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Erstellt:
September 1998


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FriedensForum 5/1998


Wo sich die Friedensbewegung trifft

5. Friedenspolitischer Ratschlag am 5./6. Dezember in Kassel

Peter Strutynski

Was 1994 so zaghaft und eher als Versuchsballon in die Welt gesetzt wurde, hat sich mittlerweile zu einer viel beachteten Einrichtung gemausert. Die Rede ist von den "Friedenspolitischen Ratschlägen", die seither jährlich in Kassel stattfinden und sich steigender Beliebtheit in Kreisen der Friedensbewegung und gestiegener Wertschätzung in der veröffentlichten Meinung erfreuen. Die unerwartet große Resonanz auf die bisherigen Ratschläge ist Ausdruck des wachsenden Bedürfnisses vieler Teile der Friedensbewegung, insbesondere der vor Ort arbeitenden Initiativen, sich regelmäßig auszutauschen und über gemeinsame Zielsetzungen und Aktionsorientierungen zu beraten.

Der 5. Friedensratschlag fällt in mehrfacher Hinsicht in eine interessante Zeit:

Einmal werden die mit gewisser Spannung erwarteten Bundestagswahlen hinter uns liegen und möglicherweise schon erste Ernüchterungen - auch bei einem SPD/GRÜNEN-Wahlsieg - eingetreten sein. Dass Schröders sicherheitspolitischer Kurs eine beängstigende Nähe zur bisherigen Koalition aufweisen wird, zeigt sich nicht zuletzt in Schröders offenkundiger Zuneigung zu Verteidigungsminister Rühe, den er sich im Falle einer großen Koalition als Vizekanzler wohl besser als jeden anderen Unionspolitiker vorstellen kann. Wie weit die außen- und verteidigungspolitische Führungsriege der SPD in Sachen Bundeswehr-Auslandseinsätze mittlerweile zu gehen bereit ist, zeigen deren eilfertige Ermunterungen an die Adresse der Hardthöhe, im Kosovo-Konflikt notfalls auch ohne UN-Mandat militärisch einzugreifen. Und die offen zur Schau getragene Sympathie für die jüngsten US-Militärschläge gegen Ziele im Sudan und in Afghanistan belegt einmal mehr, wie wenig die Prinzipien des Völkerrechts in Bonner Regierungs- und Oppositionskreisen gelten. Sogar Joschka Fischer scheint vergessen zu haben, dass staatlicher Terrorismus nicht dem Recht zum Durchbruch verhilft, sondern das Faustrecht zum legitimen Mittel der internationalen Politik erhebt.

 zum AnfangZum Zweiten haben die Atomtests der verfeindeten Staaten Indien und Pakistan der Welt schlagartig vor Augen geführt, von welchem Vernichtungspotential die gesamte Menschheit nach wie vor bedroht ist. Dabei geht es nicht nur und vielleicht auch nicht einmal in erster Linie um die atomaren "Schwellenländer", sondern es geht um die politische Verantwortung der fünf offiziellen Atomwaffenmächte. Deren Monopolanspruch und deren hartnäckige Weigerung, effektive Schritte zu einer atomaren Abrüstung einzuleiten (wozu der Verzicht auf die atomare Erstschlagsoption genauso gehören müsste wie die Beendigung jeder wissenschaftlichen Weiterentwicklung der Atomwaffentechnologie), tragen die Hauptschuld an der Weiterverbreitung der Nuklearwaffentechnologie und an den Begehrlichkeiten der atomaren "Habenichtse". Die beabsichtigte Inbetriebnahme des Forschungsreaktors Garching II, dessen Richtfest kürzlich mit großem bayerischem Pomp gefeiert wurde, ist deshalb ein verhängnisvoller Schritt in die falsche Richtung, weil er auf der Nutzung von - waffenfähigem - hochangereichertem Uran beruht.

