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Februar 1998


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Komitee für Grundrechte und Demokratie:

FREIe HEIDe - neuer Kristallisationsort der Friedensbewegung?

Volker Böge

Vom 4. bis 6. Oktober 1996 trafen sich in Sewekow nahe Wittstock auf Einladung der Bürgerinitiative (BI) FREIe HEIDe, der Berlin/Potsdamer UnterstützerInnengruppe der FREIen HEIDe und des Komitees für Grundrechte und Demokratie ca. 70 Menschen aus verschiedenen lokalen und bundesweit arbeitenden Friedensgruppen und -organisationen zu einem antimilitaristischen Kongreß", auf dem es vor allem um einen Erfahrungsaustausch zwischen der BI und den anderen Gruppierungen gehen sollte und Perspektiven für die künftige Friedensarbeit lokal und überregional ausgelotet werden sollten.

Die Idee ist ziemlich gut...

Die hinter diesem Kongreß stehende Idee, die ein Treffen versprach, das spannender werden könnte als vergleichbare Veranstaltungen der letzten Jahre, war, daß hier am Exempel des geplanten Bombenabwurfplatzes der Bundeswehr auf dem ehemals sowjetischen Truppenübungsgelände im Gebiet zwischen Wittstock, Rheinsberg und Neuruppin einmal wieder die Verbindung hergestellt werden könnte zwischen dem Kampf gegen die herrschende Militärpolitik generell - konkret: gegen die neue Interventionsorientierung der Bundeswehr - und dem Kampf gegen ein ganz handfestes örtlich fixiertes Militärprojekt. Ein solches Vorgehen hat sich zu Zeiten der Friedensbewegung in den 80er Jahren ja durchaus bewährt: Damals konnte anhand des Widerstands an den (geplanten) Stationierungsorten von Massenvernichtungsmitteln (Atomwaffen z.B. in Mutlangen, Hasselbach oder Kellinghusen, Chemiewaffen z.B. in Fischbach) der Kampf gegen die Nuklearrüstungs- und Abschreckungspolitik konkret geführt werden, was zur Stärke der Bewegung insgesamt erheblich beitrug. Die Voraussetzungen für eine solche Verbindung von lokalem Widerstand und allgemeiner Problematik scheinen auch im Falle FREIe HEIDe gut: Auf dem Bombenabwurfplatz soll künftig die deutsche Luftwaffe für out of area" - Einsätze üben, dieser Platz ist eindeutig dafür vorgesehen, die Krisenreaktionskräfte der Bundeswehr fit zu machen für Militärinterventionen weit weg von den eigenen Landesgrenzen. An ihm ließe sich also die Militarisierung der deutschen Politik konkret problematisieren. Auf der anderen Seite greift dieser Platz entscheidend in die Struktur und das Leben der Bevölkerung einer ganzen Region ein. Die Menschen dort werden mit höllischem Tieffluglärm terrorisiert werden, wenn die Bundeswehr mit ihren Plänen durchkommt. Deswegen hat sich vor Ort eine BI gebildet, die das Bombodrom" verhindern will. Beides könnte gut zusammengehen: Die BI könnte mit stärkerer überregionaler Unterstützung rechnen, wenn der allgemeinpolitische Stellenwert des geplanten Bombenabwurfplatzes für die Interventionsorientierung deutscher Militärmacht deutlicher herausgearbeitet würde, und jene antimilitaristischen Kräfte, die diese Interventionsorientierung für den zentralen Angelpunkt der Militarisierung deutscher Politik halten, hätten einen konkreten Ort, an dem sie ihre Kritik festmachen und ein Stück weit praktisch umsetzen könnten. Soweit die Idee.

... aber die Realität sperrt sich

Welche Schwierigkeiten sich ergeben, wenn versucht wird, diese Idee zum Ausgangspunkt praktischen Handelns zu machen, wurde ziemlich deutlich auf dem Kongreß von Anfang Oktober, von dem hier berichtet werden soll.

