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vom:
06.12.1999


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FF 6/99 "Kultur des Friedens":

  Krisen und Kriege

NATO-Krieg contra Völkerrecht

Martin Singe

Die völkerrechtliche Diskussion um den Nato-Krieg gegen Jugoslawien wird auch nach dem Krieg weitergeführt. Während die Kriegsbefürworter ein neues Nothilferecht für "humanitäre" Interventionen zu konstruieren versuchen, beharren die kritischen Völkerrechtler weiter auf der Tatsache, dass es sich bei dem Nato-Krieg um einen eindeutigen Verstoß gegen herrschendes Völkerrecht handelte. Logisch eigentlich, denn gerade mit diesem Krieg sollte ja das herrschende Völkerrecht ausgehebelt werden. Die Nato wollte die lästige Bindung an die UNO abschütteln und will sich künftig selbst für Kriegseinsätze mandatieren. So heißt es auch im neuen Strategiedokument der Nato nur noch: Die Nato wird bei künftiger Krisenbewältigung "darum bemüht sein"(!), "in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht" zu handeln. Nachfolgende Zitate gehen auf die angesprochene Völkerrechtsdiskussion ein und verdeutlichen die eigentlichen Kriegsziele.

Dr. Hermann Weber, Institut für Internationale Angelegenheiten an der Universität Hamburg, in FAZ, 9.7.99:

"Wollte man in den klaren Bestimmungen der UN-Charta trotzdem kein Hindernis sehen und der Nato in Fragen der effizienten Durchsetzung der Menschenrechte eine Legitimation zugestehen, die sie nach verbreiteter Auffassung bisher eigentlich nicht hatte, so läge in einer solchen Interpretation der UN-Charta ein Paradigmenwechsel vor, für den die entsprechenden normativen Nachweise zu erbringen sind. Die Befürworter der Nato-Luftangriffe sehen diesen Nachweis im Prozess der fortlaufenden Verfestigung und Erweiterung der Menschenrechte und ihrer Anerkennung - einem Prozess, von dem sie meinen, dass er bereits so weit fortgeschritten sei, dass er auch die gewaltsame Intervention ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates erlaube. Indes bleibt die Frage zu beantworten, ob der Fortschritt, den sie zu Recht in einer stärkeren Verankerung der Menschenrecht im Bewusstsein der Völker und Staaten sehen, auch die Gewährleistung der Menschenrechte erfasst, ob also diese Weiterentwicklung des Völkerrechts auch von einer entsprechenden Staatenpraxis in der Frage seiner Durchsetzung bestätigt wird. Nur dann, wenn ein eintsprechendes Staatenverhalten über einen längeren Zeitraum und begleitet von einer diesem Verhalten korrespondierenden Rechtsüberzeugung beobachtet werden kann, könnte auch von einem wirklichen Rechtswandel gesprochen werden. Die Staatenpraxis scheint gegen einen Rechtswandel in der Frage der gewaltsamen Durchsetzung der Menschenrechte zu sprechen. Weder in Tibet noch in Tschetschenien, noch in Ost-Timor, Sierra Leone oder Uganda haben einzelne Staaten, Allianzen oder regionale Sicherheitsorganisationen gewaltsam zum Schutz der Menschenrechte eingegriffen. ... In keinem Fall wurde aus der Tatsache der zunehmenden Verankerung des Menschenrechtsgedankens im Bewusstsein der Weltöffentlickeit die Befugnis zu einseitigen militärischen Maßnahmen ohne Beteiligung des UN-Sicherheitsrates abgeleitet. ... Es ist nicht zu erkennen, dass die Staatengemeinschaft in Umkehr ihrer bisherigen Praxis grobe und systematische Menschenrechtsverletzungen als einen Anwendungsfall der ´Friedensbedrohung` begreift, der über das Gewaltmonopol des UN-Sicherheitsrates hinaus (Artikel 39) auch andere Bündnissystem und Regionaleinrichtungen zu einem eigenmächtigen Einschreiten in bewaffneter Form ermächtigen kann."

"Was waren die Motive für das Diktat von Rambouillet? Nach meiner Beurteilung ist die NATO-Doktrin der Schlüssel zur Beantwortung dieser Frage. Man wusste, dass die neue Doktrin Diskussionen v.a. in den europäischen Ländern auslösen würde. Daher sollte sich die NATO in diesem Konflikt als Ordnungsmacht präsentieren." (Horst Grabert, Die vielen Gesichter des Kosovo-Krieges, in: Ulrich Albrecht / Paul Schäfer, Hg., Der Kosovo Krieg, Köln 1999, S. 28)

"Was sich beim zweiten Golfkrieg schon abzeichnete, hat sich mit dem Krieg der NATO weiter konkretisiert: die Ersetzung des UNO-Systems durch ein NATO-System und damit die Umwertung der Völkerrechtsordnung, wie sie sich unter der Herrschaft der UN-Charta herausgebildet hat." (Norman Paech, "Humanitäre Intervention" und Völkerrecht, in: Ulrich Albrecht / Paul Schäfer, Hg., Der Kosovo Krieg, Köln 1999, S. 83)

Thomas Friedman, Berater von M. Albright, in "NewYork Times Magazine" vom 28.3.99, unter dem ganzseitigen Bild eines Boxhandschuhs in US-Farben: "Was die Welt jetzt braucht: Damit der Globalismus funktioniert, darf Amerika sich nicht scheuen, als die allmächtige Supermacht zu handeln, die es ist. Die unsichtbare Hand des Marktes wird nie ohne eine unsichtbare Faust funkitonieren. Mc Donald kann nicht ohne den F-15-Konstrukteur McDonnell Douglas florieren. Und die unsichtbare Faust, die dafür sorgt, dass die Welt für Silicon-Valley-Technologien sicher ist, heißt Heer, Luftwaffe, Marine und Marineinfanterie der USA." (zit. nach: Ulrich Cremer / Dieter S. Lutz, Hrsg., Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, Hamburg 1999, S. 17)

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"Die Dramatik dieses Bruches (des Völkerrechtes) liegt vielmehr darin, dass mit der Verkündung ´einer neuen Weltordnung` gleichsam die NATO über die UNO gestellt wird. Damit aber beschwören wir einen Konflikt zwischen den 20% der reichen Erdbevölkerung mit den 80% der armen Erdbevölkerung herauf." (Horst Grabert, Die vielen Gesichter des Kosovo-Krieges, in: Ulrich Albrecht / Paul Schäfer, Hg., Der Kosovo Krieg, Köln 1999, S. 20)

P.S. Der oben zweimal zitierte Horst Grabert war ehem. Botschafter der BRD in der BR Jugoslawien.

Wir empfehlen folgende Bücher zur Nachlese des Nato-Krieges gegen Jugoslawien:
Ulrich Cremer / Dieter S. Lutz, Hrsg., Nach dem Krieg ist vor dem Krieg, Hamburg 1999

Ulrich Albrecht / Paul Schäfer, Hg., Der Kosovo Krieg, Köln 1999

Thomas Deichmann u.a., Hg., Wie Dr. Joseph Fischer lernte, die Bombe zu lieben, Frankfurt 1999.

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