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Erstellt:
März 1998


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FriedensForum 2/1998


Friedensritt 1998

Axel Seng, Rudi Weil

In Stukenbrock, zwischen Paderborn und Bielefeld, findet alljährlich an der internationalen Kriegsgräberstätte am Antikriegstag die Gedenkveranstaltung "Blumen für Stukenbrock" statt. 1981 nahmen auch ReiterInnen mit ihren Pferden daran teil. Eine Idee wurde geboren: die "Initiative ReiterInnen und Reiter für den Frieden".

Es fanden sich immer mehr Menschen zusammen, die Lust hatten, politische Arbeit und Freizeitreiten zu verbinden. So startete 1984 der erste Friedensritt, dem fast jährlich ein weiterer folgte. Wir sind eine bunte Gruppe ReiterInnen und Reiter mit Kind, Kegel und Hunden, großen und kleinen Pferden, Drahteseln und Kutschen, alle mit Transparenten geschmückt und mit Flugblättern voll guter Argumente ausgestattet. Wir ziehen 10 bis 14 Tage durch verschiedene Regionen unserer Republik und finden häufig eine größere Beachtung als herkömmliche Demonstrationen. Auf unserem Weg unterstützen wir die örtlichen Initiativen vor Militäreinrichtungen oder Atomanlagen, auf Marktplätzen und in Fußgängerzonen mit Musik und Straßentheater (auch Pferde sind gute Schauspieler) und finden auch so manch offenes Ohr für unser jeweiliges Anliegen.

Wir wollen mit unserem Friedens- und Umweltschutzengagement nicht zwischen "politischem" und "privatem" Leben trennen. Als FreizeitreiterInnen nehmen wir besonders wahr, wie uns Naturräume, die die schönsten Reit- und Erholungsgebiete sein könnten bzw. waren, für Truppenübungsplätze und Atomanlagen geraubt, mit Stacheldraht umgeben und als Naturgebiete zerstört werden. Über alle weltanschaulichen und parteipolitischen Grenzen hinweg treten wir auf unseren Pferden, Ponys, Drahteseln und im Begleitfahrzeug für ein friedliches Leben der Menschen untereinander und mit der Natur ein.

 zum AnfangJahrtausendelang eroberten Soldaten hoch zu (Schlacht-) Roß fremde Länder und unterdrückten andere Völker. Wir satteln unsere Pferde für Frieden, Abrüstung, Umwelt und Menschenrechte. Seit nach dem Ende des Kalten Krieges Atomraketen nicht mehr im Mittelpunkt des Interesses standen, gab es andere Schwerpunkte. So befaßten wir uns, zusammen mit dem Erfurter "Aktionskreis für Frieden", mit dem Thema Fremdenfeindlichkeit und Asylkompromiß auf unserem Ritt nach Erfurt. Unsere Pferde und der Hund versuchten im Straßentheater bei einem gestrengen Richter Asyl zu beantragen, der aber keinen ihrer guten Gründe gelten ließ. Nur der Pegasus war auf eigenen Flügeln eingereist, also nicht über ein sicheres Drittland. Er war Kriegsminister in seinem Land gewesen, so konnte sein Fluchtgrund als "politisch" gelten, und seine Papiere hatte er auch dabei. Er erhielt als einziger eine Begrüßungsmöhre.

Zweimal führte uns der Weg zu Truppenübungsplätzen in Ostdeutschland. Einmal rund um die Colbitz-Letzlinger-Heide, einmal von der Wittstocker- zur Colbitz-Letzlinger-Heide. Die Initiativen OFFENe HEIDe und FREIe HEIDe streiten dort seit der Wiedervereinigung für die zivile Nutzung ihrer wunderschönen Landschaften, die zum Teil von den Nationalsozialisten, später von der sowjetischen Armee für ihre Zwecke vereinnahmt wurden. Die Bundesrepublik, die sonst fast nichts aus der alten DDR gelten läßt, übernahm diesen Unrechtszustand nahtlos.

Gegen Atomkraft und für die Nutzung regenerativer Energiequellen ritten wir von Gorleben nach Morsleben und im letzten Jahr zum Schacht Konrad.

Dies nur beispielhaft, damit Ihr seht, den Themen und Landschaften sind kaum Grenzen gesetzt. Wir reiten überall hin, wo wir Kontakt zu politisch Aktiven und zu Pferdeleuten haben und finden.

Ein Anliegen hat sich für uns in den letzten Jahren herauskristallisiert: Wir erleben in allen Zusammenhängen, wie vieles, was wir bei aller Kritik in diesem Land für selbstverständlich hielten, sich verändert. Wir müssen erfahren, daß unsere Freunde und Freundinnen für ihr absolut gewaltfreies Engagement verfolgt werden von einem "Rechtsstaat", der lieber die Atomindustrie schützt als unsere Gesundheit. Sie werden verurteilt für ihr Verantwortungsbewußtsein und ihren Einsatz für Flüchtlinge und gegen Leben bedrohende Technologien im militärischen wie im sogenannten "zivilen" Bereich. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht (Pflicht) auf Widerstand, mit gutem Grund vor fünfzig Jahren in unser Grundgesetz aufgenommen, sind nicht mehr selbstverständlich. Grüne UniformträgerInnen werden wieder daran gewöhnt, gnadenlos, auch gegen ihr Gewissen, gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen. Bisher "nur" mit Schlagstöcken, Wasserwerfern und Einkesselung.

 zum AnfangEs geht uns um den massiven Abbau von Bürgerrechten (Lauschangriff, Kriminalisierung von KritikerInnen), um die Auflösung aller solidarischen Elemente, die es bisher noch in unserer Marktwirtschaft gab. Wir haben lange überlegt, wie wir unsere Bedenken formulieren können als Motto für den diesjährigen Friedensritt. Uns ist etwas eingefallen, das die Regierung, die dies alles seit Jahren so konsequent betreibt, benannt und angekündigt hat (damals haben wir wohl nicht ganz verstanden, wie es gemeint war):

Die geistig moralische Wende = geistig moralische(s) (W)Ende?

So lautet nun also der Arbeitstitel für den nächsten Ritt. Den wollen wir in Offenbach (Abschiebeknast) beginnen, und der Weg wird uns "fast zwangsläufig" nach Bonn führen (so kurz vor der Wahl noch eine laute Stimme abgeben).

Damit der Ritt erfolgreich wird, brauchen wir die Hilfe der Initiativen von Offenbach bis Bonn, denn nur gemeinsam sind wir stark.

Der Friedensritt 98 findet vom 24.7.-8.8.1998 statt.

Initiativen, Gruppen etc., die uns organisatorisch und/oder inhaltlich unterstützen wollen, melden sich bitte bei Ute Radermacher, Auf den Steinen 3, 51709 Marienheide, Tel.: 02264/3598 oder bei Axel Seng, Wachlange 2, 31832 Springe, Tel.: 05041/8134

Leute, die Lust haben, uns mit Pferd oder Fahrrad zu begleiten, melden sich bitte bei Rudi Weil, Karenbergweg 24, 32602 Vlotho, Tel.: 05733/7550

Axel Seng und Rudi Weil sind aktiv in der "Initiative Reiterinnen und Reiter für den Frieden.
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Übergeordnetes Thema:

Initiativen/Soziale Bewegungen/Netzwerk
Was wir wollen - was wir tun

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