Menschenrechte und Militär

Das Militär – ein systematischer Verletzer von Menschenrechten

von Monty Schädel

Militär ist das System von Befehl und Gehorsam, das Menschen dazu veranlasst, innerhalb dieses Systems fundamentale Menschenrechte zu verletzen oder mit diesem System die Menschenrechte anderer zu verletzen, mindestens einzuschränken. Ziel des Militärs ist es, ein gefügiges, steuerbares System von Menschen zu haben, die bereit sind, ihr Menschsein zugunsten des „System Militär“ aufzugeben, um einer höheren Macht (1) als ihren akzeptierten Vorgesetzten zu gehorchen und zu beweisen, dass es anderen Systemen überlegen ist.

Wenn zwei dieser Systeme Militär dann aufeinander prallen, ist es unausweichlich, dass sich die Menschenrechtsverletzungen potenzieren. In der Regel wird so ein Aufeinanderprallen von mindestens zwei „Systemen Militär“ als Krieg bezeichnet.

Die dabei zur Anwendung kommenden Mittel und Methoden sind quasi unbeschränkt und nicht mehr in den Kategorien der Verletzungen von Rechten, Sinnhaftigkeit oder Vorstellbarkeit greifbar. Selbst der Versuch, diesen Mitteln und Methoden über Vereinbarungen (UN-Charta, Abrüstungsverträge für Atomwaffen, Verbot verschiedene Waffengattungen wie Streumunition, B- und C-Waffen, Landminen u.a.) Grenzen zu geben und sie einzuschränken, ist nur als Bild für „gute Zeiten“ einzuordnen. Nüchtern, sachlich eingeschätzt sind „Kriegs- oder Kriegskontrollrechte“ nur vorgeschobene Alibis, um Regeln für den Krieg zu haben. Es sind auf Papier geschriebene „Regeln“.

Die Realität der Menschheitsgeschichte beweist, dass solche Regeln nur solange Bestand haben, wie ein Militärsystem meint, das Überlegene zu sein. Sobald ein „System Militär“ sich unterlegen fühlt, greift es auf alle Mittel und Methoden zurück, seien sie ge- oder verboten, vorstellbar oder unbegreiflich. Es gibt scheinbar keine Grenzen. Aufzuzählen wären an dieser Stelle die grausamsten Ereignisse und Handlungen innerhalb von Kriegen, auf die ich hier verzichten möchte. Es gibt leider zu viele Auswüchse, und es ist zu befürchten, dass „Systeme Militär“ und die Menschen darin in Zukunft zu weiteren Mitteln und Methoden greifen, selbst zu solchen, die die heutigen Unbegreiflichen noch übersteigen.

Grausamkeiten, Gewalt – d.h. Menschenrechtsverletzungen – sind natürlich nicht nur im Militär zu finden, jedoch finden sie innerhalb des Militärs und nach außen durch das Militär halt eben systematisch statt. Das Befehl-Gehorsam-Prinzip im Militär hat zur Folge, dass die Mehrzahl der Menschen im System Handelnde sind. Handelnd in der Folge eines Befehls, der von anderen Personen gegeben wurde und zuerst auszuführen ist, ehe er zu hinterfragen gestattet ist. (2) Dadurch werden Menschenrechte der Handelnden (z.B. das Recht auf freie Meinungsäußerung) ebenso verletzt wie die Rechte derjenigen, die die Auswirkungen des Handelns zu ertragen haben. Alle Einheiten, die nach dem Befehl-Gehorsam-Prinzip wirken, bergen für die in den Einheiten handelnden Personen die Gefahr der Korruption und Manipulation. Die Abhängigkeit, auf die Gesetzestreue der Vorgesetzten und ihrer Befehle zu vertrauen bzw. darauf angewiesen zu sein, bewirkt, dass eigene Rechte nicht wahrgenommen werden und somit auch die Rechte anderer nicht als elementar erkannt werden können.

 

Menschenrecht auf KDV
Jeder und jedem fallen bei geringer Anstrengung ganz sicher einige Beispiele ein, die die systematische Verletzung von Menschenrechten durch das Militär belegen. Dabei ist es (eigentlich) unerheblich, ob diese Menschenrechte von der UNO als solche anerkannt werden, auch wenn das sicher für die Akzeptanz in der Gesellschaft hilft. Die Geschichte der UN-Menschenrechtskonvention macht deutlich, dass es immer wieder Änderungen gab und in Zukunft sicher auch noch geben wird. Und so ist es dann einer subjektiven Einschätzung überlassen, das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung, wie es in der Antikriegsbewegung vertreten wird, als gefährdet bzw. verletzt zu sehen, wenn SoldatInnen KriegsdienstverweigererInnen inhaftieren. Als eindeutige Verletzung der Menschenrechte kann aber wohl die Tötung von Menschen angesehen werden. Dieses Recht, das den Menschen existieren lässt, wird bereits dann im Militär mit Füßen getreten, wenn es sich noch nicht mit einem anderen Militär duelliert. Jedes Teil des Militärs wird darauf ausgerichtet, Menschen, mindestens die, die Teil des gegenüberstehenden „System Militär“ sind, das Leben zu nehmen. Und das möglichst effektiv. Es wird das Töten, mit und ohne Hilfsmitteln, gelehrt und gelernt, obwohl es das existenziellste Recht eines Menschen ist, zu leben. Es braucht also niemand behaupten, dass das Militär Menschenrechte schützen, erhalten oder schaffen könnte. Denn selbst in der Annahme, dass das Militär dieses tun könnte, würde dem die systematische Ausbildung vorausgehen, die bereits die Menschenrechtsverletzung beinhaltet.

