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Erstellt:
Juli 1998


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FriedensForum 4/1998


Türkei: Der Krieg... seine Folgen... Kriegsdienstverweigerung

Ferda Ülker

(...) Es ist offensichtlich, daß der Druck, der durch die allgemeine politische Lage in der Türkei erzeugt wird, keinen großen Handlungsspielraum läßt. Ich war schon auf die Hindernisse eingegangen, die einer Verbalisierung von gegen den Krieg gerichteten Aussagen entgegenstehen. Trotzdem bringen vor allem linke Parteien, Gewerkschaften und Massenorganisationen bei jeder Aktion, konkretisiert in der Parole "Frieden jetzt sofort", ihre Gegnerschaft zum Krieg zum Ausdruck.

Da die direkte Kritik des Krieges durch die Armee und den Staat strikt unterbunden ist, bringen alle oppositionellen Kräfte ihre Anti-Kriegs Forderungen in den konkreten und nicht zu verheimlichenden Mißständen zum Ausdruck, die vom Krieg erzeugt wurden, wie beispielsweise durch den Verkehrsunfall von Susurluk das Bandenwesen innerhalb des Staates deutlich wurde. Zu der Zeit gewannen kriegsgegnerische Parolen gegen das Bandenwesen als eine Folge des Krieges an Gewicht. Außerhalb des Vereins der KriegsgegnerInnen von Izmir (ISKD) werden Positionen gegen den Krieg meistens nur von Untergruppen oder Individuen formuliert. Da bei den Organisationen zumeist hierarchische Strukturen vorherrschen, ist die Bedeutung kleiner interner Gruppen oder Individuen eher gering.

Seit seiner Gründung ist der ISKD gegen den Krieg aktiv. Das Hauptarbeitsfeld bildet in letzter Zeit die Kriegsdienstverweigerung. Daneben aber bezieht sich jegliche Aktivität in breit gefächerter Form auf die Hinterfragung von Gewalt und die Beseitigung von Gewalt. Von Zeit zu Zeit werden auch gemeinsame Aktionen mit anderen Massenorganisationen gegen die Armee als institutionalisierte Gewalt und ihr konkretes Gesicht in Form des Krieges durchgeführt. Da der ISKD "Nein" zu allen Kriegen sagt, ist er in allen Kreisen bekannt. Eine der eigentlichen Aktivitäten des ISKD ist die Schaffung einer gegen Gewalt gerichteten Kultur. In diesem Sinne bemühen wir uns, alle Mechanismen, die Gewalt produzieren, aus unserer organisatorischen Struktur herauszuhalten.

 zum AnfangIch sagte, daß wir uns in letzter Zeit auf die Kriegsdienstverweigerung konzentrieren. Diese Phase begann damit, daß der Kriegsdienstverweigerer Osman Murat einberufen wurde. Sie hat dem Verein und der KDV-Bewegung sehr wichtige Erkenntnisse und Erfahrungen beschert. Osman`s Haft dauert an. Die Phase, die praktisch zu einer lebenslänglichen Haftstrafe wurde, hat die Militärgerichte und die Militäreinheiten in Verwirrung gestürzt. Sie wissen selber nicht, wie sie das Unwohlsein, das sie angesichts dieser Lage spüren, aufheben können. Das Recht auf Verweigerung aus Gewissensgründen, das sich darauf richtet, dem Krieg die Menschen zu entziehen, ist infolgedessen zu einem bekannten Begriff in der Türkei geworden. Selbst wenn die Unsicherheit immer noch zu einer bedeutenden Distanzierung führt, so ist doch Kriegsdienstverweigerung in den Köpfen vieler oppositioneller Menschen zu einer Alternative gereift. Die klare Haltung des ISKD gegen den Krieg und der Aufruf an andere, eine dritte Partei im Krieg zu bilden, wird leider von den anderen Gruppen nicht ernst genommen. Aber die entschlossene und konsequente Haltung, die bei der Kriegsdienstverweigerung in letzter Zeit an den Tag gelegt wurde, hat das Bemühen um Respekt und Verständnis verstärkt.

Wie schwer auch immer die Bedingungen sein mögen, die Notwendigkeit und Bedeutung des Kampfes gegen den Krieg ist unbestritten. Auf diesem unserem langen Wege ist eine unserer wichtigsten Motivationen, daß wir mit Menschen und Einrichtungen zusammen sind, die unsere Auffassung teilen und daß wir mit jedem Tag ein wenig mehr werden.

(Übersetzung: Helmut Oberdiek)



Ferda Ülker, Verein der KriegsgegnerInnen Izmir
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