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Erstellt:
Mai 1998

FriedensForum 7/1998


Entstehung der Friedensforschung und ihrer Themen

Uta Klein

Im Unterschied zu einigen anderen Staaten sind Friedensforschungsinstitute nicht aus sozialen Bewegungen hervorgegangen. In Israel entstand die Friedensbewegung später als einige der Institute, die Friedensforschung und Friedenspädagogik betreiben.

Seit Bestehen des Staates Israel konzentrierten sich Kernfragen der Forschung erstens auf die geopolitische Lage des Staates im Nahen Osten und zweitens auf die internationalen Beziehungen und Bündnisse. Die Bündnisforschung drehte sich vor allem um die Rolle der Sowjetunion im israelisch-arabischen Konflikt, nachdem die UdSSR seit den 50er Jahren die arabischen Staaten unterstützte sowie um die Rolle der USA. In den Forschungsbereich der politischen Beziehungen fallen unter anderem Studien zum Verhältnis Israels zu den einzelnen arabischen Staaten; zu Konfliktpunkten wie der Wasserfrage und des Ölvorkommens im Nahen Osten; zu Möglichkeiten wirtschaftlicher Kooperationen in der Region sowie Arbeiten zu Konfliktlösungsstrategien und zum israelisch-palästinensischen Verhältnis.

Einen weiteren Forschungsbereich stellen die zivil-militärischen Beziehungen dar. Bis in die 70er Jahre fußten Darstellungen des Militärs und der Kriege ausschließlich auf Tagebüchern und Heldengeschichten. Aufgrund der unübersehbar zentralen Position der Streitkräfte standen in den 70er und 80er Jahren Fragen nach der Kontrolle des militärischen Apparates durch Parlament und Regierung im Vordergrund: Hat Israel beispielsweise ein prätorianisches System, ist es Garnisonsstaat oder eine Nation in Waffen? Wie verhalten sich etwa politische und militarische Eliten zueinander?

 zum AnfangBesonders in diesem zuletzt genannten Bereich ist eine "Unantastbarkeit des Sicherheitsdiktums" auf Kosten der intellektuellen Freiheit und objektivierten Analyse festzustellen. Kennzeichnend ist auch, daß Untersuchungen über den militärisch-industriellen Komplex in dieser Zeit fehlen. Im letzten Jahrzehnt änderte sich auch dies: Durch einen Perspektivenwechsel vor allem der jüngeren Generation israelischer WissenschaftlerInnen ist eine Diskussion darüber eingeleitet worden, ob Israel als "militaristische" Gesellschaft betrachtet werden kann. Die Diskussion über den Begriff "militaristisch" deutet auf eine zunehmende Liberalisierung der Forschung hin.

In den letzten Jahren kristallisierte sich daher ein Forschungsbereich heraus, der sich der Frage des Übergangs von einer militärisch-dominierten oder militaristischen Gesellschaft zu einer Zivilgesellschaft widmet. Er wurde durch die Skepsis gegenüber den militärischen Interventionen seit 1982 sowie durch die Konfrontation mit der Intifada und den Beginn eines Friedensprozesses ausgelöst, der die Priorität des "Sicherheitsethos" in Frage stellt. Dieser Übergang, eine Demilitarisierung der Gesellschaft, wird als Demokratisierungsprozeß beschrieben und berührt Kernfragen des Selbstverständnisses israelischer Identität. Dabei werden - wie zum Beispiel von den sogenannten neuen HistorikerInnen - Mythen der israelischen Geschichte hinterfragt (z.B. daß Israel jahrzehntelang Friedensangebote unterbreitet habe, die von den arabischen Staaten alle abgelehnt worden seien) und nationale Heldenfiguren demontiert. Eine der entscheidenden Fragen wird zukünftig die nach der Konzeption des israelischen Staates sein: Ist es überhaupt möglich, daß Israel ein jüdischer und zugleich ein demokratischer Staat ist?

Friedenserziehung

Fast alle Institutionen arbeiten nicht nur akademisch, sondern initiieren eigene praktische Projekte. Besonders im Bereich der jüdisch-arabischen Beziehungen in Israel, d.h. der Beziehungen zwischen jüdischen Israelis und arabischen Israelis gibt es eine Reihe von Begegnungsprojekten. Initiativen zum Abbau von Vorurteilen werden vor allem im Erziehungsbereich ergriffen, beispielsweise zu Veränderungen in Schul- und Kinderbüchern oder in Unterrichtscurricula. in den letzten Jahren wurden vor allem Begegnungsprojekte zur Stärkung der israelisch-palästinensischen Verständigung angeregt, d.h. hier wurden auch PalästinenserInnen aus den besetzten Gebieten miteinbezogen. Gerade diese Projekte sind durch den Paradigmenwechsel der Likud-Regierung gefährdet. Zunehmend zweifeln jetzt palästinensische WissenschaftlerInnen überhaupt an der Sinnhaftigkeit solcher Projekte, da sie zwar im zwischenmenschlichen Bereich etwas verändern können, aber doch kaum spürbaren Einfluß auf die Politik haben.

 zum AnfangAuf der anderen Seite fließen enorme Beträge von Organisationen aus dem Ausland, die sich stark auf jüdisch-arabische Verständigung konzentrieren, in diese Region. Dies führt zu Konkurrenzen und damit leider häufig zu mangelnder Kooperation, Transparenz und - so ist zu befürchten - auch Effizienz. Inzwischen ist zu beobachten, daß die an den verschiedenen Projekten teilnehmenden Gruppen sich aus dem immer selben Personenkreis zusammensetzen. Es entsteht eine Art Workshopinflation, wobei es an kritischer Evaluation der meisten Projekte mangelt.



Uta Klein ist Soziologin an der Universität Münster
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Übergeordnetes Thema:

Zivile Konfliktbearbeitung
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