 

Einschränkung von Grundrechten im Militär
Neben der Vernichtung von Leben von Menschen des gegenüber stehenden „Systems Militär“ werden aber bereits in den Planungen des Militärs weitere Menschenrechtsverletzungen als vertretbar eingeordnet. So ist es hinderlich, wenn das Recht auf freie Meinungsäußerung oder Demonstrationsfreiheit in solchen „Systemauseinandersetzungen“ von Angehörigen des Militärs oder aber auch außerhalb dieses Systems ausgeübt wird. Also werden sie eingeschränkt – d.h. verletzt. Aber auch die Rechte auf Wohnen oder Wahl des Aufenthaltsortes sind von solchen Planungen direkt betroffen, wenn Gebäude zerstört werden und Flüchtlinge weltweit nach neuen Orten für ihr Leben suchen müssen.

Besonders perfide (was ist beim „System Militär“ eigentlich nicht perfide), sind Auswüchse, die besonders schützenswerte Personen bereits in dieses System eingliedern. So nehmen weltweit 250.000 Kinder unter 18 Jahren an Kampfhandlungen teil. Sie werden damit nicht nur in ihren Rechten als Menschen eingeschränkt, sie werden auch aller ihrer Rechte als Kinder beraubt. Nach der UN-Kinderrechtskonvention stehen ihnen nicht nur die Rechte zu, die allen Menschen zustehen, sondern auch noch solche besonderen Schutzrechte, die sie als Kinder auszeichnen (Recht auf Spiel, Kultur und Freizeit, auf Bildung, Lebensbedingungen, soziale Sicherheit, Eltern, …).

 

Schutz vor Folter
Dass der Schutz vor Folter eines der Rechte ist, welches durch das Militär missachtet wird, dürfte jedem mit den Berichten aus Bagram oder Guantanamo bewusst geworden sein. Die Verschleierung der Flüge von entführten „Terroristen“ durch viele EU-Staaten oder auch der „Besuch“ deutscher Behördenvertreter in Gefängnissen in Staaten, die es mit diesem und anderen Menschenrechten „nicht ganz so eng“ sehen, kann vielleicht noch nicht direkt die systematische Verletzung von Menschenrechten durch das Militär belegen, aber steht für dem Militär vergleichbare Einheiten, die nach dem Befehl-Gehorsam-Prinzip arbeiten.

 

Militär gehört abgeschafft
Wer systematische Verletzung von Menschenrechten wirklich bekämpfen will, muss das Militär in Frage stellen und es letztlich abschaffen. Jeder Versuch, mit Militär Menschenrechte zu schützen oder deren Einhaltung sichern zu wollen, muss scheitern, da das Militär die Menschenrechtsverletzung in sich trägt. Anders kann es überhaupt nicht funktionieren, wenn es sich Militär nennt. Die R2P-Politik des letzten Jahrzehnts, gerade auch der deutschen Militär- und KriegspropagandistInnen, mag Erfolge im politischen Bereich in der Form erreicht haben, dass diese Politik, wie jüngst ja auch im Konflikt mit Syrien, als Alternative propagiert wird. In Wahrheit ist sie nur ein weiteres Mittel, um Krieg zu rechtfertigen, und damit Menschenrechtsverletzungen zu bagatellisieren. Ein Erfolg für den Schutz der Menschenrechte ist sie nicht. Menschenrechte gehören aktiv geschützt - Militär gehört abgeschafft!

 

Anmerkungen
1 Nicht nur im religiösen Sinn einer Göttin/einem Gott/einer Göttergruppe, sondern z.B. auch einer Regierung, einem Parlament, einem/r PräsidentIn.

2 Die Regeln zur Ausführung von Befehlen mögen in den einzelnen Armeen/Militärs unterschiedlich gestaltet sein, die tatsächlich praktizierte Regel ist jedoch, dass Befehle auszuführen sind, selbst wenn die Regeln z.B. festlegen, dass sie nicht ausgeführt werden müssen, sofern sie gegen bestimmt Gesetze verstoßen. In der tatsächlichen Situation der Befehlsgabe ist es für den/die in der Hierarchie Untergebenen tatsächlich nur in Ausnahmefällen möglich, die Weite des Befehls und der Ausführung zu erkennen. Aber Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.

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