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Erstellt:
April 1998


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FriedensForum 3/1998


Frauen in der israelischen Friedensbewegung

Uta Klein

Frauen in der israelischen Friedensbewegung(1) spielen seit der Intifada Ende der achtziger Jahre eine herausragende Rolle. Nicht nur sind sie quantitativ auffallend stark präsent, auch haben sie einen großen Erfolg und eine hohe Medienwirksamkeit. In der wissenschaftlichen Diskussion gibt es starke Tendenzen, die hohe Motivation von Frauen zu friedenspolitischen Aktivitäten mit einer vermeintlich größeren "Friedensliebe" oder "Friedfertigkeit" zu begründen: sie hätten Qualitäten der Mütterlichkeit entwickelt, eine "Ethik des Sorgens" und eine andere Form der Moral herausgebildet. Das Beispiel Israel zeigt dagegen sehr gut, daß Frauen ganz "handfeste" Gründe für ihr Engagement haben. Das Militär und die militärische Denkweise haben eine so zentrale Stellung in der Gesellschaft, daß sie selbst die israelische Zivilgesellschaft nachhaltig prägen und die Benachteiligung von Frauen perpetuieren. Frauen in der israelischen Friedensbewegung thematisieren den Zusammenhang von Gewalt, Krieg und Militarismus im politischen Diskurs und Gewalt in der Gesellschaft.

Die Entstehung eigener Frauenfriedensgruppen

Während die starke Präsenz von Frauen auch für außerparlamentarische Gruppen, Menschenrechtsorganisationen, friedenspädagogische Projekte und bestimmte politische Parteien, die der Friedensbewegung nahestehen, gilt, soll es hier nur um explizite Frauenfriedensgruppen wie Women in Black oder Jerusalem Link gehen. Waren bereits während des Libanonkrieges vereinzelt Protestgruppen von Frauen entstanden, so provozierte die Intifada vielfältige politische Aktionen. In einer ersten öffentlichkeitswirksamen Aktion stellte eine Gruppe, die sich Mapat Ha`Shalom (etwa: Friedensteppich)(2) nannte, einen 200 Meter langen Teppich mit zusammengenähten Friedensbotschaften her, um den Verhandlungstisch zu schmücken. Im Juni 1988 entrollten Hunderte palästinensischer und jüdisch-israelischer Frauen den Teppich vor der Knesset in Jerusalem.

 zum AnfangNeben Gruppen wie Women for Women Prisoners, Shani (Women against the Occupation), The Democratic Women`s Movement gründete sich die große Frauenfriedensbewegung Women in Black. Im Januar 1988 entschieden Frauen, die bis dahin in gemischten Gruppen aktiv waren, in Zukunft eigene Protestkundgebungen wöchentlich abzuhalten. Sehr bald schon zog die anfangs kleine Gruppe zahlreiche Demonstrantinnen an. Sie waren in schwarz gekleidet, Zeichen für die Trauer über den politischen Zustand, und hielten ein Schild mit der Forderung "Stop the Occupation" in der Hand. Die Anlehnung an die Bewegung der Mütter der Verschwundenen in Argentinien war offensichtlich. Nach und nach versammelten sich nicht nur in Jerusalem, sondern auch an zahlreichen anderen verkehrsreichen Kreuzungen im Land, jeden Freitag mittag Protestgruppen. Einige dieser Gruppen erschienen mit (damals noch) radikaleren Losungen wie "Zwei Staaten für zwei Völker" und "Sprecht mit der PLO".

