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März 1998


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FriedensForum 3/1998


Bericht vom 6. Dresdner Friedenssymposium

... und um welchen Preis?

Siegfried Taubert

Kurz vor 22.00 Uhr am 13. Februar eines jeden Jahres ertönen die Glocken aller Dresdner Kirchen. Sie rufen uns zum Gedenken an die sinnlose Zerstörung der Stadt vor nunmehr 53 Jahren, sie mahnen uns, das Sterben unschuldiger Zivilisten nicht zu vergessen und alles zu tun, einen solchen barbarischen Krieg nicht mehr zu gestatten. In dieser Verpflichtung treffen sich jährlich, organisiert von Dresdner Friedensgruppen, dem DGB und Einrichtungen in Dresden, FriedensfreundInnen aus ganz Deutschland und des Auslandes zu einem Friedenssymposium. In diesem Jahr - nun zum sechsten Mal - standen Probleme der Abrüstung, Umrüstung und im Zusammenhang damit ökonomische Fragen im Mittelpunkt der Tagung. Unter besonderer Beachtung der noch unbewältigten Krise am Golf ist die Diskussion hoch aktuell zum Thema: Warum Umrüstung statt Abrüstung in Europa? Für welchen Frieden, für welchen Krieg und um welchen Preis?

In seinem einleitenden Beitrag ging Dr. Peter Strutynski deshalb auch zunächst auf diese Problematik ein. Ausgehend von der kürzlich stattgefundenen Sicherheitstagung der NATO in München, einer Versammlung zum Krieg bereiter Politiker, und der Bereitschaft der Bundesrepublik, ihre Flugplätze als Startbasen für die todbringenden Flugzeuge der USA gegen irakische Frauen, Kinder und Männer zur Verfügung zu stellen, sollte doch zumindest ein Aufschrei der Entrüstung durch die Menschen gehen. Eindringlich warnten die Teilnehmer des Symposiums deshalb auch, die UNO und ihren Sicherheitsrat zum Interessenvertreter der USA zu degradieren und die vornehmlichsten Aufgaben zu vergessen. Noch soll die UNO durch den Krieg verhindernde und den Frieden schaffende Maßnahmen den Weltfrieden sichern helfen. Was wäre aus der Idee der Gründer der UNO geworden, wenn dieses Ansinnen nur noch durch strategische Interessen einer Großmacht diktiert würden.

 zum AnfangDer Irak selbst stellt keine Gefahr mehr für seine Nachbarn dar, denn die Zwänge, insbesondere durch die UNO, haben dafür gesorgt, daß die Rüstungsausgaben des Irak auf 3% des Niveaus von 1991 reduziert wurden. Peter Strutynski argumentierte, daß unzweifelhaft weltweit Abrüstung stattfinde. Es ist aber nicht ein gewandelter Geist der Militärs, der zur Abrüstung führte, sondern wohl eher ökonomische Zwänge, die hier von Bedeutung sind. Rußland mit seiner desolaten Wirtschaftssituation kann als Beispiel genannt werden. Aber, betrachtet man die regionale Entwicklung, muß von einer erhöhten Aufrüstung gesprochen werden. Es ist deshalb auch nicht von der Hand zu weisen, daß die Anzahl der Kriege seit 1994 zurück ging, aber innerstaatliche Konflikte zunahmen. Innerhalb der Länder der NATO ist ein Wandlungsprozeß ebenso beobachtbar wie in anderen Regionen. Auch hier versuchte Dr. Peter Strutynski den ökonomischen Hintergrund zu beleuchten. Die in Europa stattfindende neoliberale Offensive soll alle Länder für die Interessen des reichen Nordens öffnen, Rohstoffe, Märkte weltweit sichern. Und darin sucht die Friedensbewegung ihren Platz in der heutigen modernen Gesellschaft. Eingebettet in einer Reihe von Widersprüchen, die aus den allgemeinen politischen Tendenzen entstehen, im Wunsch, massenhaft als Friedensbewegte in Erscheinung zu treten, ähnliche Erfolge erreichen zu wollen, wie in den Aktionen zum NATO-Doppelbeschluß, scheint die Friedensbewegung auch acht Jahre nach dem Ende des Ost- West- Konflikts noch mitten in der Selbstfindung zu sein.