Der Kongreß begann mit einer öffentlichen Veranstaltung im Saal des Dorfkruges" von Schweinrich (sowas wie die Trebeler Bauernstuben" im Wendland, nur noch mit dem besonderen DDR-Flair). Dort hatten sich ca. 70 Leute versammelt. Wenn man davon ausgeht, daß zu dieser Zeit knapp 50 auswärtige KongreßteilnehmerInnen bereits angereist waren, so kann man mit gut zwanzig einheimischen ZuhörerInnen rechnen.

Nach Begrüßungsworten des Bürgermeisters von Schweinrich, der zugleich Vorsitzender der BI ist (!), ging Andreas Buro vom Komitee für Grundrechte und Demokratie in einem ersten Vortrag auf drei Fragen ein: 1. Ist das, was auf dem geplanten Bombodrom" geübt werden soll, notwendig für die Landesverteidigung? oder geht es - 2. - um ganz etwas anderes, und wenn ja, um was? 3. Gibt es Alternativen? Bei der Beantwortung der ersten Frage machte Buro deutlich, daß es selbst aus Sicht herrschender Politik keine unmittelbare Bedrohung der Bundesrepublik mehr gibt, der man mit militärischen Mitteln begegnen müßte; Szenarien, die mit dem höchst unwahrscheinlichen Fall des (Wieder-)Entstehens einer solchen Bedrohung arbeiteten, seien derart abwegig, daß sie den Aufwand und die enormen Belastungen eines Bombenabwurfplatzes und der dort vorgesehenen Übungen in der geplanten Dimension keinesfalls rechtfertigen würden. Das Bombodrom" diene mithin - so die Antwort auf die zweite Frage - anderen Zwecken. Diese Zwecke erläuterte Buro, indem er das Wesen der neuen NATO" als Ordnungsmacht für Europa und weit darüber hinaus (für den Krisenbogen von Marokko bis zum Indischen Ozean", wie es von offizieller Seite heißt) herausarbeitete und deutlich machte, daß die Bundesrepublik und die Bundeswehr in diesem Zusammenhang wieder normal" militärisch mittun wollen, daß sie also Expeditionsstreitkräfte" bräuchten. Herrschender Politik gehe es darum, die Position der deutschen Streitkräfte im multilateralen Konzert der NATO-Schnelleingreifkräfte zu stärken; das wiederum stehe in Verbindung mit dem Bestreben, die hegemoniale Position Deutschlands in Europa auch auf militärischem Gebiet zur Geltung zu bringen. Um eine solche Politik umsetzen zu können, bräuchte man eben auch einen Bombenabwurfplatz wie den geplanten, um die Expeditionsstreitkräfte" auf ihre Aufgaben vorzubereiten. In Beantwortung der dritten Frage erläuterte Buro das Konzept der Zivilen Konfliktbearbeitung als Alternative zur militärischen Interventionspolitik; in der Gesellschaft würde sich die Einsicht in die Untauglichkeit militärischer Mittel ausbreiten, deswegen müsse man das Angebot von nicht-militärischen Alternativkonzepten machen und die Auseinandersetzung mit den Protagonisten der militärischen Option führen. Auch der Kampf um die FREIe HEIDe selbst sei bereits eine Lehr- und Lernsituation, in der Zivile Konfliktbearbeitung praktiziert und erprobt werden könne. Der Kampf hier könne auch zu einem Fokus für den Kampf in der großen Politik" werden.

Knut Krusewitz, Friedensforscher und Ökologe, ging im anschließenden Vortrag der Frage nach, was an dem geplanten Bombodrom von überregionalem Interesse ist. Dabei hob er hervor, daß es hier um einen grundsätzlichen Strukturkonflikt zwischen Militär, Ökologie und Bevölkerung gehe. Für diesen Konflikt gebe es keine sowohl-als-auch-Lösung, sondern nur eine entweder-oder-Lösung. Denn man könne Waffensysteme nicht umweltfreundlich in einem intakten Biotop testen, und man könne eine Region nicht gleichzeitig als eine nachhaltige" und als eine Kriegsübungsregion entwickeln. Die Kriegsvorbereitungen und -übungen zerstörten die Möglichkeiten der nachhaltigen Entwicklung" der Region. Die könnte darin bestehen, daß die Region zu einer Beispiel-Landschaft" gemacht werde, daß für sie z.B. Biosphären-Reservate ausgewiesen werden. Wenn man die Ostprignitz zu einer derartigen Modell-Region mache, so könne darüber die militärische Großplanung gekippt werden. Das sei das eigentlich Spannende an diesem Konflikt. Die Kriege, die im Krisenbogen von Marokko bis zum Indischen Ozean" geführt werden sollen, sollen hier in der Region eingeübt und vorbereitet werden - diese Planung könne durchkreuzt werden, wenn man die Region anders als für das Bombodrom nutze.

