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Erstellt:
April 1998


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FriedensForum 7/1998


Konferenz des Weltfriedensrates in Dakar

Hans-Peter Richter

"Frieden und Entwicklung" hieß das Thema einer Konferenz mit etwa 50 Teilnehmern aus 17 Ländern, die vom 19.- 22.2.1998 in Dakar (Senegal) stattfand. Die Teilnehmer kamen aus folgenden Ländern: Ägypten, Guinea-Bissau, Elfenbeinküste, Mali, Kongo-Brazaville, Senegal, Palästina, China, Japan, Indien, USA, Mexiko, Frankreich, Großbritannien, Griechenland, Portugal und Deutschland. Viele Mitgliedsländer des Weltfriedensrates hatten sich entschuldigen lassen, weil ihnen die Reise nach Afrika zu teuer war. Die Präsidentin des Weltfriedensrates, Albertina Sisulu aus Südafrika, und die als Rednerin vorgesehene Präsidentin von Mosambik, Graca Marchel, konnten wegen dringender anderer Verpflichtungen nicht kommen.

Die Initiative zu dieser Konferenz ging vom Generalsekretariat des Weltfriedensrates (mit Sitz in Frankreich) aus. Eingeladen hatte die Senegalesische Friedensbewegung.

Begrüßung durch den Außenminister

Tagungsort an den ersten zwei Konferenztagen war der Konferenzsaal des Außenministeriums. Der Außenminister des Senegal, Moustapha Niasse, sprach warmherzige Begrüßungsworte und ließ auch vom Präsidenten Abdou Diouf grüßen. In seiner flammenden Rede beschwor er die Ideale des Friedens und wünschte fruchtbare Debatten.

Danach sprach die Generalsekretärin des Weltfriedensrates (WFR), Lysiane Alezard. Sie nannte die Ziele der Konferenz:

- mit Experten, Forschungsinstituten, Institutionen
  (wie der UN) und Nicht-Regierungs-Organisationen
  (NRO) Informationen und Ideen auszutauschen, wie
  man Konflikten vorbeugen und bewältigen kann.

- der Entwicklungshilfe einen neuen Schub zu geben
  (Einhaltung des Versprechens mindestens 0,7% ğdes
  Bruttosozialproduktes zu geben)

- die Kultur des Friedens zu fördern.

Sie wies auf die für Afrika besonders verhängnisvollen Folgen des Waffenhandels hin und kam zu dem Schluß, daß sich Entwicklung und Militär gegenseitig ausschließen.

Der Ehrenpräsident des WFR, der Inder Romesh Chandra, sprach u.a. über das Thema, das in diesen Tagen alle bewegte, die Irakkrise. Er meinte, egal wer Recht hat, es dürften auf keinen Fall Bomben fallen. Er wies auf die Scheinheiligkeit der USA hin: "Als Israel ständig die Beschlüsse der UNO verletzte, wurden da Bomben geworfen?"

 zum AnfangDer Sekretär des Japan Peace Committee, Tadaki Kawata, verlas die Botschaft von Albertina Sisulu. Darin äußerte sie sich dankbar, daß die Konferenz des WFR in Afrika stattfindet, dort wo es am unterentwickeltsten sei.

Konfliktvorbeugung und -behandlung

Der Nachmittag des ersten Konferenztages stand unter dem Motto: "Wie kann man Konflikten in Afrika vorbeugen?"

Zunächst sprach darüber der senegalesische Botschafter in Somalia, Mohamed Sahoun. Er nannte die speziellen afrikanischen Probleme: Übervölkerung, Vernichtung des Waldes, Bodenerosion, sinkende Gelder der Entwicklungshilfe. In Somalia und Äthiopien seien 70-80% von der Bodenerosion betroffen. Eine gute Regierung berücksichtigt die gesellschaftlichen Strukturen der einzelnen Ethnien und Clans und ermöglicht allen eine politische Teilnahme. Das Gegenteil geschieht in Somalia und führt in das Chaos. Weitere Probleme sind:

- die willkürlichen Grenzziehungen afrikanischer
  Länder durch die frühere Kolonisation.

