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Erstellt:
November 1997


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FriedensForum 7/1998


Pax Christi in der Tschechischen Republik:

Die Versöhnung steht im Mittelpunkt

Peter Morece

Die Pax-Christi-Sektion in der Tschechischen Republik ist eine vergleichsweise junge Gruppe, die grundsätzlich ökumenisch arbeitet. Verschiedene Mitglieder gehören zur Evangelischen Kirche oder sind in keiner Kirche aktiv.

"pax-Christi-Ceskà republika", wie die tschechische Pax-Christi-Sektion offiziell heißt, arbeitet seit 1991. Damals traf sich eine Gruppe von jungen Leuten, die in der Kirche aktiv sein wollten und für ein solches Engagement nach Möglichkeiten suchten. Die Erfahrung der "Internationalen Route" in Österreich gab dann den Ausschlag und die Gruppe begann, im Geist und nach den Idealen von Pax Christi zu arbeiten. Die Ökumene war dabei unser Ausgangspunkt: Als erste öffentliche Aktivität unserer Gruppe veranstalteten wir eine umfangreiche Reihe von Vorlesungen über Religionen. In der tschechischen Gesellschaft war nach vierzig Jahren Kommunismus das Wissen und die Auseinandersetzung mit Religion, Glauben und ihrer Alltagsbedeutung sehr gering. Damit sich die Menschen informieren können, vor allem junge Leute und Studenten, organisierten wir Vorlesungen mit Vertretern aller Kirchen, Religionen und Glaubensrichtungen, die in der Tschechischen Republik präsent sind. Als Ort wählten wir die Karlsuniversität in Prag, was ein Maximum an Zugänglichkeit garantierte.

Schon bald wurden wir von Pax-Christi International als "affiliated group" adoptiert. Die internationale Bewegung und verschiedene nationale Sektionen besaßen bereits viele Kontakte in der Tschechischen Republik, die meisten stammten noch aus der Zeit des kommunistischen Regimes. Die Kontakte mit den Dissidenten aus der Bürgerrechtsbewegung "Charta 77" waren hiervon die bedeutendsten. In der Charta gab es eine feste Gruppe von katholischen Intellektuellen wie Václav Maly, Dana Némocova und Václav Benda. Solche Personen übernahmen nach der Wende oft politische Funktionen oder bekleideten andere öffentliche Ämter. Sie waren dadurch leider nicht imstande, sich auch für Pax Christi-Tschechien zu engagieren. Unsere junge Gruppe blieb also der Kern von Pax Christi in Tschechien. Allerdings wurden einige der ehemaligen Dissidenten Mitglieder von Pax Christi, so daß ihr Name und ihre Reputation uns helfen. Das ist eine wichtige Sache, weil ihr Kredit in der Gesellschaft noch immer hoch ist. So ist es für uns auch sehr bedeutsam, daß 1994 Vàclav Maly, heute Weihbischof, Ehrenvorsitzender von Pax-Christi-Tschechien wurde. Beim Treffen in Assisi 1995 wurde die Gruppe dann als vollwertige Sektion von Pax-Christi anerkannt.

 zum AnfangSeit 1993 hat sich die Arbeit von Pax-Christi in Tschechien dann stärker politisch entwickelt. Anlaß dafür war die immer größer werdende Diskussion über das tschechisch-deutsche Verhältnis. Es zeigte sich, daß das vierzigjährige erzwungene Schweigen über den Zweiten Weltkrieg und seinen Verlauf in Tschechien eher den unbearbeiteten historischen Traumata um die sudetendeutsche Frage das Leben verlängert hatte. Versöhnung und Vergebung wurden auf einmal häufig benutzte Wörter in der Öffentlichkeit. Für uns als Pax-Christi gehörte diese Diskussion zum Kern unseres Engagements, da gerade diese Begriffe auch Schlüsselwörter unseres Selbstverständnisses sind.

Unsere Sektion knüpfte deshalb Kontakte nach Deutschland. Die Ackermanngemeinde als katholischer Verein von Sudetendeutschen war ein selbstverständlicher Partner. Auch mit der Evangelischen Studentengemeinde begann eine Zeit der Zusammenarbeit. Gemeinsam organisierten wir eine Konferenz über die "Sudetendeutsche Frage", an der hauptsächlich StudentInnen teilnahmen. Ein zweites Treffen fand im Grenzgebiet von Nord-Böhmen und Sachsen statt, wo die konkreten Folgen der schlimmen historischen Ereignisse im Mittelpunkt standen.

Einen gewissen Höhepunkt bildete dann die gemeinsame Erklärung der Pax-Christi Sektionen Deutschland und Tschechien im Oktober 1996. Das war die Zeit, in der die politischen Verhandlungen über die offizielle tschechisch-deutsche Erklärung stockten und eine gemeinsame Erklärung immer mehr in Zweifel gezogen wurde. Beide Sektionen forderten die Politiker in beiden Ländern auf, jetzt den entscheidenden Schritt zu tun und auf Parteipolitik zu verzichten. Diese Pax-Christi Erklärung erhielt dann auch eine große Resonanz in der Presse.

Eine kleine Gruppe steht immer in der Gefahr, zu viel zu wollen und zu wenig zu können. Alle Mitglieder üben einen Beruf aus und arbeiten in ihrer Freizeit bei Pax-Christi mit. Das ist oft eine ernsthafte Beschränkung unserer Möglichkeiten.

 zum AnfangFür die tschechische Sektion müssen deshalb hinter den Bemühungen um das tschechisch-deutsche Verhältnis andere wichtige Themen etwas zurückstehen. In 1995, der Zeit des Krieges in Tschetschenien, organisierten wir eine Reihe von Vorlesungen über den Kaukasus und die Hintergründe der Konflikte. Längere Zeit besuchten wir regelmäßig auch ein Lager mit Flüchtlingen aus Bosnien.

In den letzten Jahren hat unsere Sektion langsam eine bestimmte Linie gefunden, von der wir hoffen, daß sie eine Perspektive hat. Die nächsten Jahre werden dies zeigen. Ein klares Problem ist jedenfalls, daß unsere tschechische Gesellschaft ziemlich wenig an Werten nicht-materieller Art interessiert ist. Nicht nur Pax-Christi, auch andere Organisationen haben Schwierigkeiten, neue Mitglieder zu gewinnen. Schon das Sich-Organisieren, um etwas zu erreichen, stößt oft auf Ablehnung. Darum rechnen wir nicht damit, daß Pax-Christi Tschechien in der nächsten Zeit viele neue Mitglieder gewinnt. Wie immer ist Friedens- und Menschensrechtsarbeit eine Arbeit kleiner Schritte und erfordert viel Geduld. Glücklicherweise sind wir in der Pax-Christi-Familie völlig aufgenommen. Ein Zeichen dafür ist, daß unser Mitglied Dana Nemcova, Unterzeichnerin der "Charta 77", im Jahre 1991 den Pax Christi Friedenspreis erhalten hat und im internationalen Council in London 1997 zum Mitglied des internationalen Vorstandes gewählt worden ist.

Peter Morece ist Koordinator von Pax Christi Tschechien
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