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Erstellt:
April 1998


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FriedensForum 3/1998


Ehemaliger israelischer Flugkapitän; Friedens- und Menschenrechtsaktivist

Portrait: Abe J. Nathan

Abe J. Nathan wurde am 29. April 1927 als Sohn jüdischer Eltern im persischen Abadan geboren, wuchs jedoch in Indien auf, wohin seine Familie später ausgewandert war. Er verbrachte dort seine Schulzeit und trat dann während des Zweiten Weltkreigs als Pilot in die Royal Air Force ein. 1948 emigrierte er schließlich nach Israel, diente dort zunächst drei Jahre lang in der Luftwaffe und arbeitete anschließend bis 1959 als Flugkapitän bei der israelischen Fluggesellschaft El Al.

Er wurde Augenzeuge vielfältigen und schrecklichen menschlichen Leidens, eine prägende Erfahrung, die sein Leben grundsätzlich veränderte: Der Jagdflieger vergangener Jahre wurde zu einem überzeugten Pazifisten, der auch sich selbst in die Pflicht genommen fühlte, seinen Beitrag zur Wahrung des Friedens und der Menschenrechte zu leisten. Und dies tat er in den folgenden Jahrzehnten mit einer Hingabe, die den "guten Menschen von Tel Aviv", wie er bald liebevoll apostrophiert wurde, schon zu Lebzeiten zu einer israelischen Legende werden ließ. Daß sein im doppelten Sinne des Wortes grenzenloser Idealismus, sein ungewöhnlich ideenreiches Engagement und sein bewundernswerter Mut mit hohen persönlichen Risiken verbunden sein würde, nahm er dabei bewußt in Kauf.

Bereits in den sechziger Jahren setzte sich Abe Nathan engagiert und konsequent für eine Verständigung zwischen Israelis und Arabern ein. In der festen Überzeugung, daß nur der direkte persönliche Dialog Konflikte lösen könne, flog der damals 38jährige - unterstützt von Zehntausenden von Israelis und unter Mißachtung zahlreicher Gesetze - im Februar 1966 in seiner Privatmaschine "Shalom One" nach Ägypten, in der Hoffnung, in Kairo mit Präsident Nasser über den Frieden reden zu können. Diese (und so manche andere) spektakuläre, weltweites Aufsehen erregende Aktion war einerseits seine Form des Protests gegen die damalige offizielle Nahost-Politik, die an einem toten Punkt angelangt war. Andererseits war es der Versuch, mit ungewöhnlichen Mitteln die Menschen angesichts wachsender Kriegsgefahr aufzurütteln und Politikern durch sein mutiges Beispiel zum Dialog zu bewegen.

 zum AnfangIn den folgenden Jahrzehnten intensivierte Abe Nathan seine völkerverbindenden Bemühungen, um der Verwirklichung seiner Vision von Frieden und Versöhnung zwischen den feindlichen Brüdern in der nahöstlichen Region einen Schritt näher zu kommen. In Anschluß an seinen Ägypten-Flug trug der seine Friedenskampagne nach Europa, in die USA und die ehemalige Sowjetunion und appellierte dort an seine prominenten Gesprächspartner aus Politik und Geistesleben, sich für eine Beendigung der Feindseligkeiten zwischen Arabern und Israelis einzusetzen. Im Juni 1966 organisierte er den ersten Friedensmarsch von Tel Aviv nach Jerusalem und errichtete dort im Oktober des gleichen Jahres ein Friedensmonument. Im Februar des folgenden Jahres rief er die "Shalom-Peace Foundation" ins Leben, mit deren Hilfe er seine feste Überzeugung, daß friedliches und verständnisvolles Miteinander der Menschen und Religionen in dieser Region möglich ist, exemplarisch in ein zukunftsweisendes Projekt übersetzten wollte. Er bemühte sich um die Errichtung einer arabisch-jüdischen Schule in Nazareth - ein Vorhaben, dem allerdings kein Erfolg beschieden war.

