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Erstellt:
Januar 1998


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FriedensForum 1/1998


Krieg im NATO-Land Türkei fordert mehr Opfer als je zuvor

Thomas W. Klein

Nach einer Ende 1997 veröffentlichten Statistik kamen im Jahr 1997 im Krieg zwischen der kurdischen Guerilla und türkischen Regierungstruppen fast 6.700 Menschen um. Nach den amtlichen Angaben haben seit Sommer 1984, dem Beginn der militärischen Auseinandersetzungen, nahezu 37.000 Menschen ihr Leben verloren. Nach diesen Zahlen hält das zu Ende gehende Jahr den bisherigen `Rekord` an Toten.

Die "Verschlimmerung der Menschenrechtssituation in der Türkei", wie sie beispielsweise von Hüseyin Aygül vom Menschenrechtsverein (IHD) Istanbul bei einer Veranstaltung zum Tag der Menschenrechte in Frankfurt a.M. Ende 1996 bilanziert wurde und die sich auch in den jetzt vorliegenden Zahlen widerspiegelt, sind Ergebnis einer Entwicklung, die sich seit Anfang der 90er Jahre deutlich abgezeichnet hat: Eine staatlich betriebene Eskalation der Gewalt, die sogar offiziell angekündigt wurde und deshalb keineswegs überraschend kommt. Zwar wurde der Wahlsieg des konservativen Politikers Süleyman Demirel bei den Parlamentswahlen 1991 von vielen als Hoffnungsschimmer gewertet: Immerhin hatte Demirel im Wahlkampf "gläserne Polizeistationen" und die Anerkennung der "kurdischen Realität" versprochen, doch schon Ende März 1992 offenbarte das gewaltsame Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Zivilisten bei den kurdischen Neujahrsfeiern, daß die Hoffnungen getrogen hatten. Demirel hatte schnell seine Wahlversprechen gegen andere Ankündigungen eingetauscht: "Wir werden keinen von ihnen übriglassen, die sollen mal sehen, daß wir das, was Saddam gemacht hat, auch können"; solche markigen Sprüche von Demirel waren zu Beginn des Jahres 1992 in der türkischen Presse immer wieder zu lesen.

 zum AnfangUnd im Frühjahr 1993 sprach die Spitze der Armee davon, daß sie das "Terroristenproblem" bis zum Herbst des selben Jahres "lösen" und "die PKK vollständig vernichten" werde. Diese vollmündigen Ankündigungen haben in den zurückliegenden Jahren allerdings nur die militärische Eskalation vorangetrieben und die Folge waren Vertreibungen, Dorfzerstörungen und unzählige Massaker in den kurdischen Provinzen des Landes. An dem Ziel, der "Vernichtung" der kurdischen Guerilla, scheint sich aber bis zum heutigen Tag nichts geändert zu haben. Im Gegenteil: Die Jahresbilanz 1997 zeigt, daß die türkische Armee mehr denn je die militärische "Lösung" sucht. Entsprechende politische Vorgaben hat es in den zurückliegenden Jahren nicht nur von Demirel gegeben. Die ehemalige Ministerpräsidentin und Außenministerin Ciller sprach in der Zeit, als sie an der Spitze der Regierung stand, davon "die Endlösung" des Problems zu betreiben, eine Formulierung, die besonders in Deutschland aufhorchen ließ, aber dennoch keine offiziellen Proteste verbündeter Länder hervorrief.

Der Krieg in Kurdistan ist trotz seiner Eskalation und trotz der Tatsache, daß er maßgeblich mit deutscher Unterstützung geführt wird - was die öffentliche Beachtung angeht - stark in den Hintergrund getreten. Derzeit gibt es nur sehr wenig öffentlichen Druck auf die Bundesregierung gegen die Menschenrechtsverletzungen und die Massaker in Kurdistan zu protestieren. Vor diesem Hintergrund ist es für die Türkei relativ leicht möglich, die militärische Eskalation beinahe unbehelligt fortzuführen. Düstere Aussichten für das Jahr 1998.

Thomas W. Klein ist Presse- und Öffentlichkeitsreferent der Kampagne "Produzieren für das Leben - Rüstungsexporte stoppen!", Wiesbaden
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