 zum AnfangDer Konflikt setze somit die friedensstrategische Bedeutung" der Kommunen wieder auf die Tagesordnung.

Nach diesen durchaus plausiblen Einschätzungen und begrüßenswerten Zielperspektiven wurden dann in der Diskussion allerdings die Probleme deutlich, die sich vor Ort mit einer derartigen Orientierung ergeben. VertreterInnen der BI und andere Einheimische wiesen darauf hin, daß es zwar noch eine recht breite Front gegen die Bundeswehr-Pläne gebe: alle betroffenen Gemeinden sind gegen das Bombodrom, ebenso der Landrat und der Kreistag. Doch beginne die Front allmählich zu bröckeln. Denn die Bundeswehr lockt mit Arbeitsplätzen. Das ist in der Region, in der die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist (in Wittstock bei 23%), ein starkes Argument.

Auf Stellenausschreibungen der Bundeswehr haben sich 700 Leute beworben, 30 wurden eingestellt - aus jedem Dorf einer. Die Folge dieses taktischen Schachzugs: Es hat sich mittlerweile eine pro-Bundeswehr-Initiative gegründet, die ihren Rückhalt in den Familien und der Verwandtschaft der 30 Eingestellten hat. Ferner entwickeln sich auch regionale Differenzierungen in der Großregion: Jene Gemeinden, die schon einen gewissen Tourismus verbuchen können und darauf rechnen, den Tourismus weiter ausbauen zu können - wie etwa Rheinsberg und Nachbargemeinden - sind weiterhin nahezu geschlossen gegen das Bombodrom, jene aber, die nicht auf den Tourismus setzen können, wanken. Das gilt insbesondere für Wittstock, zumal die Bundeswehr versprochen hat, die Garnison für den Bombenabwurfplatz nach Wittstock zu legen, was angeblich massig Arbeitsplätze bringen soll.

Winni Nachtwei, grüner Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Verteidigungsausschuß, zerpflückte das Arbeitsplatz-Argument als Illusionsmacherei. Es würden keine Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl geschaffen; dafür aber müsse man mit sehr viel mehr Tiefflügen rechnen als bisher erwartet: Zur Zeit würden auf den bestehenden Bombenabwurfplätzen 3400 Einsätze jährlich geflogen, geplant seien für die Zukunft 7200 Einsätze jährlich - wobei ein Einsatz aus 8-10 Überflügen bestehe. Das sei einerseits Indiz für die verstärkte Vorbereitung der Bundeswehr auf Kriegseinsätze nach dem Modell Golfkrieg, andererseits komme auf die Menschen der Region noch sehr viel Schlimmeres zu als bisher erwartet.

Praktische Probleme an der Basis

Der Kongreß wurde mit ca. 70 TeilnehmerInnen am Samstag und Sonntag in Sewekow fortgesetzt. Dabei waren ein halbes Dutzend VertreterInnen der regionalen BI und Leute aus diversen bundesweiten Friedensorganisationen (z.B. DFG/VK, Bund für Soziale Verteidigung, Netzwerk Friedenskooperative) und aus örtlichen Friedensinitiativen, vor allem von anderen Militärstandorten (z.B. Colbitz-Letzlinger Heide, Nordhorn Range).

 zum AnfangZunächst wurde am Samstag je eine Einschätzung über Erfahrungen und Situation der Friedensbewegung in der ehemaligen DDR und der BRD gegeben. Der DDR-Bericht machte deutlich, daß die Friedensbewegung in der damaligen DDR sehr stark von Netzen persönlicher Verbindungen getragen war, daß es jetzt kaum noch eine aus dieser Zeit herübergerettete Friedensbewegung im Osten gibt und daß insbesondere diese Bewegung auch keinen Bezug zu konkreten Militärstandorten hatte, daß insofern die FREIe HEIDe (und die Colbitz-Letzlinger Heide) für den Osten etwas völlig Neues darstellen.

