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vom:
06.12.1999


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FF 6/99 "Kultur des Friedens":

  SP: "Kultur des Friedens"

Geschlechterfragen und Friedenskultur

Uta Klein

Im vergangenen Jahrzehnt ist die Sensibilisierung gegenüber Geschlechteraspekten von Krieg und Konflikten deutlich gestiegen. Auf die Tagesordnung gelangte das Thema Anfang der 90er Jahre, nachdem sich die Nachrichten über Massenvergewaltigungen und Vergewaltigungslager im Krieg in Ex-Jugoslawien häuften. Freilich waren Informationen über sexuelle Gewalt als Militärstrategie längst vorher für diejenigen zugänglich, die das interessierte: beispielsweise die erzwungene Prostitution Tausender von Frauen durch die japanische Armee während des Zweiten Weltkrieges (1) und Vergewaltigungen während der japanischen Besatzung Nankings.


Die Vierte Frauen-Weltkonferenz in Peking 1995 machte sexuelle Gewalt gegen Frauen während bewaffneter Konflikte zu einem Hauptthema. So ist u.a. in Paragraph 135 in der Aktionsplattform der Konferenz formuliert, dass zwar "die gesamte Gemeinschaft unter den Folgen bewaffneter Konflikte" leidet, Frauen und Mädchen jedoch in besonderer Weise "wegen ihres Status in der Gesellschaft und wegen ihres Geschlechtes" betroffen sind. Angesprochen werden in diesem Paragraph u.a. Mord und Folter an Frauen, Vergewaltigung als Kriegstaktik und erzwungene Schwangerschaften, Menschenrechtsverletzungen, die meistens mit Trennung der Familie, Verlust und Verschleppung von Verwandten, Verlust von Haus und Eigentum einhergehen. Nach Angaben der UNHCR machen Frauen und Kinder 80 Prozent der Flüchtlinge weltweit aus und UNICEF-Berichte gehen davon aus, dass 60 Millionen Frauen wegen geschlechtsspezifischer Gewalt "fehlen".

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Friedensforschung und Geschlechterfragen
Friedensforschung hat sich lange überhaupt nicht mit Geschlechterfragen befasst. Gewalt gegen Frauen wurde als "privates" Thema begriffen, als Thema, das die speziellen Beziehungen zwischen Männern und Frauen betrifft, aber nicht die Gesellschaft als solche (2). In vielen Arbeiten, die sich der Frage widmen, werden Frieden und Frauen (und Passivität) einerseits und Krieg und Männer (und Aggressivität) andererseits häufig einfach gleichgesetzt. Hier werden eher Stereotype über Weiblichkeit fortgeschrieben. Eine (vermeintliche) Friedfertigkeit der Frau wird mit sozialhistorisch oder sozialpsychologisch bedingten Eigenschaften des weiblichen Geschlechts begründet. Dass Frauen in der Regel nicht diejenigen waren und sind, die über Kriege, Aufrüstung und Mobilmachung entschieden haben, wird weniger auf die Verhinderung politischer Partizipation zurückgeführt, als auf eine friedensorientiertere Haltung. Nicht selten gerät diese Herleitung in die Nähe biologistischer Argumentation, wenn etwa lebenserhaltende und pazifistische Einstellungen und Verhaltensweisen aus der biologischen Fähigkeit, Leben zu gebären, abgleitet werden. Entsprechend gehen diese Friedenstheoretikerinnen auch davon aus, dass die Welt eine friedlichere wäre, wenn weibliche und mütterliche Eigenschaften dominierten, in anderen Worten, wenn mütterliches Denken gefördert würde. Hier avanciert die Frau zur Retterin der von Umweltzerstörung und Kriegsinteressen bedrohten Welt.

Arbeiten, die solche Geschlechterstereotype zurückweisen, stellen die Konstruktionen von Geschlecht in Zusammenhang mit Krieg, Militär und Frieden in den Vordergrund. Eine vermeintlich natürliche Orientierung von Frauen und Männern stellen sie in Frage und führen an, dass sowohl Frauen dem Krieg zuarbeiten als auch Männer pazifistische Orientierungen vorangetrieben haben. Die Konzentration auf vermeintlich friedfertige Aufgaben des "mütterlichen Denkens" verschleiere die Rolle, die eben jene "mütterlichen" Personen bei der Unterstützung von Krieg und Kämpfern gespielt haben. Frauen würden dadurch davon abgehalten, ihren eigenen Beitrag zur Aufrechterhaltung des Kriegssystems zu analysieren.

Wichtig ist es, die Funktionalität der Geschlechterbilder und des Geschlechterdualismus für ein System des Unfriedens deutlich zu machen. Das betrifft sowohl das zwischenstaatliche Verhältnis als auch die jeweilige Gesellschaft von ´innen`. Dazu sind spannende Untersuchungen erschienen. So macht beispielsweise Carol Cohn (1993) in ihren Studien über die Welt der Verteidigungsexperten einen Versuch, die Verwobenheit des Militärischen mit Geschlechterbildern zu zeigen. Sie analysiert die sexuellen Bilder, mit denen die Sprache und das Denken der Strategen durchzogen sind. Die höchst abstrahierten Diskurse über Tötungsvorgänge sind - so Cohn - durchsetzt von männlichen und weiblichen Attributen, die den Kern ihrer Arbeit, nämlich den Mord von Menschen, unsichtbar machen sollen.