Die Berichte über Unterdrückung, Inhaftierung, Schläge und Folter in den besetzten Gebieten und die allgemeine Brutalisierung führten zur Aufnahme persönlicher Kontakte zwischen palästinensischen und jüdisch-israelischen Frauen. Diese Dynamik wurde sehr deutlich in einer "Give peace a chance. Women speak out" Konferenz in Brüssel im Jahre 1989. Noch lange vor einer Annäherung der politischen Führung beider Seiten waren Frauen ins Gespräch gekommen: initiiert von Simone Süsskind, unterstützt von der Europäischen Gemeinschaft, kamen Knessetabgeordnete wie Yael Dayan oder Navah Arad mit palästinensischen Professorinnen und Politikerinnen wie Hanan Ashrawi oder Sulafa Hijawi zusammen und verabschiedeten eine Deklaration auf Grundlage der UN Resolutionen 181 und 242, in der das Recht der palästinensischen Bevölkerung auf "Selbstbestimmung" und "Souveranität" betont wurde. Direktes Ergebnis der Konferenz war die Gründung des Israeli Women`s Peace Net (Reshet), das es schaffte, Verbindungen auch zu etablierten Kreisen der israelischen Gesellschaft, wie zu Na`amat, der Frauenabteilung der mächtigen israelischen Gewrkschaft Histradut herzustellen. Aus diesem Net erwuchs 1992 die israelisch-palästinensische Vereinigung Jerusalem Link, ein Zusammenschluß zweier Frauenzentren, des israelischen Frauenzentrums Bat Shalom und des palästinensischen Jerusalem Center for Women.

Konjunkturen

In den ersten Jahren herrschte eine enorme Aufbruchstimmung: im Juli 1990 beispielsweise waren 30 Mahnwachen in ganz Israel aktiv, an denen sich zwischen 2000 und 3000 jüdische und palästinensische Frauen beteiligten. Im gleichen Jahr brachte die dritte Jahresversammlung von Women in Black über 2000 Teilnehmende zusammen. Zudem beteiligte sich die Bewegung oder initiierte große Demonstrationen, häufig mit internationaler Präsenz. Den ersten Einbruch markierte, wie bei anderen israelischen Friedensgruppen, der Golfkrieg. Doch durch die spezielle Sicht von Frauen konnte eine gemeinsame Grundlage wieder aufgebaut werden: in beiden Gesellschaften wurde eine starke Zunahme von Gewalt gegen Frauen registriert. So war die Zahl der von ihren männlichen Partnern ermordeten Frauen in Israel in dem Jahr des Golfkrieges höher als je zuvor. In der palästinensischen Gesellschaft verstecken sich, wie Dokumentationen von Menschenrechtsorganisationen zeigen, hinter sogenannten Kollaborateursmorden zahlreiche Fälle, in denen Frauen aus Gründen der Verletzung der Familienehre und wegen vermeintlich unsittlichen und unmoralischen Verhaltens umgebracht wurden.

 zum AnfangDen zweiten Einbruch markierte das Oslo-Abkommen, die meisten Gruppen stellten ihr Engagement ein. Erst durch den zögerlichen Verlauf des Friedensprozesses noch unter Rabin und durch die völlige Erlahmung jeglicher israelischer Verhandlungsbereitschaft wurden politische Aktionen wieder aufgenommen.

