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15.02.2003: Europa gegen den Krieg


vom:
14.02.2003


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15.02.2003: Europa gegen den Krieg:

  Redebeiträge

Rede bei der Auftaktkundgebung auf dem Breitscheidplatz

Christoph Bautz

-Es gilt das gesprochene Wort! -
- Sperrfrist: Redebeginn: 15.02. ca 12 Uhr! -


Liebe Freundinnen und Freunde,

an diesem Tag gehen Millionen Menschen in den großen Metropolen Europas und der ganzen Welt auf die Straßen und sagen Nein zum Krieg. Ich denke, der Friedensbewegung kommt im Vorfeld eine so große Bedeutung zu, wie bei keinem anderen Krieg bisher, weder im Golfkrieg 1991, noch bei den Kriegen gegen Jugoslawien und Afghanistan. Die politische Situation steht auf der Kippe, die Mächtigen sind sich unseins und wenn soziale Bewegungen in der Vergangenheit etwas ausrichten konnten, dann in solchen Situationen. Wir haben das erste mal die Chance das Zünglein an der Waage zu sein, und diesen Krieg zu verhindern, bevor er begonnen hat.

Ich sehe zwei Adressaten unseres Protests: Zum einen die US-amerikanische Öffentlichkeit. Wenn die Zustimmung zum Krieg weiter bröckelt, wie in den letzten Wochen, dann hat Bush ein ernstes Problem, denn wenn ihn eins interessiert und vielleicht noch von dem Wahnsinn eines Irak-Krieges abhalten läßt, dann sind das fallende Umfragewerte. Und die sind gerade so schlecht wie vor dem 11.September! Unser Protest muss also den Sprung über den großen Teich schaffen, vor allem dann können wir unsere Freunde und Freundinnen in der US-amerikanischen Friedensbewegung unterstützen und die öffentliche Meinung in den USA beeinflussen. Auf das Bush das Schlackern bekommt!

Der zweite Adressat ist die deutsche Bundesregierung: Wir müssen den Druck hochhalten, damit sie auf dem diplomatischen Parkett sich weiter - und auch geschickter als bisher - sich gegen diesen Krieg stellt und zum zweiten ihrer kriegskritischen Rhetorik auch endlich Taten folgen läßt!

Ziehen Sie endlich Fuchs und Flotte aus der Golfregion ab, Herr Struck!

Untersagen Sie britischen und US-amerikanischen Militärflugzeugen die Überflugsrechte, Herr Schröder, wie es viele europäische Regierungen 1986 beim Angriff auf Libyen getan haben!

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15.02.2003: Europa gegen den Krieg
Sagen Sie klar Nein zu deutschen Soldaten in AWACS-Flugzeugen im Kriegsgebiet, Herr Struck!

Stoppen Sie die Verfrachtung von Kriegsmaterial über deutsche Häfen, Herr Schröder, wie es Willy Brandt 1972 beim Yom-Kippur-Krieg getan hat!

Wenn die deutsche Bundesregierung ihren Worten auch Taten folgen läßt, wird die amerikanische Öffentlichkeit noch viel mehr aufhorchen.

Doch um diese Ziele zu erreiche, müssen wir uns schwer machen, unser ganzes politisches Gewicht in die Waagschale werfen und wenn ich uns heute hier so anschaue, dann sind wir da gerade schon ganz gut dabei. Demonstrationen, massenhaft wie heute oder regional vor Ort, Unterschriftsammlungen, Gebete für den Frieden in den Kirchen, all dies ist immens wichtig, macht Mut, dass wir uns nicht gefallen lassen, dass Politik immer mehr nach den Interessen einiger transnationaler Konzerne gemacht und nicht im Sinne der Menschen. Und Ihr auf diesem Platz in Berlin macht gewaltig Mut!

Aber dieser Tag alleine wird nicht reichen, unser Widerstand muss einen langen Atem haben, wir müssen nachlegen, uns noch gewichtiger machen. Und wir müssen noch einen Schritt weiter gehen und zu den Mitteln der Zivilen Ungehorsams greifen. Die neu gegründete Kampagne resist will Menschen den Rahmen bieten, diesen Schritt zu tun. Wenn tausende der Regierung den Gehorsam verweigern, wenn Tausende sich öffentlich dazu bekennen, im Vorfeld des Krieges und im Kriegsfalle Zivilen Ungehorsam zu leisten, dann erhöht das den politischen Druck.

Wenn ich die letzten beiden Jahrzehnte anschaue, dann haben soziale Bewegungen immer dann besonderes Gewicht bekommen, wenn sie zu den Mitteln des Zivilen Ungehorsams gegriffen haben:

"Unser Mut wird langen" - das war das Motto von Tausenden, die in den 80er Jahren im schwäbischen Mutlangen das Pershing-II-Depot immer wieder blockierten, so lange, bis die Atomraketen abgerüstet wurden.

"Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht" - das stand auf den Transparenten im oberpfälzischen Wackersdorf, als Zehntausende gegen die dort geplante atomare Wiederaufarbeitungsanlage demonstrierten, so lange, bis der Bau eingestellt wurde.

"Wir haben keine Chance, also nutzen wir sie" - das sagen heute viele derjenigen, die sich bei Castor-Transporten nach Gorleben querstellen und die damit schon jetzt erreicht haben, dass es für die Stromwirtschaft immer schwieriger wird, ihr ungelöstes Atommüllproblem zu verschleiern.