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"Women and a Culture of Peace"-Programm der Unesco
Seit dem Jahr 1996 (3) setzt sich das Programm zur Aufgabe, die geschlechterrelevanten Faktoren aufzudecken, die den Übergang von einer Kultur der Gewalt und des Krieges zu einer Friedenskultur be- bzw. verhindern. Es soll "Fraueninitiativen für Frieden unterstützen, die Beteiligung von Frauen in demokratischen Prozessen erweitern und zu neuen Erwartungen an Männer ermutigen", so die Programmleiterin Ingeborg Breines. Eine Friedenskultur aufzubauen, bedeute vor allem in Frage zu stellen: "Institutionen, Prioritäten und Praktiken ... Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Ausschlussmechanismen, die Produktion und Verbreitung von Waffen, die Verbindung von Entwicklung primär mit ökonomischen Kriterien, die engen Konzepte von Sicherheit".

In sogenannten Experten/-innentreffen werden wissenschaftliche Ansätze diskutiert und Strategien und praktische Maßnahmen erarbeitet, die eine Friedenskultur näherbringen sollen. 1995 fand ein erstes Treffen dieser Art in Manila statt. Zum Thema "Der Beitrag von Frauen zu einer Friedenskultur" erarbeiteten Vertreter/innen von NGOs, von internationalen Organisationen und Wissenschaftler/innen Empfehlungen für die Politik, für soziale Gerechtigkeit und für Projekte im Erziehungs- und Bildungsbereich. 1997 befasste sich dann erstmalig ein Arbeitstreffen mit "Männerrollen und Männlichkeiten" und veränderte in gewisser Weise die Blickrichtung von Frauen zu Männern. Das macht Sinn, denn angesichts der globalen Veränderungen, die mit Marginalisierung, Ausschlussmechanismen und einem hohen Arbeitslosigkeitsrisiko einhergehen, verhindert die traditionelle Verbindung zwischen männlicher Identität und Macht- bzw. Entscheidungspositionen im öffentlichen und privaten Leben den Übergang zu einer Friedenskultur. Wie Robert Connell ausführte, sind "Männer die Hauptagenten der Gewalt" und eine Erziehung zum Frieden müsse einerseits respektvoll mit ihnen umgehen, andererseits grundlegende Veränderungen von Männern verlangen. Kulturell unterschiedliche Gründe für die Verknüpfung von Männlichkeit und Gewalt wurden in mehreren Beiträgen aufgezeigt: die männlich dominierte Kultur und der Ausschluss von Frauen aus sämtlichen Bereichen des öffentlichen Lebens als Hintergrund der Somalia-Tragödie (Hassan Keyan); kulturelle Hintergründe der männlichen Kämpfer- und Kriegerfigur in Ex-Jugoslawien (Svetlana Slapsak); die Folgen der Dominanz des Militärs in der Gesellschaft für das Männlichkeitsbild in der israelischen Gesellschaft (Uta Klein); neue Männlichkeitsmodelle in der Post-Apartheid Ära in Südafrika (Robert Morrell). Anti-Gewalt-Trainings und die von Kanada ausgehende "White-Ribbon-Campaign" gegen Gewalt gegen Frauen (Michael Kaufmann) wurden vorgestellt. Die dann erarbeiteten Empfehlungen für die UNESCO beinhalten u.a. die Durchführung von Antiseximus- und Antirassimustrainings für Multiplikatoren/innen; Überarbeitungen der Curricula und Schulbücher hinsichtlich der Männervorbilder; die Erarbeitung eines internationalen Curriculums, das Männlichkeiten im Verhältnis zu einer Kultur des Friedens vermittelt; den Aufbau eines internationalen Netzwerks von Forschern/innen in diesem Bereich und die Zusammenstellung eines Adressbuchs von Organisationen, die mit Männern arbeiten, um Gewalt gegen Frauen abzubauen.

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Zwischen den Teilnehmenden entstanden Kontakte, die außerordentlich fruchtbar weitergeführt wurden. An verschiedenen Universitäten wurden in der Folge Seminare und Ringvorlesungen zu diesen Fragen angeboten, während der Frauenweltkonferenz in Tromso/Norwegen 1999 gab es zum ersten Mal eine Sektion zu Männerrollen und Männlichkeiten, neue Netzwerke von "Männern gegen Männergewalt" entstanden.

Im November d.J. veranstaltet das UNESCO-Programm ein Treffen zu Menschenrechten und Friedenskultur in Tirana/Albanien, im Dezember ein Treffen zur Beteiligung von Frauen an demokratischen Prozessen in Lateinamerika. Zusammen mit dem Internationalen Roten Kreuz ist eine Kampagne zu Anti-Gewalt-Trainings geplant. In einer Sommerschule sollen in Zukunft Multiplikatoren/innen fortgebildet werden und Forschungen zu Konzepten einer Kultur des Friedens, zu Einstellungen und Verhaltensweisen, die dazu beitragen angeregt werden.

Weitere Infos siehe auch Website: www.unesco.org/cpp/wcp

1
.1992 entschuldigte sich die japanische Regierung offiziell.

2
.Als Einblick in feministische Fragestellungen in der kritischen Friedensforschung vgl. Tordis Batscheider 1993.

3
.Das "Culture of Peace"-Programm begann bereits 1994.


Uta Klein ist Hochschuldozentin an der Universität Münster und Mitglied des UNESCO-ExpertInnentreffens 1997

E-Mail:  uklein@uni-muenster.de
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