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Erstellt:
November 1998


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FriedensForum 6/1998


Ausnahmen treffen nicht zu

Völkerrechtler halten NATO-Einsatz für unzulässig

Ursula Knapp

Völkerrechtler sehen im möglichen Einsatz der Nato in Kosovo einen folgenreichen Völkerrechtsbruch. Diese Auffassung vertritt die deutsche Sektion der Juristenvereinigung Ialana, die 1988 auf Initiative der designierten Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) gegründet wurde und sich die Friedenssicherung ohne Atom- und Chemiewaffen zum Ziel gesetzt hat.

In einer Erklärung der Ialana heißt es, für die Beurteilung einer "humanitären Intervention" sei entscheidend, ob ein völkerrechtlicher Rechtfertigungsgrund vorhanden sei. Die UN-Charta (Artikel 2, Ziffer 4) schreibe für ihre Mitglieder ein militärisches Gewaltverbot vor. Ausnahmen hiervon gebe es nur in fünf festgelegten Fällen, nämlich dann:

- wenn der betroffene Staat mit einem
  "Blauhelm"-Einsatz einverstanden ist;

- wenn militärische Zwangshandlungen unter der
  Autorität des Sicherheitsrates durchgeführt werden
  und dem Sicherheitsrat Truppen der
  Mitgliedsstaaten zur Vefügung gestellt werden;

- wenn militärische Zwangsmaßnahmen mit
  ausdrücklicher Ermächtigung des
  UN-Sicherheitsrates durch ermächtigte
  UN-Mitgliedsstaaten durchgeführt werden, wie es
  1991 im Golfkrieg der Fall war;

- wenn der Sicherheitsrat eine regionale
  Einrichtung, wie die Nato oder WEU ausdrücklich
  ermächtigt hat;

- oder ein bewaffneter Angriff vorausging und die
  militärische Gewalt der individuellen oder
  kollektiven Selbstverteidigung dient.
  Voraussetzung ist im letzten Fall aber ein
  Hilfeersuchen des angegriffenen Staates.

 zum AnfangDa es an der Ermächtigung der Nato durch den Sicherheitsrat fehle, sei keiner der Rechtfertigungsgründe gegeben. Die Erklärung der Ialana wörtlich: Soweit Staaten innerhalb der Nato "ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates eigene militärische Gewalt zum Schutze ... fremder Staatsangehöriger im Ausland ... einsetzten", ohne hierfür die Zustimmung des betroffenen Staates zu haben, handeln sie völkerrechtswidrig. Die beteiligten Staaten könnten sich auch nicht auf eine "völkergewohnheitsrechtliche Rechtfertigung" berufen. Nach dem deutschen Grundgesetz seien die allgemeinen Regeln des Völkerrechts "Bestandteil des Bundesrechts". Folglich dürfe auch die Bundesregierung keiner militärischen Intervention der Nato ohne UN-Mandat zustimmen.

Den Einwand, "humanitäre Interventionen" richteten sich nicht gegen die territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhänigkeit eines Staates und verstießen somit auch nicht gegen Artikel 2 der UN-Charta, halten die Juristen für nicht zutreffend. Diese Auffassung widerspreche der überwiegenden Meinung des deutschen und internationalen Schrifttums zum Völkerrecht.

Der deutschen Sektion der Juristen-Vereinigung Ialana gehört unter anderem der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Helmut Simon (SPD), an. Der Frankfurter Staatsrechtler Erhard Denninger ist Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats.

Dokumentiert aus FR vom 15.10.98

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