Laßt uns auch diesmal an diese Tradition anknüpfen! An vielen Orten in Deutschland können wir uns diesem Krieg widersetzen. In Bremerhafen und Emden stechen vor Waffen starrende Schiffe in See und diese Waffen wurden zuvor durch halb Deutschland per Bahn transportiert, in Geilenkirchen bei Mönchengladbach bereiten sich deutsche Soldaten auf einen AWACS-Einsatz im Kriegsgebiet vor, über Ramstein, Spangdahlen und an der Rhein/Main-Airbase findet der Truppenaufmarsch in die Golfregion statt - am all diesen Orten können Menschen Sand im Getriebe sein und sich der Kriegsmaschinerie widersetzen. Weit über 5.000 Menschen haben mit ihrer Unterschrift unter den resist-Aufruf angekündigt, Widerstand und zivilen Ungehorsam im Falle eines Krieges zu leisten, ein wichtiges Zeichen gesetzt und noch viel mehr Menschen sollten dies tun!

Am nächsten Samstag, am 22. Februar, haben hunderte, wenn nicht tausende Menschen im Rahmen der Kampagne resist vor, 3 Stunden das Haupttor der Rhein-Main-Airbase zu blockieren. Und sie wollen wieder kommen - am zweiten Samstag nach Kriegsbeginn - und dann zeitlich unbefristet das Eingangstor der Airbase blockieren. Sie haben sich einen hochsymbolischen Ort ausgewählt, denn die US-Airbase Rhein/Main stellt eine zentralen Drehscheibe des US-amerikanischen Truppenaufmarschs dar. Hier wollen sie Sand im Getriebe sein. Und sie sind darauf angewiesen, dass ganz viele von den Menschen, die heute die Straßen und Plätze von Berlin auch nach Frankfurt kommen und sich gewaltfrei, aber ungehorsam diesem Krieg widersetzen.

Viele werden sich fragen, ob am 22.2. bei der resist-Sitzblockade vor der Rhein/Main-Airbase um 12.00 Uhr das Mittel Ziviler Ungehorsam legitim ist. Ziviler Ungehorsam - das heißt doch ein Gesetz zu übertreten, seinen Hintern an eine Stelle zu plazieren, wo das nicht erlaubt ist.

Ich denke, dass man sich die Frage nach der Legitimität von Zivilen Ungehorsam in jeder politischen Situation immer wieder sehr genau stellen muss. Aber in dieser Situation ist Ziviler Ungehorsam meiner Auffassung nach auf jeden Fall legitim, ja ist sogar geboten! Angesichts von dem massiven Bruch von Menschenrechten, von zu befürchtenden zehn- wenn nicht hunderttausenden Toten, von der Aufkündigung von internationalen Völkerrecht, dem Verstoß gegen unser Grundgesetz und die UN-Charta und der Rückkehr zu einem internationalem Fausrecht. Ziviler Ungehorsam ist in meinen Augen gar ein zentraler Bestandteil einer Demokratie, weil er Unrecht offenlegt und die politisch Mächtigen zwingt, im Sinne der Menschen und des Völkerrechts und nicht im Sinne der Macht- und insbesondere ökonomischen Interessen weniger zu handeln.

Viele werden sich fragen, ob sie nach der resist-Sitzblockade am 22.2. vor der Rhein/Main-Airbase um 12.00 Uhr mit unübersehbaren rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. Seinen Hintern vor die Airbase zu parken, dass ist nicht mehr als eine Ordnungswidrigkeit, wie falsch parken, 15 Stundenkilometer auf der Autobahn zu schnell gefahren oder den Hund auf den Bürgersteig kacken zu lassen. Viele von uns begehen immer wieder solche Gesetzesbrüche ohne sich viele Gedanken zu machen und unsere Rechtsordnung an sich anzuzweifeln. Und diesmal droht Krieg.

Viele werden fragen, ob es bei der resist-Sitzblockade am 22.2. vor der Rhein/Main-Airbase um 12.00 Uhr nicht schlicht zu kalt ist, sich im Winter vor eine Airbase zu setzen. Dass es kalt sein kann vor der Airbase kann ich nicht bestreiten, auch wenn es voraussichtlich Strohsäcke zum draufsetzen und warme Getränke geben wird. Aber es soll viele warme Klamotten in Euren Kleiderschränken geben und ich denke, viele werden bereit sein, in einer solchen Situation auch etwas unterkühlte Füße auf sich zu nehmen.

Und viele werden sich fragen, ob am 22.2. zur resist-Sitzblockade vor der Rhein/Main-Airbase um 12.00 Uhr denn auch genügend andere kommen, so dass die Blockade ein großer Erfolg wird. Das hängt von uns allen hier ab. Wenn viele Menschen auf diesem Platz, nachdem sie nach Hause gefahren sind, ihren Freunden und Bekannten vor der resist-Sitzblockade erzählen und sie motivieren dorthin mit zu kommen oder gar Flugblätter dafür verteilen, dann werden vor der Airbase sich sehr viele dem Irak-Krieg widersetzen.

Wenn wir es wollen, können wir viel erreichen, wir brauchen dazu allerdings auch heute wieder viel Mut, die große Chance der Friedensbewegung einen Krieg zu verhindern, bevor er angefangen hat, zu nutzen.

Laßt uns gemeinsam Nein zum Krieg sagen!

Widersetzt Euch dem Irak-Krieg!

Resist the War!



E-Mail:   bautz@attac-netzwerk.de
Internet: http://www.resistthewar.de
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