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Erstellt:
Mai 1998


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FriedensForum 3/1998


Einleitung zum Schwerpunkt

50 Jahre Israel

Christine Schweitzer

Der 50. Jahrestag der Staatsgründung Israels ist kein Datum zum unbeschwingten Feiern. Selbst in Israel hat man sich mit den Feierlichkeiten eher schwergetan und in Deutschland, wo dieser Jahrestag wesentlich mehr Beachtung findet als es Jahrestage üblicherweise tun, stehen die meisten Veranstaltungen unter einer nachdenklich-ernsten Note. Zu bedrohlich ist die politische Situation im Nahen Osten und zu schuldbelastet ist das deutsche Verhältnis zu Israel.

So ist selbstverständlich auch der Schwerpunkt des FriedensForums von diesen beiden großen Themen - deutsch-israelisches Verhältnis einerseits und Friedensprozeß andererseits - geprägt. Dabei haben wir uns wie stets bemüht, den besonderen Blickwinkel der Friedensbewegung in den Vordergrund zu stellen, indem wir unsere Berichterstattung auf israelische und deutsche Initiativen konzentrieren, die sich für Frieden und Versöhnung einsetzen.

Aber was heißt "besonderer Blickwinkel der Friedensbewegung"? Das Verhältnis der deutschen Friedensbewegung zu Israel ist selbst nicht unproblematisch, wie zuletzt anläßlich der Bombardierung Israels durch den Irak während des 2. Golfkrieges 1991 deutlich wurde. Damit teilt sie das Schicksal der deutschen Linken. Es muß sogar gefragt werden, ob überhaupt von einem wirklichen "Verhältnis" - das eine intensive Beschäftigung voraussetzte - gesprochen werden kann. Die Gruppen, die sich für eine Versöhnung mit Israel einsetzen und die Gruppen der Friedensbewegung bilden im besten Falle eine - gäbe es nicht Aktion Sühnezeichen-Friedensdienste - sehr kleine Teilmenge.

 zum AnfangEine Auseinandersetzung mit Israel ist unbequem. Angesichts des Unfaßbaren, der Shoa, ist Israel kein Land wie jedes andere und wird es auch niemals sein. Alle zunehmend zu hörenden Forderungen nach "Normalisierung" des Verhältnisses sind letztendlich - glücklicherweise - eine Illusion. Noch leben Täter und Opfer des Nationalsozialismus, aber auch wenn es sie einmal nicht mehr gibt, wird das geschichtliche Gedächtnis, das immer genügend Menschen nunmal zu eigen ist, dafür sorgen, daß die Verbrechen jener Zeit nicht vergessen werden. Der Streit sollte deshalb auch weniger um die Frage des Vergessens als darum geführt werden, ob man es sich gestattet, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen.

Israel ist auch ein Land, das im Laufe mehrerer, wenn auch nicht von ihm begonnener Kriege sein Territorium wesentlich vergrößert hat, das praktisch als einziges Land der Welt offen zugibt, Folter als polizeiliche Verhörmethode einzusetzen und das eine Rückgängigmachung der völkerrechtlich verurteilten Besetzung der palästinensischen Gebiete schlicht ablehnt.

Und selbst die Suche nach gleichgesinnten Partnern ist schwierig: Israels zahlenmäßig starke und äußerst vielfältige Friedensbewegung ist bei weitem keine pazifistische Bewegung. Sie greift eine als ungerecht angesehene Politik ihrer Regierung an, stellt aber nicht z.B. das israelische Militär grundsätzlich in Frage.

Diese Unbequemlichkeiten sollten aber nicht davon abhalten, sich der `Herausforderung Israel` zu stellen. Die deutsche Friedensbewegung hat hier einen deutlichen Nachholbedarf. Nur zu oft wird aus dem Dünkel des vermeintlich moralisch Höherstehenden - schließlich ist man/frau ja für Frieden, hätte deshalb gewiß zu den Gegnern des Nazi-Regimes gehört und brauche sich deshalb den Fragen des deutsch-israelischen Verhältnisses nicht zu stellen - eine Auseinandersetzung mit Israel vermieden.

Diese aber ist gerade angesichts des offensichtlichen Scheiterns des Friedensprozesses notwendiger denn je. Netanjahu will unter Umgehung der Osloer Verträge direkte Verhandlungen über den endgültigen Status der palästinensischen Gebiete beginnen; Verhandlungen, deren Mißlingen im Grunde schon jetzt deutlich vorhersehbar ist. Gleichzeitg wächst die Gefahr eines neuen Krieges im Nahen Osten. Hier ist auch die deutsche Friedensbewegung gefragt. Sie kann aber nur aktiv werden, wenn sie sich bewußt ist, daß in dem Moment, wo Deutsche sich in den israelisch-palästinensischen Konflikt einmischen, sie nicht unparteiische Dritte, sondern bestenfalls all-parteiliche Freunde sein können. All-parteilich in dem Sinne von Partei-Ergreifen gegen Unrecht, egal von welcher Seite es begangen wird, und auf dem Fundament des Wissens um die Vergangenheit und im Bewußtsein der Beschränkungen, die dieses Wissen auferlegt.

Christine Schweitzer ist Redakteurin des FriedensForums
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