Unmittelbar nach Beendigung des Junikrieges von 1967 besuchte er die Flüchtlingslager in den besetzten Gebieten und verteilte Hilfsgüter an über 40.000 arabische Kindern. Im Juli des gleichen Jahres entschloß sich Abe Nathan dann zu einer weiteren persönlichen Friedensinitiative auf politischer Ebene. Er flog erneut nach Ägypten in dem Versuch, dort seinen Friedensplan für den Nahen Osten zu erläutern. Nach seiner Rückkehr wurde er wegen Verletzung des israelischen Gesetzes, das jedem Bürger des jüdischen Staates die Einreise in ein arabisches Land untersagte, zu einer Geldstrafe, ersatzweise 40 Tage Gefängnis, verurteilt. Er entschied sich, den angesetzten Geldbetrag zu spenden und die Haftstrafe anzutreten. Auch 1969 reiste er, ungeachtet des Risikos einer erneuten Freiheitsstrafe in Israel, weitere Male nach Kairo, vor allem in dem - erfolglosen - Bemühen, Präsident Nasser persönlich zu treffen.

1973 richtete Abe Nathan mit Hilfe von Sponsoren einen schwimmenden Rundfunksender, die "Voice for Peace" ein. Über zwanzig Jahre lang, bis Ende 1993, strahlte die illegal operierende Radiostation auf dem Friedensschiff, unter dessen multi-nationaler Besatzung sich auch Araber und Israelis befanden, von der nahöstlichen Mittelmeerküste ihre Friedensbotschaft aus. Während der Kriegswirren und Bomrbardesments im Libanon transportierte das Friedensschiff im August 1978 medizinische Hilfsgüter nach Beirut, um den notleidenden Opfern der Gewalt in diesem Gebiet zu helfen. Doch die Hilfslieferung wurde abgelehnt und Nathan verteilte seine Fracht an Flüchtlinge in Zypern.

 zum AnfangZwischen 1982 und 1991 traf er sich mehrmals mit Yassir Arafat und weiteren offiziellen Vertretern der PLO - nicht nur in dem unermüdlichen Bemühen, die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen, sondern auch um der Menschlichkeit willen: Er versuchte, die Freilassung eines gefangen gehaltenen israelischen Piloten zu erwirken. Wegen dieser Gespräche, die gegen ein israelisches Gesetz verstießen, wurde er in seinem Heimatland zweimal zu Haftstrafen von insgesamt zwei Jahren verurteilt.

Ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit protestierte Abe Nathan mit Hungerstreiks sowohl gegen geplante jüdische Siedlungen auf der Westbank als auch gegen dieses Gesetz, das Kontakte zur PLO verbot, und dessentwegen er mehrere Monate im Gefängnis hatte verbringen müssen. Getreu seinem Credo, das nur der Dialog Konflikte beenden und die Menschenrechte schützen könne, stellte er dabei immer wieder die Frage nach dem Sinn jener Verordnung, die seiner Meinung nach Friedensgespräche erst gar nicht zuließ: "Wenn man nicht mit dem Feind über Frieden spricht, mit wem dann?"

Um seinem Traum einer menschlicheren Welt eine Chance zu geben, ist Abe Nathan immer dort zu finden, wo das Elend auf diese Erde kaum zu fassen war. Er opferte sein privates Hab und Gut, erschloß unermüdlich neue Geldquellen, charterte Flugzeuge und Lastwagen, um Nahrung, Medikamente und Kleidung in Notstandsgebiete zu transportieren. Mit vielfältigen Hilfsprogrammen unterstützte er beispielsweise die Hungernden in Biafra (1968/69), die Erdbebenopfer von Managua (1972), Guatemala (1976), Neapel (1980) und Armenien (1989), kambodschanische, somalische, ruandische, bosnische und serbische FLüchtlinge (1979-1995) ebenso wie vietnamesische "boat people", für deren Aufnahme in Israel er sich 1979 erfolgreich einsetzte.

Was kann der Einzelne für eine friedlichere und menschliche Welt tun? Abe J. Nathan hat eine Antwort gegeben.

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