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Erstellt:
05.03.1999


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FriedensForum 2/1999


Gründung und Arbeit des Martin-Luther-King-Zentrums

"Sein Traum ist unter uns"

Sonnhild Thiel

In einer Gesellschaft, die dazu übergeht, Konflikte immer mehr durch Gewalt lösen zu wollen, in der das Recht des Stärkeren auf dem Vormarsch ist und Ellenbogen zum wichtigsten Körperteil mutieren, ist es umso wichtiger, Gegenpole zu setzen : Modelle gewaltfreier Konfliktlösungen zu entwickeln, vorhandene Modelle zu erproben und an Erfahrungen mit gewaltfreier Konfliktaustragung zu erinnern. In diesem Sinne arbeitet der noch junge Verein "Martin-Luther-King-Zentrum für Gewaltfreiheit und Zivilcourage - Archiv der Bürgerbewegung Südwestsachsens". Mit der Vereinsgründung im vergangenen Spätsommer entstand auf kleinstem Raum in Werdau das einzige Martin-Luther-King-Zentrum in Deutschland. Dieses Zentrum widmet sich der Förderung von Frieden, Gewaltfreiheit und Zivilcourage in der Gesellschaft. Es will Bildungs- und Begegnungsarbeit, insbesondere unter Jugendlichen leisten, um Gewalt und Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft zu begegnen.

Darüber hinaus will der Verein als Aufarbeitungsinitiative für DDR-Oppositionsgeschichte und SED-Unrecht Archivmaterial sammeln und erschließen. Das Zentrum will insbesondere der Frage nachgehen, inwieweit aus der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King Wirkungen in die Friedens- und Bürgerbewegung der DDR ausstrahlten und auf diese Weise der Weg dafür bereitet sein könnte, dass die aus den Friedensgebeten entstandenen Demonstrationen des Wendeherbstes 1989 gewaltfrei verliefen und zu einer friedlichen Revolution führten. Auch den Kirchenkampf während des Nationalsozialismus will das Zentrum dokumentieren und weiter erforschen.

 zum AnfangIm sächsischen Werdau und Umgebung hat die gewaltfreie Bewegung eine Tradition. Es wurden Auseinandersetzungen des Kirchenkampfes geführt; 19 Werdauer Jugendliche, die sich im Geist der "Weißen Rose" antistalinistisch artikulierten, wurden 1951 zu insgesamt 130 Jahren Zuchthaus verurteilt; 1973 wurde das erste christliche Friedensseminar in der DDR gegründet. Und 1989/90 entstanden der erste "Runde Tisch" der DDR und die erste SED-unabhängige Zeitung in Sachsen.

Hauptinitiator des Zentrums ist der Bürgerrechtler Georg Meusel, dessen jahrzehntelanges pazifistisches Engagement nachhaltig durch die US-amerikanische Bürgerrechtsbewegung geprägt wurde und vor allem durch den schöpferischen Radikalismus Kings. Georg Meusel stellte 1970 ein international viel beachtetes philatelistisches Exponat über Martin Luther King zusammen. Über dieses Medium wurden die Ideen der Gewaltfreiheit und die Methoden der Gewaltfreien Aktion in mehreren Ausstellungen in der DDR und anderen osteuropäischen Ländern ganz legal publik gemacht. Ja, Widerstand braucht Phantasie und Zivilcourage. Ihm gelang es auch 1987 nach jahrelangem Bemühen, den großen King-Dokumentarfilm "... dann war mein Leben nicht umsonst" auf abenteuerliche Weise in die damalige DDR zu holen, den dann bis 1989 über 10.000 Menschen gesehen hatten. Treffend steht in Meusels 2500 Seiten umfassenden Stasiakte: "Der Verdächtige ist bestrebt, die für die kapitalistischen Verhältnisse entwickelte Kampfesform des gewaltlosen Widerstandes auf die sozialistischen Verhältnisse der DDR zu übertragen."

Mitte Januar 99 veranstaltete das Zentrum anlässlich des 70. Geburtstages von King eine Tagung unter dem Thema "Gewaltfreiheit gestern - heute - morgen". Mit dem Referenten Dr. Heinrich W. Grosse und der Gospelsängerin Melbra Rai waren bei diesem Symposium zwei Menschen zu Gast, deren Lebensweg den Martin Luther Kings persönlich gekreuzt hatte. Das Seminar, die Filmveranstaltungen und das Konzert (über 500 BesucherInnen) stießen auf sehr große Resonanz bei den TeilnehmerInnen und in den Medien.

Gleichzeitig wurde in den Vereinsräumen in Werdau eine Ausstellung mit 22 Exponaten über Martin Luther King eröffnet. Diese Kunstwerke entstanden meist aus Wut und Empörung nach dem feigen Mord an dem Bürgerrechtler und sind größtenteils erstmals öffentlich zugänglich. Die Ausstellung ist noch bis Juni 99 zu sehen.

Nähere Informationen können angefordert werden beim : Martin-Luther-King-Zentrum, Am Torbogen 5, 08412 Werdau, Tel. 03761-58181, http://www.martin-luther-king-zentrum.de



Sonnhild Thiel ist Mitarbeiterin der DFG-VK Baden-Württemberg und der Werkstatt für gewaltfreie Aktion, Baden.
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