 DM Rainer van Heukelum ist Lehrer und in der Bonner Pax Christi Gruppe aktiv.
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