Der BRD-Bericht konnte demgegenüber darauf verweisen, daß eine Stärke der West-Friedensbewegung in den 80er Jahren gerade die Verknüpfung von Standort-Problemen und großer Politik" gewesen war, daß also die herrschende Militärpolitik in den Handlungsbereich der BürgerInnen vor Ort hereingeholt werden konnte. Ein Problem der - auch im Westen gegenüber den 80er Jahren drastisch schwächeren, gleichwohl nicht ganz toten - Friedensbewegung gegenwärtig sei, daß diese Verknüpfung nicht mehr so umstandslos hergestellt werden könne.

Hier könnte Wittstock ein Ansatzpunkt sein. Allerdings sei eine gewisse Skepsis geboten: Damals seien die Menschen wegen der eigenen Betroffenheit auf die Straße gegangen - und von den Nuklearraketen fühlten sich alle betroffen, nicht nur die Menschen an den Stationierungsorten - heute sei diese Betroffenheit nicht mehr gegeben: Schließlich würde weit weg, irgendwo bei Wittstock, für Kriege noch viel, viel weiter weg - irgendwo in Afrika oder im Nahen Osten - geübt, und das würde Leute, die gut materialistisch gemäß ihren Interessen handeln, nicht ohne weiteres hinter dem Ofen hervorlocken.

Dieses Problem einer überregionalen Mobilisierung überschneidet sich mit den Problemen der Mobilisierung vor Ort. Diese Probleme, die am Vorabend in Schweinrich schon angeklungen waren, wurden aus den Beiträgen der beiden BI-Vertreter am Samstag Vormittag deutlich. Zwar konnten Helmut Schönberg und Annemarie Friedrich von relativ großen Erfolgen berichten.

Immerhin hat es nach dem Bekanntwerden der Bundeswehr-Pläne am 15.8.1992 eine erste große Demonstration mit 5000 Menschen gegen die weitere militärische Nutzung des Bombodroms gegeben - und das bei nur 50.000 Einwohnern der Region insgesamt. Immerhin hat sich nach der Demo die BI gegründet, die 60 Mitglieder hat (von denen rund 50 aus der Region kommen). Immerhin fand dieses Jahr ebenso wie in den Vorjahren der bundesweit größte Ostermarsch in der FREIen HEIDe statt. Immerhin nehmen an den Protestwanderungen, die regelmäßig einmal im Monat stattfinden, jeweils mehrere Hundert Menschen teil. Immerhin wird eine sehr gute Pressearbeit gemacht usw. usf.

Doch auf der anderen Seite ist die Aufbruchstimmung der Anfangszeit, in der man sich - so die BI-Vertreter - wohl auch noch Illusionen gemacht habe, einer gewissen Ernüchterung gewichen.

 zum AnfangEine ganze Reihe von Aktiven habe sich mittlerweile zurückgezogen, gegenwärtig könne man mit rund zwanzig wirklich aktiven Leuten rechnen. Nicht zuletzt wegen sozialer Probleme - Arbeitslosigkeit! - oder der beruflichen Abhängigkeit von pro-Bombodrom-Arbeitgebern (z.B. der Stadt Wittstock) hätten sich Leute zurückgezogen. Die Spaltungsversuche der Bundeswehr mittels der Arbeitsplatz-Schiene (s.o.) seien nicht unwirksam, die pro-Bundeswehr-Ini mache heftige PR-Arbeit. Dagegen sei schwer anzukommen, zumal die BI noch nicht einmal ein BI-Büro habe.