- Befreiungskämpfe und soziale Kämpfe

- religiöse Gegensätze

- der Waffenhandel

Er schlug nach dem Vorbild der internationalen Kampagne gegen Landminen eine Kampagne gegen Kleinwaffen vor.

Weitere Themen seiner Rede waren die Mechanismen zur Konfliktvermittlung und er schlug dazu vor, daß die regionalen Institutionen bei der Behandlung von Konflikten einbezogen werden müssen. Äußerst wichtig sei auch ein promptes Eingreifen bevor es zur (weiteren) Eskalation kommt. Er beklagte sich darüber, daß sich in vielen Ländern des Südens noch keine Zivilgesellschaft aufgebaut hat. Er zitierte aus dem Manifest der UNESCO: "Mehr denn je sind heute neue Strukturen der Konstruktion des Friedens nötig, um von einer Kultur des Krieges zu einer Kultur des Friedens zu kommen."

Das Beispiel Mali

Der nächste große Vortrag des Tages wurde von dem Briten Robin Poulton gehalten, der in Genf für das westafrikanische Abrüstungsprogramm der UNIDIR arbeitet. Er sprach über den Musterfall Mali. Er arbeitet seit 20 Jahren jeweils zur Hälfte in Genf und Mali. Er schilderte, in vielen Einzelheiten, wie es nach der Unabhängigkeit von Mali 1960 in den folgenden Jahren zu Bürgerkrieg und Chaos kam und wie man bis 1996 zu friedlichen Verhältnissen zurückkehren konnte. Wichtig dabei war, daß man sich auf traditionelle Strukturen besann und vor allem ein Moratorium für den Import, Export und die Herstellung von Waffen. So märchenhaft das für uns klingt, das aber brachte neben anderen Bedingungen den Frieden. Darüber schrieb er ein Buch in englischer Sprache und ein zweites in französischer Sprache.

 zum AnfangDer Vortrag von Robin Poulton über Mali war mit Abstand der beste Beitrag der Konferenz. Wem es zu viel ist, das als Buch in englisch oder französisch zu lesen, kann vom Deutschen Friedensrat auch eine englische Kurzfassung (15 Seiten) oder eine französische (7 Seiten) erhalten.

Am nächsten Tag ging es weiter mit dem Thema "Über die Konfliktlösungen und einen dauerhaften Frieden in Afrika". Die Einführung hielt der Wirtschaftswissenschaftler Samir Amin.

Er sagte u.a., daß es einen dauerhaften Frieden nur in der Demokratie gibt. Konflikte aus religiösen, geographischen und Profitgründen werde es immer geben. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte in den entwickelten, europäischen Ländern Frieden (mit einigen Ausnahmen, z.B. Spanien und Nordirland). Anderswo war ständig Krieg, z. B. in Afrika. Daraus ergibt sich die Frage, welche Bedingungen für den Frieden zu erfüllen sind. Ökonomische Entwicklung sei wichtig, doch der einzige Garant sei der soziale Fortschritt.

Das Dreieck des Friedens: Regierung/UNO/NRO

Hauptredner des Vormittags war Alioune Loum vom Informationszentrum der Vereinten Nationen in Dakar. Er meinte, die heutige Generation kenne den Krieg nicht mehr, dafür aber Gewalt in der Form von Konflikten, Völkermord und Massakern. Afrika sei eigentlich reich (Diamanten, Gold, Öl, Edelhölzer), aber trotzdem würde Afrika als unterentwickeltster Kontinent in das nächste Jahrtausend gehen. Das Image von Afrika sei schlimm, mit Afrika verknüpfe man Krieg, Krankheit, Hunger, Leiden und Tod. Dieses Bild wurde von Somalia, Liberia, Angola, Ruanda und Algerien geprägt. (im sonst friedlichen Senegal gibt es blutige Konflikte in der südlichen Casamance.) Die Gründe für diese schrecklichen Verhältnisse sieht er in Fehlern in der Vergangenheit, Diktaturen und einer schlechten Regierung und Verwaltung. Die Wurzeln für die Konflikte sind vielfältig: ideologische Barrieren, vermutete Feindseligkeit, Vorurteile und ethnische, soziale, kulturelle und sprachliche Unterschiede.

