US-Soldaten: Lieber desertieren als zurück in den Irak

von Becky Oberg

Mitglieder der Streitkräfte kennen die Konsequenzen für unerlaubtes Entfernen von der Truppe (bei der Navy "unerlaubte Abwesenheit") - maximal fünf Jahre Haft, Verlust von Gehalt und finanziellen Zuwendungen und eine unehrenhafte Entlassung. Trotzdem entfernen sich einige Militärangehörige unerlaubt von der Truppe oder desertieren, um eine Rückkehr in den Irak zu verhindern.

"Ich will definitiv nicht dahin zurückgehen", sagte ein Angehöriger der National-Garde Florida dem Sender CBS News. "Ich denke, die meisten Leute - wenn nicht sogar alle Leute, die dort sind - wollen da nicht sein." Der Angehörige der Nationalgarde hat seinen Rückflug in den Irak am 18. Oktober absichtlich verstreichen lassen. Laut Washington Post ist der Soldat nicht zum Dienst zurückgekehrt und befindet sich möglicherweise auf der Flucht.

Nach Natalie Granger vom Büro für Öffentlichkeitsarbeit der US-Armee desertierten 2002 3.800 Soldaten. 3.255 wurden wieder in militärische Obhut zurückgeführt. Im Jahre 2001 desertierten 5.065 und 4.966 wurden wieder zurückgeführt.

"Dies ist etwas, womit wir ständig umgehen müssen," so Granger. Und, sie könne nicht sagen, ob die US-Armee heute einen Deserteur exekutieren würde, da jeder Fall aufgrund einer persönlichen Basis beurteilt wird. "Offensichtlich ist es eine Option", sagte Granger.

Armee Sprecher Joe Burlas sagte, dass die Armee sicherlich keine Exekutionen durchführen wird und, dass die letzte Exekution wegen Desertion/Fahnenflucht während des zweiten Weltkriegs vollstreckt wurde. "Die Strafe für Fahnenflucht ist normalerweise fünf Jahre Haft, wenn die Absicht besteht, gefährlichen Dienst zu verweigern", so Burlas.

Die Hotline für die Rechte der GIs, ein nationaler Unterstützungsservice, sagte zur New York Post, dass sie über 100 Anrufe erhalten haben, die sich auf die Strafen bezogen haben, die mit einer unerlaubten Abwesenheit von der Truppe in Zusammenhang stehen. Einige dieser Anrufe kamen von Soldaten, die sich im Urlaub befinden, andere kamen von Soldaten aus dem Kriegsgebiet. Einige der Anrufer äußerten, dass sie nicht in den Irak zurückkehren werden.

Die Konsequenzen dieser Aktion können hart sein. In einem aktuellen Fall wurde Marine Stephen Funk, laut "occupationwatch.org" wegen Fahnenflucht freigesprochen, aber wegen unerlaubter Abwesenheit von der Truppe verurteilt. Funk, ein Kriegsdienstverweigerer, wurde zu sechs Monaten Militärhaft in Camp Lejeune verurteilt, zum Gefreiten degradiert, sein Gehalt wurde um 2/3 verringert und er wurde unehrenhaft entlassen.

Die Strafe für Desertion ist härter. Nachdem ein Angehöriger der Streitkräfte mehr als 30 Tage unerlaubt von der Truppe fehlt, wird er von seinen Aufgaben entbunden und zählt verwaltungstechnisch als Deserteur.

Wenn ein Soldat als Deserteur eingestuft wird, wird ein Haftbefehl ausgestellt. Gemeinde-, Staats- und Bundesbehörden können den Deserteur dann verhaften. Nach zehn Tagen wird der nächststehende Verwandte angeschrieben und er wird aufgefordert, den Angehörigen der Streitkräfte davon zu überzeugen, sich freiwillig in militärische Obhut zu begeben.

Einen Deserteur zu beherbergen ist illegal. Laut Claudia Cummings, Pressesprecherin der US-Bundesstaatsanwaltschaft in Indianapolis, ist die Höchststrafe dafür drei Jahre in einem Bundesgefängnis. Es gibt jedoch einige Menschen, die denken, dass es das Risiko wert ist.

"Wenn ich von diesen Frauen und Männer höre, die sich umbringen würden um zu entkommen, ist es meine Aufgabe als Veteran und loyaler amerikanischer Staatsbürger, meine Regierung in jeder angemessenen gewaltlosen Art und Weise zu bekämpfen", schrieb Carl Rising-Moore in einer Mail an Anti-Kriegs-Aktivisten in Indianapolis.

Laut USA Today haben in den letzten sieben Monaten elf Soldaten und drei Marines im Irak Selbstmord begangen. Mehrere andere Tode werden auf Selbstmorde hin untersucht. Zusätzlich schickte die US-Armee 478 Soldaten auf Grund von psychischen Gründen nach hause.

Rising-Moore, ein Veteran der US-Armee, diente während des Vietnamkrieges. Obwohl er sich freiwillig für Vietnam meldete, war er in den USA stationiert. Als er entlassen wurde, unterstützte er Männer, die nach Kanada flohen, um den Militärdienst zu entkommen. Er sagt, dass die aktuelle Situation im Irak ähnlich der in Vietnam sei. "Falls alles andere nicht klappt, desertiert, so wie es George W. Bush Jr. während des Vietnamkrieges machte."

Es gibt in Bushs militärischer Akte eine Lücke zwischen Mai 1972 und Oktober 1973. Kritiker lasten ihm an, dass er desertiert sei. Rising-Moore sagte, dass es im ganzen Land Leute gibt, die bereit sind Deserteure zu verstecken und ihnen zu helfen nach Kanada zu fliehen. Die Kanadier sind bereit, diese Aufgabe zu erfüllen. In der kanadischen Gesetzgebung werden Fälle von politischem Asyl von Fall zu Fall von einem Einwanderungsoffizier an der Grenze behandelt. Kanada hält sich an die Richtlinien der Vereinten Nationen in Bezug auf die Gewährung von politischem Asyl.

Rising-Moore fügte hinzu, dass Schweden und Norwegen politisches Asyl für Deserteure garantieren könnten. Einige Länder würden dies definitiv nicht tun. "Es gibt für sie, die Deserteure, keine Möglichkeit, in die Schweiz zu kommen," sagte ein Sprecher des schweizerischen Konsulates in Indianapolis. "Wir sind ein neutrales Land. Wir mischen uns nicht in die Angelegenheiten anderer Völker ein".

Rising-Moore ist derzeit in Kanada, um Unterstützung für das, was er "Underground Freedom" nennt, zu sammeln. Er wird alle größeren Städte besuchen, einschließlich Vancouver, Calgary, Edmonton, Toronto, Montreal, Halifax und Ottawa. Rising-Moore sagt, so mancher denke, dass er übertrieben habe, aber er glaubt, dass hier die Nürnberger Grundsätze zutreffen. Nach den Nürnberger Grundsätzen hat jedes Individuum die Pflicht, höheren moralischen Standards zu folgen, wenn diese mit Gesetzen und Befehlen in Konflikt geraten.

Der Text wurde von der Redaktion leicht gekürzt.

Übersetzung: Ingmar Kreisl
 

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