In der Diskussion gingen mehrere Redner auf diese Fragestellung ein. Unzweifelhaft stellt der Kasseler Friedensratschlag die Möglichkeit dar, die Friedensbewegung zu orientieren, aber zugleich wird auch durch viele regionale Gruppen die individuelle Friedensarbeit vor Ort als äußerst wichtig unterstrichen. Die VertreterInnen der Bürgerinitiative Freie Heide etwa denken auch an Möglichkeiten, Friedensarbeit konkret zu gestalten, da sie so für den Bürger transparent und nachvollziehbar bleibt. Offenbar sind aber Aktionen vieler Friedensgruppen, so sie ein gemeinsames Thema finden, recht wirkungsvoll. Erinnert wurde im Laufe des Symposiums deshalb an die bundesweite Kampagne zur Verhinderung des Kaufs des Eurofighters. Die Debatte um den Eurofighter hat durch das Aufzeigen von alternativen Verwendungsmöglichkeiten der Gelder gezeigt, daß friedenspolitische Gedanken in der Gesellschaft mehrheitsfähig sein können.

 zum AnfangInsgesamt war die Diskussion zum sechsten Dresdner Friedenssymposium durch Optimismus getragen, obwohl natürlicherweise viele Dinge auch kontrovers beraten wurden. Etwa die Idee, ein Friedensmuseum zu schaffen. Gehört die Friedensarbeit, das was Friedensbewegte in fast fünfzig Jahren BRD und vierzig Jahren DDR geleistet haben, in ein solches Museum, oder bleiben unserer Aktivitäten nicht beispielhaft für die Menschen an unserer Seite gestaltbar. Sicher spricht eine Menge dafür zu beweisen, welche Bedeutung die Friedensarbeit in der Vergangenheit hatte, denn nur so kann Friedensarbeit heute verstanden werden. Losgelöst bleibt sie deshalb nicht von dem, was uns heute bewegt. Aber zunächst ist die Diskussion darüber begonnen.

In seinen Schlußbemerkungen wies Horst Schneider aus Dresden nochmals auf das Versprechen H. Kohls hin, welches er anläßlich seines Besuches in Dresden 1989 vor der Ruine der Frauenkirche gab: "Ich gehöre zu jener Generation, die nach dem Krieg geschworen hat - wie auch hier- Nie wieder Krieg, nie wieder Gewalt! Und ich möchte hier vor Ihnen diesen Schwur erweitern, indem ich Ihnen zurufe: Von deutschem Boden muß in Zukunft immer Frieden ausgehen - das ist das Ziel unserer Gemeinsamkeit."

Zugleich verwies Horst Schneider auf eine andere Tradition hin, die Bewegung "Schwerter zu Pflugscharen", die sich, getragen durch viele Geistliche, zur oppositionellen Friedensbewegung in der DDR entwickelte. Heute, fast acht Jahre nach der Wiedervereinigung ist der Weg frei, daß junge Deutsche wieder an Militäreinsätzen beteiligt sein können. Die Erfahrung der Stadt Dresden zeigt aber, wer Wind sät, wird Sturm ernten. Das hat auch die Ausstellung Helmut Hoffmanns "Wider dem Kieg" in anschaulicher Weise deutlich gemacht.

Die TeilnehmerInnen des Symposiums beschlossen schließlich mehrheitlich folgende Resolution, die an die Bundesregierung und die Medien geschickt wurde.

Resolution

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 6. Dresdner Friedenssymposiums vom 14.02.1998:

- verurteilen die Kriegsdrohungen und
  Kriegsvorbereitungen gegen den Irak

- fordern, das in der UNO-Charta festgelegte Verbot
  von Gewaltandrohung und Gewaltanwendung strikt
  einzuhalten

- lehnen die direkte oder indirekte Unterstützung
  des geplanten Mitlitärschlages durch Deutschland
  als grundgesetzwidrig und menschenfeindlich ab

- bekennen sich zu dem Grundsatz: Keine Gewalt in
  der Gesellschaft und zwischen den Staaten

- verlangen endlich, daß von der internationalen
  Gemeinschaft und ihren Organisationen gegenüber
  allen Besitzern von Massenvernichtungsmitteln die
  gleichen Maßstäbe angelegt und die gleichen
  Sanktionen beschlossen werden

- rufen dazu auf, daß Deutschland seine Macht und
  seinen Einfluß zur Erhaltung des Friedens einsetzt
  und bei der Abrüstung beispielhaft vorangeht

- bitten alle Friedenskräfte und -organisationen,
  durch wirksame Aktivitäten - Mahnwachen,
  Petitionen, Presseerklärungen, Veranstaltungen
  u.a. - diese Anliegen zu unterstützen.

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Dr. Siegfried Taubert ist Sprecher der Sächsischen Friedensinitiative Dresden e.V.
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Übergeordnetes Thema:

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