Einen Ausweg aus diesem Dilemma sieht Alioune Loum in Partnerschaften:

1) zwischen der UNO und der Regierung,

2) zwischen den NRO`en und der Regierung

3) zwischen der UNO und den NRO`en.

zu 1) Die Aufrechterhaltung des Friedens wird durch internationale UN-Truppen sichergestellt. Diese Aktionen haben sich stark ausgeweitet. Waren es vor 1988 in 40 Jahren nur 11, waren es nach 1988 schon 28. Daran waren 70.000 Menschen aus 77 Ländern beteiligt. Darüber hinaus dürfe man aber nicht vergessen, daß es auch neue Probleme gibt wegen des starken Bevölkerungswachstums und der Schuldenfalle. Wichtige Hilfe komme auch durch die Hilfsorganisationen der UN, wie UNICEF, FAO, usw.

 zum Anfangzu 2) Die NRO`en hätten einen wichtigen Beitrag zum Aufbau und Aufrechterhaltung des demokratischen Lebens und der Entfaltung der Menschen geleistet. Seit den 80`ern hätten die Aktivitäten der NRO`en 100 Millionen Menschen aus Entwicklungsländern, 601 Millionen aus Asien und 25 Millionen aus Lateinamerika und 12 Millionen aus Afrika betroffen.

zu 3) Heute sind 1500 NRO`en alleine bei der Abteilung für Informationen bei der UN akkreditiert, bei der WHO sind es mehr als 5000.

Aliune Loum schloß mit folgendem Gedanken: Wenn diese Partnerschaften funktionieren und dazu alle Informationen verfügbar gemacht werden und die Chancen der modernen Komunikationstechnologien ergriffen werden, sind Frieden und eine dauerhafte Entwicklung möglich.

In der anschließenden Diskussion kamen weitere Vorschläge und Beispiele wie Frieden zu schaffen ist.

Entwicklungshilfe und NRO

Am Nachmittag war das Thema "Die Herausforderung eines neuen Schubes für die Entwicklungshilfe und die Rolle der NRO`en". Es gab viele Diskussionsbeiträge, u.a. von der senegalesischen Frauenbewegung über Geschlechterprobleme, von der Universität Dakar über Machtmanagement, vom Senegalesischen Demokratischen Bündnis der Lehrer über die Mittelklasse und die Machtfrage

Die Zusammenfassung der zweitägigen Konferenz im Außenministerium brachte der Wirtschaftswissenschaftler Bernard Founou, vom Forum Dritte Welt. Die Sorge um die Behandlung von Konflikten hätten alle Teilnehmer gemeinsam. Wenn es auch in manchen Ländern Afrikas eine demokratische Entwicklung gegeben habe, so hätte die Demokratie jedoch nicht das Erhoffte für Afrika gebracht. Schlechte Verwaltung und Regierung sowie Vetternwirtschaft gäbe es nach wie vor. Einige wenige lebten auf Kosten vieler und viele ethnische Gruppen hätten Angst um ihr Leben. Wachsam seien alle Konfliktfaktoren vorausschauend zu analysieren. Wie schon am Vormittag wurde die Zusammenarbeit zwischen der Regierung, den NRO`en und der UNO als unerläßlich angesehen.

In der Diskussion wurde auf die Wichtigkeit der Friedenserziehung der Kinder hingewiesen, sie seien die zukünftigen Friedensmacher. Frauenbewegte beklagten, daß Frauen oft nicht in den Entscheidungsprozeß einbezogen und kaum ihre Rechte kennen würden.

Daniel Durand sprach dann zum Thema "Entwicklung einer Kultur des Friedens". Er brachte ein gutes Beispiel aus El Salvador, wo es gelungen war die Kultur des Krieges zu überwinden (siehe dazu das Aktionsprogramm). Die Kultur des Friedens sei eine Daueraufgabe, die eine Änderung der Machtverhältnisse beinhalte. Die Investitionen in Entwicklungsländer sind unfair verteilt und gingen nur dahin, wo Profit sei. Vehement sprach sich Daniel gegen das MAI-Abkommen aus, durch das Auslandsinvestitutionen von Konzernen geschützt werden sollen. Dadurch erhielten die Konzerne mehr Rechte als nationale Regierungen.

 zum AnfangDie japanische Delegation bat um Unterstützung bei ihrem Kampf gegen die US-Militärstützpunkte in Okinawa.

