Redebeitrag für die Hiroshima-Gedenkveranstaltung in München am 6. August 2018

 

- Es gilt das gesprochene Wort -

- Sperrfrist: 06.08., Redebeginn: ca. 18 Uhr -

 

Liebe Münchnerinnen und Münchner,
liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde!

Ich heiße Ingeborg Oster, bin Allgemeinärztin und bin seit 1985 Mitglied der internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs und in sozialer Verantwortung.

Heute und am 9. August jähren sich die Atombombenabwürfe der USA auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki zum 73. Mal. Mehr als 200.000 Menschen wurden durch diese Angriffe getötet, Zehntausende starben an den Spätfolgen ihrer Verbrennungen, Verletzungen und der Radioaktivität. Die Umwelt mitsamt Tieren, Pflanzen und Meeresleben wurde zerstört und für sehr lange Zeit radioaktiv verseucht. Auch in diesem Jahr wird weltweit an die Opfer erinnert, denn die Bedrohung mit Atomwaffen besteht weiter. Gerade in Regionen, in denen sich Atomwaffenstaaten gegenüberstehen, bestehen die größten Gefahren für den Weltfrieden.

Diese Beispiele kennen wir alle: die Konfrontation Russland – USA in Osteuropa, das atomare Säbelrasseln zwischen Indien und Pakistan, den Stellvertreterkrieg in Syrien, den Dauerkonflikt zwischen Nordkorea und USA (der nur in langwierigen Verhandlungen und nicht in Showauftritten gelöst werden kann). Obwohl die Anzahl der Nuklearwaffen weltweit seit Ende des kalten Krieges gesunken ist, steigt das Risiko ihres Einsatze - ob versehentlich oder absichtlich. Wir erinnern uns an die Beinahe-Katastrophe im Januar diesen Jahres, wo durch einen Fehlalarm den Bürgern von Hawai ein atomarer Angriff aus Nordkorea angekündigt wurde. Nur durch Zufall wurde in diesen 38 Min. kein Gegenschlag veranlasst. Trotzdem wird die Politik der nuklearen Abschreckung noch immer als Garant des Friedens propagiert, da sie angeblich den Feind von einem Erstangriff abhält. Alle Atomwaffenstaaten modernisieren derzeit ihre Nuklearwaffen mit dem Ziel, einen atomaren Erstschlag ohne Gegenreaktion möglich zu machen. Damit schraubt sich die atomare Rüstungsspirale immer höher mit unermesslichen Kosten und Folgen für uns alle. Damit wäre auch das Trugbild „Frieden durch atomare Abschreckung“ hinfällig.

Die neun Atomwaffenstaaten besitzen fast 15.000 Nuklearwaffen (davon 6.800 die USA, 7.000 Russland). 1.800 werden in Alarmbereitschaft gehalten, übrigens 20 davon in Deutschland (in Büchel). Aber es gibt eine starke, weltweite Gegenbewegung. Die Nichtatomwaffenstaaten sind sich der katastrophalen humanitären Folgen von Atomwaffen bewusst und wollen sich die Drohung mit Atomwaffen nicht länger bieten lassen. Im Juli 2017 beschlossen 122 Staaten einen UN-Vertrag zum Atomwaffenverbot. Er untersagt unter anderem den Besitz, die Stationierung und die Drohung mit Atomwaffen. Das Abkommen tritt in Kraft, sobald 50 Staaten ratifiziert haben. Bisher haben 59 Staaten unterschrieben und 14 ratifiziert. Alle 9 Atomwaffenstaaten, alle NATO-Mitglieder und selbst Japan stimmten dagegen. Die Bundesregierung boykottiert bis heute diesen Vertrag. Außerdem beharrt sie auf der Stationierung von 20 US-Atombomben in Büchel (s. meinen Mitredner C. Schreer). Damit unterstützt sie die immer gefährlicher werdende Atomwaffenpolitik der Atomwaffenstaaten. Und sie stellt sich gegen die Mehrheit der Staaten und der eigenen Bevölkerung. Mehr als 2/3 aller Bundesbürger sind für den Abzug der US-Atomwaffen aus Büchel und den Beitritt zum internationalen Atomwaffenverbot. Das ergab eine im Juli 18 veröffentlichte Umfrage im Auftrag der Friedensorganisation ICAN. ICAN, die internationale Kampagne zur Abschaffung aller Atomwaffen, hat das UN-Atomwaffenverbot angeschoben und mit Expertise und Lobbyarbeit bei den Staaten maßgeblich unterstützt. Für dieses herausragende Engagement mit ihren 468 Partnern weltweit hat ICAN 2017 den Friedensnobelpreis erhalten. Eine japanische Überlebende (Hibakusha) des Atombombenabwurfs, Setsuko Thurlow, hielt bei der Nobelpreisverleihung in Oslo eine Dankesrede. Ich zitiere daraus:“ Neun Nationen drohen noch immer damit, ganze Städte in Schutt und Asche zu legen, das Leben auf der Erde zu zerstören und unsere schöne Welt für zukünftige Generationen unbewohnbar zu machen. Die Entwicklung von Kernwaffen bedeutet nicht den Aufstieg eines Landes zu Größe, sondern seinen Abstieg in die dunkelsten Tiefen der Verderbnis. Diese Waffen sind kein notwendiges Übel, sie sind das ultimative Übel… Nachdem ich die Menschheit in ihrer schlimmsten Form erlebt hatte, erlebte ich am Tag des UN-Atomwaffenverbots die Menschheit in ihrer besten. Wir Überlebenden haben 72 Jahre auf dieses Verbot gewartet und wir hoffen, dass dies der Anfang vom Ende der Atomwaffen sein wird.“ Soweit die japanische Überlebende des Atombombenabwurfs 1945.Wir alle hier wissen: Sicherheit entsteht nicht durch immer neue Aufrüstungspläne sondern durch eine Politik der Abrüstung, Deeskalation und Vertrauensbildung.

Wir fordern deshalb die Bundesregierung auf:

  • Deutschland muss sofort dem UN-Atomwaffenverbot beitreten.
  • Die US-Atomwaffen müssen aus Büchel abgezogen werden (wie bereits 2010 im deutschen Bundestag beschlossen, aber bisher nicht umgesetzt).

Bitte unterstützen Sie uns. Unterschreiben Sie die Petition an die Bundesregierung, die am Info-Tisch ausliegt und informieren Sie Ihre Familie, Freunde, Kollegen und Nachbarn.

 

Ingeborg Oster ist aktiv bei der IPPNW Regionalgruppe in München.