Größte Sorge sei zur Zeit die Geldfrage. Das liegt vor allem am Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom August. Dieses ist zwar ein Teilerfolg, weil die Bundeswehr verpflichtet wurde, vor der Nutzung des Bombodroms ein förmliches Planungsverfahren nach dem Landbeschaffungsgesetz, das den Betroffenen eine Fülle von Einspruchs- und Klagemöglichkeiten eröffnet, durchzuführen, so daß auf alle Fälle Zeit gewonnen werden kann. Gleichzeitig wurde aber die Klage auf Unterlassung jeglicher militärischer Nutzung des Geländes abgewiesen. Die Prozeßkosten müssen daher die klagenden Einzelpersonen und Gemeinden und der Kreis tragen; und auch eine Berufung wird Geld kosten. Insgesamt rechnen die BI-Vertreter mit 170.000,- DM, die für den juristischen Weg gebraucht werden. Und schon regen sich daher im Kreistag und den Gemeinden jene Kräfte, die mit dem Argument Das kostet zu viel, das können wir uns nicht leisten" den Widerstand gegen die Bundeswehr-Planungen liquidieren wollen. Fazit: Der örtliche Widerstand braucht Geld - für ein BI-Büro, für die Prozesse, aber auch, um Vorschläge für die alternative Nutzung des Geländes wenigstens ansatzweise schon verwirklichen zu können, z.B. gibt es die Idee, auf dem Gelände einen Windpark einzurichten...

Das Bombodrom: 142 qkm zerschundene Landschaft

Am Samstag-Nachmittag machte sich der Kongreß in einem Konvoi von ca. 20 PKWs auf den Weg zur Gelände-Erkundung, die ganze Zeit beschützt (beschattet?) von Freunden und Helfern in grün, die sich mit ihren Wagen in gewissem Abstand, aber deutlich sichtbar, an den Konvoi hängten. Unter sachkundiger Führung der BI-Vertreter konnten sich die Auswärtigen ein Bild vom Gelände machen. Das ist wirklich riesig - 142qkm - und daher von der Gegenseite unmöglich wirksam abzuschirmen: einen Bauzaun wie um das Gelände eines AKW`s kann man hier nicht ziehen, das militärische Sperrgebiet" läßt sich nicht tatsächlich sperren - eine günstige Voraussetzung für direkte Aktionen ... Die BI-Vertreter berichteten denn auch, daß sie das Gelände immer wieder begehen; die Schilder, die das verbieten, verschwinden mit schöner Regelmäßigkeit (um dann vom privaten Sicherheitsdienst aus Schleswig-Holstein (!) und seinen örtlichen Hiwis - das sind die Arbeitsplätze! - wieder aufgestellt zu werden, um dann wieder zu verschwinden usw.). An mehreren Stellen sind Mahnsäulen aufgestellt; die freien Wenden aus Gorleben haben eine Widerstandshütte als Zeichen der Solidarität gebaut.

 zum AnfangIn der Dorfkirche von Zempow konnten die KongreßteilnehmerInnen zum Abschluß der Exkursion schließlich eine kleine Ausstellung zum Widerstand seit 1992 besichtigen. Es ist zu sehen: Hier läuft was, und hier könnte noch sehr viel mehr laufen ... Die Landschaft drumherum ist wirklich toll: Wald, Seen - wunderschön. Der Truppenübungsplatz mittendrin dagegen streckenweise wirklich gespenstisch wüstenartig, von Kettenfahrzeugen aufgewühlt, von Bomben und Raketen umgepflügt, zerschossener und verbrannter Wald. Das alles Erbe der jahrzehntelangen Nutzung durch die Rote Armee. Man kann sich vorstellen, wie froh die Leute waren, als dieser Übungsbetrieb hier ein Ende hatte - und wie groß der Schock und die Enttäuschung war, als sie hörten, daß die Bundeswehr das Gelände weiter nutzen will. Denn viele Leute in der Region hatten auf sanften Tourismus gesetzt, entsprechende konkrete Projekte wurden angegangen. Das alles steht jetzt infrage. Kaum jemand will hier jetzt noch investieren aus der Befürchtung heraus, daß eines Tages die Tiefflieger der Bundesluftwaffe kommen - und dann ist es aus mit dem sanften Tourismus. So verhindert jetzt schon die Absichtserklärung der Bundeswehr, das Bombodrom nutzen zu wollen, Investitionen in zivile Nutzungsformen.