Frieden ist mein Weg

Der dritte und vierte Tag der Konferenz fand etwas außerhalb von Dakar in der Eliteschule "Cours Sainte Marie de Hann" statt. Am Namen erkennt man schon, daß diese Schule in Hann von der katholischen Kirche unterstützt wird. Auf dem weitläufigen, sehr gepflegten Gelände sind mehrere Unterrichtsgebäude, Klubs und Versammlungsräume und ein Restaurant untergebracht. Hier lernen 3600 Schüler aus 9 Ländern. Für seine Friedenserziehung erhielt die Schule 1993 einen Preis der UNESCO. Das Motto der Schule lautet: PAX VIA MEA (Der Frieden ist mein Weg.) Der Direktor der Schule begrüßte uns und erklärte uns das Ziel der Schule. "Wir folgen den Vorstellungen der UNESCO. Ein dauerhafter Frieden ist nur möglich, wenn die Entscheidungsträger von morgen von einem Leben ohne Gewalt tief überzeugt sind."

Regionaltreffen des Weltfriedensrates

Der dritte Konferenztag war der regionalen afrikanischen Friedensbewegung gewidmet. Hier schilderten die einzelnen afrikanischen Delegationen ihre Friedensarbeit und welche Hindernisse dabei zu überwinden sind. Es fehlt an dem nötigsten; so sollte jeder Nicht-Afrikaner 2 Pakete Kopierpapier mitbringen. In fast jedem Beitrag wurden Unzulänglichkeiten, Inaktivität und mangelnde Kooperation und Vernetzung beklagt.

Albertina Sisulu zurückgetreten

Der vierte und letzte Konferenztag war der Tag des Exekutivkomitees des Weltfriedensrates. Lysiane überraschte die Teilnehmer mit der Mitteilung, daß die Präsidentin des Weltfriedensrates wegen dringender Aufgaben in ihrem Land (Südafrika) ihren Rücktritt erklärt hatte. Über die Nachfolge wurden keine Beschlüsse gefaßt.

Aktionsplan

Nach schier endlosen Diskussionen wurde am Abend ein Aktionsplan angenommen, der demnächst veröffentlicht wird. Das nächste Treffen des Weltfriedensrates wird 1999 in Vietnam stattfinden. Die Sekretärin des Weltfriedensrates Lysiane Alezard hat wesentlich zum Erfolg des Treffen beigetragen.

Fazit

Insgesamt waren das sehr anstrengende, aber auch durch die vielen Begegnungen schöne Tage. Den Afrikanern tat es sichtlich wohl, daß die ganze Welt bei der senegalesischen Friedensbewegung zu Gast war. Die afrikanischen Gruppen des Weltfriedensrates zeigten neue Motivation, und das war ja ein Zweck. Wie immer bei solchen Konferenzen waren nicht nur die Reden wichtig, sondern auch die Verabredungen, die am Rande der Konferenz getroffen wurden. Der Generalsekretär der Chinesischen Volksvereinigung für Frieden und Abrüstung Chen Jifeng möchte mit der deutschen Friedensbewegung ein deutsch-chinesisches Austauschprogramm, ähnlich dem Deutsch-Japanischen Friedensforum aufbauen. Ein ähnlicher Vorschlag kam aus Indien. Die Chinesen nahmen an der Weltfriedenskonferenz nur als Beobachter teil, auch ist ihre Vereinigung eher der Regierungsseite zuzurechnen. Aber spannend könnte das schon werden. Ich bekam auch eine Email-Nummer aus China. Die Welt wächst zusammen.

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Hans-Peter Richter ist Mitglied des Deutsch-Japanischen FriedensForums

E-Mail:   a-hpr@t-online.de
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