Zum Dritten mehren sich - zumal in der Bundesrepublik - die Anzeichen für eine Re-Nationalisierung der internationalen Politik. Nationalistische Tendenzen und Strömungen sind längst nicht mehr nur eine Domäne der ehemals sozialistischen Staaten (siehe die ehem. UdSSR und das frühere Jugoslawien). Sie feiern auch fröhliche Urständ` in den Zentren der "zivilisierten" westlichen Welt, sei`s in Form nicht mehr nur randständiger rechtsextremer Parteien (Österreich, Frankreich, Italien), sei`s in Form einer offiziellen Regierungspolitik, welche die vermeintlichen nationalen Interessen (des "Standorts", der "Wirtschaft", der "deutschen Arbeitsplätze" usw.) in einem weitgehend imaginären "globalen" Wettbewerb über alles stellt. Wenn die Außenpolitik immer noch in weiten Teilen die Fortsetzung der Wirtschaftspolitik mit anderen Mitteln (mal diplomatischen, mal militärischen) ist, dann gewinnen die ewig gestrig anmutenden Diskussionen um das deutsch-tschechische und das deutsch-polnische Verhältnis oder über "unser Königsberg", aber auch die zielgerichteten Inklusionen und Exklusionen im Rahmen der NATO-Osterweiterung eine neue, brisante Bedeutung.

Der 5. Friedenspolitische Ratschlag wird sich mit all diesen Erscheinungen und Trends befassen und Alternativen zur herrschenden Politik entwickeln müssen. Die neue Bundesregierung muss mit einem umsetzbaren friedensorientierten Langfristkonzept und mit einem konkreten Sofortprogramm konfrontiert werden (z.B. à la Ausstieg aus dem Eurofighter-Programm). Die Basisinitiativen der Friedensbewegung sollten sich über ihre - vielfältigen - Schwerpunkte und Aktionsansätze austauschen und gemeinsame Kampagnen verabreden (bzw. schon vorhandene unterstützen, z.B. die Kampagne "Atomwaffen abschaffen - bei uns anfangen"). Der Zeitpunkt hierfür - zwischen dem Europäischen Friedenskongress in Osnabrück vom vergangenen Mai und dem 1999 stattfindenden Internationalen Kongress in Den Haag - ist günstig. Die Kooperation mit anderen sozialen Bewegungen (z.B. Gewerkschaften, "Erfurter Erklärung") dürfte weiter voran kommen.

 zum AnfangDie Grobstruktur des 5. Friedenspolitischen Ratschlags sieht bisher so aus:

Beginn: Samstag, 5. Dezember 1998, 13 Uhr (Anmeldung ab 12 Uhr); Ende: Sonntag, 6. Dezember, 13.45 Uhr); Ort: Universität Gesamthochschule Kassel, Wilhelmshöher Allee 73 (ehem. Ingenieurschule).

Motto: 1939-1999 - 60 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs: Nie wieder Krieg! - Die Weichen für eine andere Politik stellen!

Programmbestandteile:

Internationales Forum (Vertreter/innen aus Frankreich, Österreich, Russland, Polen, Tschechien, Niederlande, Belgien, Schweiz) Plenarvortrag (vorgesehen: H.-E. Richter); Jeweils 5 bis 6 parallele Foren zu den drei zentralen Themenbereichen

1) Die Außenpolitik entmilitarisieren

2) Atomwaffen abschaffen

3) Bei uns abrüsten.

Berichte aus der Friedensbewegung Vorlage eines Friedensmemorandums.

Das endgültige Programm wird im Oktober vorliegen und kann beim Kasseler Friedensforum, c/o DGB Kassel, Spohrstr. 6, 34117 Kassel, angefordert werden. Anmeldungen und Quartierwünsche werden aber auch schon vorher entgegengenommen.



Peter Strutynski ist im Vorbereitungsausschuss des Kasseler Friedensratschlags aktiv

E-Mail:   strutype@hrz.uni-kassel.de
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