Erfahrungsaustausch und Vernetzungsvorhaben

Wieder zurück in Sewekow, setzte der Kongreß seine Arbeit in Arbeitsgruppen fort, in denen die Erfahrungen anderer - heutiger oder ehemaliger - Widerstandsorte aufgearbeitet und Möglichkeiten der Erfahrungsübertragung auf die Region Wittstock geprüft werden sollten. Tatsächlich waren VertreterInnen einer ganzen Reihe von Stationierungsorten anwesend: Colbitz-Letzlinger Heide, Nordhorn Range, Larzac, Hasselbach, Mutlangen, Hintertaunus, Viernheimer Wald, Rhön u.a. Dieses Verfahren, auf das hier nicht näher eingegangen werden soll, erwies sich als nützlich, weil dadurch Problembewußtsein geschärft werden konnte. Nur ein Beispiel: Die VertreterInnen aus Nordhorn berichteten vom Widerstand gegen den dortigen Bombenabwurfplatz, daß es mittlerweile eine Spaltung gegeben habe zwischen jenen, die lediglich gegen Nordhorn Range sind, und jenen, die gegen Bombenabwurfplätze in Nordhorn und auch anderswo sind. Die ersteren erhoffen sich durch die Einrichtung des Bombodroms in Wittstock eine Entlastung, sind also für das Bombodrom und lediglich gegen Nordhorn Range; selbstverständlich ist ihnen die Interventionsorientierung der Bundeswehr daher auch völlig egal. Sie agieren nach dem St.Florians-Prinzip. Die anderen dagegen, zusammengeschlossen im örtlichen Arbeitskreis Frieden, sind sowohl gegen Nordhorn Range als auch gegen Bombenabwurfplätze generell. Nur mit einem solchen Ansatz läßt sich das übergeordnete Problem, das mit der Existenz der Bombenabwurfplätze verbunden ist, thematisieren. Noch sind die Menschen in der FREIen HEIDe augenscheinlich gegen eine solche Bornierung, wie sie bei Teilen des Widerstands in Nordhorn zum Ausdruck kommt, gefeit: Regelmäßig wird auf ihren Veranstaltungen und Treffen die militärische und militärpolitische Funktion der Bombenabwurfplätze und der entsprechenden Übungen angesprochen, nur so läßt sich auch überregionale Solidarität erwarten und organisieren. Gleichwohl könnte sich hier eine weitere Spaltungslinie auftun.

 zum AnfangAm Sonntag vormittag wurde schließlich die Auswertung der Arbeitsgruppen vorgenommen, und es wurden Verabredungen für die künftige Zusammenarbeit getroffen. Aus einer ganzen Reihe von wünschenswerten Initiativen kristallisierten sich als vordringliche konkrete Aufgaben heraus die Schaffung eines BI-Büros vor Ort (zunächst insbesondere auch für die Vorbereitung des nächsten Ostermarsches), die Organisierung einer Spendenkampagne für die Arbeit der BI, die Einrichtung eines Rundbriefs zum Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Standorten, die Organisierung einer zweigleisigen Reisetätigkeit: von BI-VertreterInnen an diverse Orte der Republik, um dort die Kunde von der FREIen HEIDe zu verbreiten, von Friedensbewegten aus allen Teilen der Republik in die FREIe HEIDe.

Der Kongreß schloß - sagen wir mal - in einer Stimmung des gedämpften Optimismus. Also, ihr Friedensbewegten allüberall draußen im Lande, die ihr diese Zeilen gelesen habt, kümmert Euch um die FREIe HEIDe - aber steckt Eure Erwartungen nicht zu hoch.

Kontaktadresse: B. Lüdemann, Ringstr. 24, 16909 Wittstock, Tel/Fax 03394/3298 Spendenkonto: BI Freie Heide Sparkasse Ostprignitz-Ruppin K

E-Mail:   Grundrechtekomitee@t-online.de
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