Jerusalem Link

Beide Frauenzentren, Bat Shalom und das Jerusalem Center for Women arbeiten zum einen in den eigenen Gesellschaften. Die israelische Gesellschaft in eine pluralistische und demokratische zu verändern, das heißt die Benachteiligung sephardischer jüdischer Frauen abzubauen und eine Verständigung zwischen arabischen und jüdischen israelischen Frauen voranzutreiben - das ist das Ziel Bat Shaloms. Um die Gleichberechtigung von Frauen in der palästinensischen Gesellschaft, d.h. um ihr Recht auf Arbeit, auf Besitz, und die Verankerung eines auch für Frauen akzeptablen Familienrechtes geht es dem Jerusalem Center for Women. Trotz der beeindruckenden Aktivitäten, wie der Organisation eines jährlichen Sommercamps für israelische und palästinensische Jugendliche in Colorado oder gemeinsamer politischer Aktionen wie eine Demonstration für den sofortigen Rückzug Israels aus Hebron in den letzten Jahren, ist die gemeinsame Arbeit des Jerusalem Link schwierig geworden. "Auf der israelischen Seite rufen täglich Frauen an, die durch den Kurs der Regierung aufgerüttelt wurden und politisch aktiv werden wollen. Aber viele Palästinenserinnen, die in der Friedensarbeit aktiv waren, beginnen, sich mehr um ihre eigene Gesellschaft zu kümmern. Sie verlieren auch die Motivation, weil der Friedensprozeß nicht vorangeht", sagt Molly Malekar, die politische Geschäftsführerin Bat Shaloms. Vor allem, so betont sie, erschwere die reale ungleiche Situation die gemeinsame Arbeit. "Wenn ich, wie heute beispielsweise, mit einer Mitarbeiterin des Jerusalem Center for Women durch den Checkpoint zwischen Israel und der Westbank fahre, komme ich ohne Probleme durch, aber sie wird erst genauestens kontrolliert". Der Schwerpunkt der Arbeit im vergangenen und in diesem Jahr ist die Situation der palästinensischen Bevölkerung in Ost-Jerusalem. Die israelische Regierung verweigert zunehmend Palästinensern und Palästinenserinnen den Aufenthaltsstatus als "permanent resident", die sich außerhalb der Jerusalemgrenze bewegen (wenn sie z.B. in der Westbank arbeiten und dort übernachten). Auch Identitätskarten sind einbehalten worden. Die Politik, die dahintersteht ist, so viele palästinensische Familien wie möglich aus Jerusalem zu vertreiben, um für die final status Gespräche Fakten zu schaffen. Um auf diese Verdrängung, Molly Malekar nennt sie `ethnische Säuberung`, aufmerksam zu machen, führte "Jerusalem Link" im letzten Jahr das Projekt "Sharing Jerusalem - Two Capitals for Two Staates" durch. Kunstausstellungen, Konzerte, Vorträge, Lesungen und Diskussionsveranstaltungen verdeutlichten die kulturelle, ethnische, politische und religiöse Vielfältigkeit dieser Stadt. Der gemeinsame Nenner aller Veranstaltungen sollte die Botschaft sein, daß die einzige gerechte `Lösung` der Jerusalemproblematik in einer Koexistenz unter Anerkennung nationaler Rechte beider Seiten besteht. Welche Dimensionen die politischen Auseinandersetzungen einnehmen, zeigen die Morddrohungen von rechtsradikalen Kräften an der irischen Sängerin Sinead O`Connor, die von Jerusalem Link zum Abschlußkonzert eingeladen war. Sinead O`Connor sagte ihren Auftritt ab. Seit dem letzten Jahr scheint der öffentliche Protest gegen die israelische Regierungspolitik wieder zuzunehmen. Zumindest haben sich neue Protestgruppen zusammengefunden wie die Four Mothers, eine größere Gruppe, die für den Rückzug Israels aus dem Libanon demonstriert. Die wöchentliche Mahnwachen stiegen im November letzten Jahres auf 38 verschiedene Orte in Israel an, viele neue waren dabei. Alleine in Jerusalem brachten Women in Black zusammen mit der ebenfalls recht neuen Mothers and Women for Peace 80 Frauen auf die Beine. Die Orte der Mahnwachen wurden in einer großen Anzeige in der größten Tageszeitung Yediot aufgeführt zusammen mit dem Aufruf:

We, women and mothers, refuse to pay the price of the Israeli government`s policies that lead to war and violent confrontation with our neighbors. A just peace based on territorial compromise is the only true guarantee of security for the citizens on both sides of the border. Women throughout Israel are creating vigils and peace circles at crossroads, plazas, and overpasses calling for continuation and deepening of the peace process until peace is achieved. Join us! Adressen: Bat Shalom, POB 8083, West-Jerusalem 91080 (Internetseite: http://www.batshalom.org/) Center for Women, POB 51630, East-Jerusalem.

Anmerkung

(1) Auf die Unterschiedlichkeit der israelischen
    Friedensgruppen, ihr politisches
    Selbstverständnis, ihre Forderungen und ihre
    Arbeitsweise kann hier nicht eingegangen werden.
    Dazu siehe aber: Jörn Böhme und Christian
    Sterzing. Friedenskräfte in Israel. Frankfurt:
    Haag und Herchen 1992 und Reuven Kaminer, The
    Politics of Protest, the Israeli Peace Movement
    and the Palestinian Intifada, Brighton 1996.

(2) mapat ist ein Wortspiel und heißt Landkarte oder
    Decke, Tischdecke.




Uta Klein ist Soziologin an der Universität Münster

E-Mail:   uklein@uni-muenster.de
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